„Versuchs doch mal mit Leichtathletik“: The Screwjetz im Interview

Vor kurzem las ich auf der Seite des von mir sehr gerne besuchten Karben Open Air (Indoor) Festivals, dass dort eine Band namens The Screwjetz spielt. Auf YouTube fand ich die Videos der Jungs richtig gut. Ich dachte mir, dass die Band sicher auch live abräumen wird, doch nun ändert sich ja so einiges in der Musiklandschaft. Corona. Clubs liegen lahm. Festivals fallen flach – Bands fallen Auftrittsmöglichkeiten aus. Daher habe ich mich sehr gefreut, dass The Screwjetz zugestimmt haben, dem Tough Magazine einige Fragen zur Band, zur Krise, zu Plänen und vielem mehr zu beantworten.

Hey ihr lieben Screwjetz. Schön, dass du ihr euch Zeit fürs Tough Magazine nimmt. Wobei erwischen wir euch gerade?
The Screwjetz: Hallo liebes Tough Magazine, mich selbst erwischst du gerade in einem abendlichen Songwriting-Loch auf der Couch. Die Screwjetz erwischst du in der merkwürdigen Situation, dass wir heiß auf die Karben Open Air Winter Edition waren und uns auf die Bühne dort gefreut haben. Jetzt hat die ganze Corona-Sache aber alles gestoppt. Wir überlegen aktuell, wie wir mit dieser gezwungenen Vollbremsung am besten umgehen. Strange times

Für Leute, die euch noch nicht kennen. Wer oder was sind Screwjetz?
The Screwjetz: Hm. Gute Frage. Erstmal sind die Screwjetz eine Punkrock-Band. Oder vier Typen, die Punk-Rock spielen? Glaube, beides trifft es ganz gut.

Ihr habt euch für euer Debüt recht lange Zeit gelassen. Erzählt wie es zum Album „Persona Non Grata“ kam?
The Screwjetz: Wie heißt es immer so schön: Es ist kompliziert. Aber von vorne. Das Album ist ja nicht unsere erste Veröffentlichung. Vorab gab es zwei Demo-CDs, eine Single und eine EP. Schon damals war ein Album im Gespräch. Dass es jetzt doch so lange gedauert hat, war unter anderem auch dem geschuldet, dass wir mitten im Entstehungsprozess eine Umbesetzung in der Band hatten. Unser alter Drummer ist ausgestiegen und wir mussten uns um die Nachfolge kümmern. Das wirft dich im Prozess einige Zeit zurück. Man fängt quasi wieder von vorne an.

Der Albumtitel lässt natürlich Raum für Spekulationen. Wer ist für euch denn eine „Persona Non Grata“?
The Screwjetz: Vereinfacht gesagt bezeichnet „Persona non grata“ eine unerwünschte Person. Das kann man aus verschiedenen Blickwinkeln sehen. Wir wollten damit nicht unbedingt eine bestimmte Person herauspicken. Aber es passt doch irgendwie zum Zeitgeist. Ego und Stigmatisierung sieht man ja derzeit überall. Paradoxerweise empfinden sich Leute, die andere stigmatisieren, häufig gleichzeitig auch selbst als „Persona non grata“. Beispielsweise diese „besorgten Bürger“, die auf der einen Seite alle Probleme ihres Lebens auf Flüchtlinge schieben und dann rumheulen, dass sie als Nazis betitelt werden, wenn man ihnen sagt, dass ihre Einstellung halt einfach beschissen ist!

Und für wen wären die Screwjetz denn gerne „Persona Non Grata“?
The Screwjetz: Auf jeden Fall für diese ganzen rechtspopulistischen Arschlöcher und diese blaue Partei, die sich selbst gerne als „Alternative“ bezeichnet. Und wir tun auch gerne alles was möglich ist, dass die uns so richtig richtig scheisse finden.

Eure Punksongs sind allesamt hochmelodisch, eingänglich und auch die Texte sind gut. Wie entstehen denn Screwjetz Songs?
The Screwjetz: Meistens ist es so, dass ich mit einer groben Idee oder einem vorkomponierten Song in den Proberaum komme. Dann kann es schnell gehen, weil alle mit dem Song soweit konform sind und nur noch Nuancen beigesteuert werden. Aber es kann auch sein, dass wir sehr lange an einem Song basteln und mehrfach komplett umwerfen, bis wirklich alle zufrieden sind. Beide Fälle hatten wir neulich. Aber wir nutzen mittlerweile beim Songwriting auch die moderne Technik, wie es so schön heißt. Wir sitzen vor dem Laptop mit Gitarre und Bass, spielen die Drums via Midi-Keyboard ein und können somit entspannt experimentieren. Auch mit unterschiedlichen Sounds. Spannende Sache. Und jetzt, wo wir alle Zuhause sitzen wegen der Corona-Sache, auch ganz gut.

„Ich habe ehrlich keine Ahnung was Punk eigentlich heißt“ ist eine Nummer auf dem Album. Erzählt die Geschichte hinter dem Song und dem Video!
The Screwjetz: Unterhalte dich mit 5 Leuten, was für sie Punk bedeutet. Du wirst 6 Antworten bekommen. Das ist unsere Erfahrung. Und die wollten wir mit dem Song ausdrücken. Es gibt so viele unterschiedliche Antworten auf die Frage: „“Was ist Punk?“ Doch am Ende zählt doch das, was es für dich ist und was in deinem Kopf passiert. Wir wollten das auch in dem Video ausdrücken, dass die Äußerlichkeiten im Grunde nur Nebensache sind. Wir haben Leute im Businessdress kennengelernt, die mehr „Punk“ waren als mancher mit Iro und Nietengürtel.

Auch „Wir treffen uns halb Eins an der Tanke Ortsausgang“ hat sicher eine Geschichte, die es wert ist, offenbart zu werden. Was ist der Hintergrund zu diesem Stück?
The Screwjetz: Klar gibts die. Wir alle in der Band sind Dorfkinder und als Jugendlicher hast du dort nicht viele Möglichkeiten. Gerade am Wochenende ist es anders als in Großstädten so, dass du abends eigentlich nur noch einen Treffpunkt hast, wo du ein Wegbier oder auch „Fußpilz“ bekommen oder andere Leute treffen kannst. Das war die Tankstelle am Ortsausgang. Heute kaum vorstellbar, oder? Klar gibt es dort auch sehr seltsame Gestalten und skurrile Begegnungen, aber auch sehr witzige und bis heute nachhaltige Erfahrungen. Wir dachten, man sollte den ganzen Tankstellen an den Ortsausgängen mal mit einem Song danken.

In „Herz aus Gold“ singt ihr von „1000 Schritten, 1000 Schlägen“ die es nicht schaffen das „Herz aus Gold“ zu besiegen. Womit kann man denn ein „Herz aus Gold“ in die Knie zwingen?
The Screwjetz: Hoffentlich mit nichts. Denn das ist es, was wir damit ausdrücken wollen. Egal, wie viel Scheiß da draußen passiert und auch wenn es noch so hoffnungslos erscheint… lass dich von den ganzen Arschlöchern in der Welt nicht auch in ein Arschloch verwandeln.

Wir haben einige Songs erwähnt. Welche Stücke vom Album sind euch persönlich am wichtigsten?
The Screwjetz: Schwierig. Alle haben ihre Geschichte und sind wichtig. Aber wenn ich einen rauspicken sollte, würde ich wohl „Ich habe ehrlich keine Ahnung was Punk eigentlich heißt“ nehmen. Denn er drückt viel aus. Über uns, unsere Sicht und er löst erfahrungsgemäß bei einigen Leuten doch interessante Gedankengänge aus.

Welche Anspieltipps habt ihr für Neuentdecker eurer Musik?
The Screwjetz: „Herz aus Gold“ für die, die es poppiger wollen; „Persona non grata“ für den Moshpit; „Die neue Dummheit“ wer mehr über unsere politische Meinung erfahren möchte; „Welt in Flammen“ zum skaten und „Versuch‘s doch mal mit Leichtathletik“ zum schmunzeln.

Neben den Screwjetz hat Peter auch ein Solo Projekt. Wie unterscheiden sich Screwjetz Songs von den Sachen, die unter dem Namen Peter Screwjet veröffentlicht werden?
The Screwjetz: Das sind in der Regel die Songs, die es nicht zu den Screwjetz geschafft haben. Nicht weil sie schlechter sind, sondern weil sie im Bandkorsett einfach nicht gut aufgehoben waren. Manchmal passt ein Song einfach nicht in ein lautes Gewand. Es ist außerdem eine gute Möglichkeit, sich auch mal abseits der Band ein wenig auszutoben.

Gerade habt ihr mit „Versuch‘s doch mal mit Leichtathletik“ eine neue Nummer am Start. Was ist der Hintergrund dieses Stücks?
The Screwjetz: Das ist unser Rat an die ganzen Trumps, Johnsons, Bolsonaros und ihre Brüder/Schwestern im Geiste. Großes Ego, noch größere Klappe, furchtbare Einstellungen mit noch furchtbareren Entscheidungen und man bekommt beinahe schon Arthrose vor lauter Kopf schütteln. Ihr könnt es nicht, bitte lasst es und versucht es mal mit etwas, wo ihr weniger Katastrophen anrichten könnt. Zum Beispiel Leichtathletik!

Ist „Versuchs doch mal mit Leichtathletik“ auch ein Vorbote für ein neues Album oder wie kann man den Song einordnen?
The Screwjetz: Es kommen dieses Jahr mindestens zwei neue Singles. Die erste ist Leichtathletik. Die zweite steht schon in den Startlöchern. Aber es ist kein neues Album in Planung. Bewusst nicht! Aus unserer Sicht ist für Bands – gerade in unserem Status – das Format: Alle paar Jahre ein neues Album, einfach nicht mehr zeitgemäß.

Natürlich kann man „Versuch‘s doch mal mit Leichtathletik“ auch dafür stellen, dass Sport Gesund hält. Wie empfindet ihr die derzeitige Krise gerade im Bezug auf Corona?
The Screwjetz: Schwierig. Auf der einen Seite sieht man die Hysterie und Panik, die gerade auch im Internet noch angefacht wird. Man steht im Supermarkt und blickt mit Kopf schütteln auf leere Nudelregale und geplündertes Toilettenpapier. Außerdem offenbart sich hier auch wieder der Egoismus und das asoziale Verhalten vieler Mitmenschen. Hauptsache, sie haben 10 Päckchen Nudeln zuhause. Ob es an anderen Ecken fehlt, egal. Dafür fehlt mir bzw. uns das Verständnis. Allerdings sollte man die jetzige Situation auch nicht komplett auf die leichte Schulter nehmen, denn auch wenn man sich nicht um sich selbst sorgt…vielleicht hat man aber Bekannte, Freunde, Familie, für die eine Infektion nicht unbedingt sorglos wäre.

Man hört immer wieder vom Clubsterben. Das wird jetzt durch Schließungen sicher nicht besser. Wie kann das Musikgenre überleben?
The Screwjetz: Ein Patentrezept haben wir leider auch nicht und das Clubsterben begleitet uns ja schon längere Zeit. Durch das Coronavirus verschärft in der nächsten Zeit die Situation natürlich nochmal erheblich. Solltet ihr Tickets für Konzerte gekauft haben, gebt sie nicht zurück! Seht es als Beitrag, dass die Booker, Clubs und Veranstalter ein wenig Unterstützung bekommen. Sie haben es nötig. Irgendwann ist auch das Virus vorbei und wir werden alle froh sein, dann wieder in unserem Lieblingsclub bei einer guten Band einen tollen Abend zu haben.
Bands unterstützt ihr am besten, indem ihr in der jetzigen Zeit verstärkt Merch und Alben kauft oder ihre Songs streamt. Nutzt die Zeit um neue Bands zu entdecken, zeigt euren Freunden eure Lieblingsmusik, teilt gute Bands online und baut so eine gute Basis und Netzwerk für alle auf.

Was empfindet ihr persönlich bei Absagen von Veranstaltern aufgrund der Ansteckungsgefahr?
The Screwjetz: Uns tut jedes Konzert leid und auch weh, dass wir nicht spielen können. Wir hatten uns sehr auf die kommenden Konzerte gefreut. Wir stehen dennoch zu 100% hinter den Veranstaltern, die in unseren Augen absolut richtig handeln. Sicherheit geht vor…selbst vor das beste Konzert.

Einige Bands agieren durch Streams, hochladen von Konzertvideos. Wie durchlebt ihr die Krise?
The Screwjetz: Wir werden uns wohl verstärkt ins Songwriting stürzen, nehmen die Zeit um uns ein wenig zu reflektieren und sortieren. Das kommt ja ansonsten eigentlich viel zu kurz. Und wir überlegen, wie wir jetzt stärker online präsent sein können. Erste Idee ist, dass wir unseren eigenen Podcast starten. „Bier und Kekse“, heißt der. Ist auf Spotify und wir quatschen uns dort regelmäßig durch alles, was uns so durch den Kopf geht. Dann haben wir ein neues Video am Start um das wir uns gerade kümmern und vielleicht gibt es ja auch eine Möglichkeit für ein Online-Konzert? Du merkst…Zuhause sitzen kann auch kreativ machen.

Nach der Krise ist vor… Was erwartet ihr für die Sommermonate?
The Screwjetz: Sommerzeit ist immer Festivalzeit. Zwei sind gebucht und weitere Konzerte in Planung, wobei die Coronasache dabei ziemlich bremst. Wir werden sehen, was die nächste Zeit bringt. Die Situation verändert sich derzeit ja quasi täglich.

Was werden wir von euch als Band in den nächsten Monaten erwarten können?
The Screwjetz: Unsere neue Single nach Leichtathletik wird bald an den Start gehen. Dazu ist derzeit ein Video in der Mache. Wir freuen uns wie Kleinkinder auf Weihnachten und Ihr dürft gespannt sein, denn es ist wirklich etwas ganz besonderes! Versprochen!

Bitte vervollständigt die folgenden Schlagzeilen.
„Die Screwjetz trauen sich was…
The Screwjetz: …und das ist wichtig!“

„Die Screwjetz werden es irgendwann noch schaffen…
The Screwjetz: …ohne derbe Beleidigungen die Rap-Charts zu stürmen“

„Die Screwjetz haben tatsächlich über eine Namensänderung nachgedacht, da sie…
The Screwjetz: …schon oft falsch angekündigt wurden oder ständig falsch geschrieben werden“

„Die Bundeskanzlerin hat auf der Screwjetz-Weihnachtsfeier…
The Screwjetz: …Jeans und Polohemd getragen“

„Der Liebhaber des Jahres 2020 hat uns gebeichtet…
The Screwjetz: …zu dem Song „Welt in Flammen“ Sex gehabt zu haben“

Was bedeuten euch die folgenden Begriffe?
Punk Rock 2020
The Screwjetz: 43 Jahre alt und immer noch „1,2,3,4!“.

Screwjetz
The Screwjetz: Keine 43 Jahre alt und trotzdem „1,2,3,4!“.

Festivals
The Screwjetz: Begegnungen und Sommer, Mücken, Schweiß und Bier.

Vorbilder
The Screwjetz: Gute braucht man, schlechte hat man (meistens).

Corona Krise
The Screwjetz: Sich selbst mal wieder einen Gang zurückschalten und runterkommen.

You never Walk alone
The Screwjetz: Die Toten Hosen.

Tough Magazine
The Screwjetz: Lesen wir immer wieder gerne.

Vielen Dank für das Interview. Die letzten Worte gehören euch!
The Screwjetz: Welch Ehre! Die nehmen wir gerne mit und heben sie uns auf.

Interview von Thorsten im März 2020

Dieser Artikel wurde am: 26. März 2020 veröffentlicht.

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