Frischer Neustart: Ni Ju San im Interview

Es ist noch kein Jahr her, seit wir uns das letzte Mal mit den Jungs von Ni Ju San unterhalten haben. Ihr letztes Album „Gloria“ kam letztes Jahr auf den Markt und klang frisch und vor allem sehr rockig. Auch damals dachte ich, nach der langen Sendepause, an Neustart. Doch dann ist einiges passiert. Sänger raus, neuer Sänger rein. Und sofort ne geile Single am Start. Aktuell und schön laut. So muss das sein. Dazu noch eine Kooperation mit Donald vom Punks n Banters Comic und fertig ist eine kleine Augen- und Ohrenfreude. Wir haben den Jungs einige Fragen zum Neustart, zur Single aber auch zu anderen dringenden Projekten gestellt. Seid gespannt auf die Antworten.

Hey ihr Lieben. Schön, dass ihr euch die Zeit nehmt. Wobei erwischen wir euch gerade?
André: Für euch doch immer 😊, sehr gerne. Blöde Antwort: Beim Multitasking – neben der ganzen Abstimmerei um den Release von „rabkA tuhulA“ sind wir vor allem damit beschäftigt, mit Basscal zu einer Band zusammenzuwachsen, was ohne Proben Auge in Auge echt ne Herausforderung ist. Er muss halt ne ganze Menge Texte lernen und wir müssen alle musikalisch auf der Bühne harmonieren. Das ist zwar auch irgendwie „Handwerk“, aber das meiste spielt sich zwischenmenschlich ab. Das braucht einfach seine Zeit und klassisches Üben. Dazu schreiben wir tatsächlich schon wieder sehr fleißig an neuen Songs.

Ni Ju San 2021. Da hat sich eine Menge getan. Aber gehen wir einen Schritt zurück. Eure Platte „Gloria“ hat uns vom Tough Magazine lange Zeit begleitet. Eine geile Rockscheibe. Wie waren die Reaktionen auf die Platte von Freunden, Fans, Familie und Presse?
Pixi: Danke für die Blumen. Das Feedback war schon sehr ordentlich, aber sind wir mal ehrlich: Uns würde auch kaum einer ins Gesicht sagen, wenn er die Platte scheiße findet. Tatsächlich haben wir aber sehr oft zu hören bekommen, dass es unser bestes Album ist. Klar hört man das gerne, vor allem nach so langer Zeit. Ab jetzt geht es aber schneller 😉

Touren konntet ihr nicht durch Corona. Wie habt ihr die Zeit nach dem Release verbracht?
Monschi: Naja, der Release war ja genau pünktlich zur Pandemie geplant. Die erste Single kam im März 2020 und die Platte dann im Mai, alle geplanten Shows sind erst verschoben worden und dann letztlich ausgefallen bzw. werden irgendwann mal nachgeholt. Beschissener kann man ein Comeback eigentlich gar nicht timen. Andre hat über den Sommer noch einige Shows als Gitarrist von „der Ole“ gespielt und im August haben wir es wenigstens geschafft, ein Konzert in unserem Heimatdorf Wermelskirchen zu spielen, Open Air mit Hygienekonzept und dem ganzen Pipapo. Ansonsten haben wir das gemacht, was alle gemacht haben: ungläubig Nachrichten verfolgt und versucht, nicht den Spaß zu verlieren.

Eigentlich roch die Platte etwas nach Befreiungsschlag. Aber dem war scheinbar nicht ganz so. Boba (euer Sänger) hat die Band verlassen. Wie kam es zu dem Entschluss?
Pixi: Dazu gibt’s wahrscheinlich ’ne Menge Wahrheiten. Im Endeffekt haben wir uns nach dem Katastrophensommer 2020 zusammengesetzt und besprochen, wie es die nächsten Jahre weitergehen soll. Befreiungsschlag trifft’s insofern ganz gut. Das Comeback ist ja mal überhaupt nicht so gelaufen, wie wir uns das vorgestellt hatten, aber das hat uns eher angespornt, gerade weil die Platte halt so super angekommen ist. Was fehlte waren die Konzerte und wir waren (und sind) motivierter als jemals in den letzten 10 Jahren. Einige Tage nach diesen Gesprächen kam er dann sehr offen und ehrlich auf uns zu. Ohne jetzt ins Detail gehen zu wollen kann man glaube ich einfach sagen, dass die Vorstellungen, wie man als Band weitermacht, zu weit auseinanderlagen.

Wie war eure Reaktion auf seinen Entschluss? Stand Ni Ju San vor dem Ende?
André: Klar hätten wir uns das in dem Moment anders gewünscht. Wir sind ja nun alle seit ewigen Jahren befreundet, ganz zu schweigen von seiner wichtigen Rolle in der Band als Musiker und Frontmann. Von daher war das schon erstmal ein Schock. Wir hatten aber auf jeden Fall alle Verständnis für seine Entscheidung und die Freundschaft hat den Split überlebt. Für den Rest war aber auch von der ersten Sekunde an klar, dass wir weitermachen. Wir würden sogar soweit gehen, dass wir restlichen Ni Ju Sans dadurch nochmal enger zusammengewachsen sind.

Recht schnell habt ihr bei Facebook einen Aufruf gestartet. Hattet ihr auch die Idee, den Job intern zu besetzen?
Michele: So schnell war das ehrlich gesagt gar nicht. Wir haben tatsächlich erstmal ne ganze Weile in unserem engeren Umfeld gesucht, also ohne Öffentlichkeit zu schaffen. Das waren sicherlich zwei Monate, in denen wir mit etlichen Leuten gesprochen haben. Es waren auch einige sehr spannende Sänger*innen bei uns im Proberaum für gemeinsame Proben. Erst als sich abgezeichnet hat, dass das so nicht funktioniert, haben wir über Sozial Media einen Aufruf gestartet.

Wie waren die Reaktionen auf den Aufruf? Wie viele Leute haben sich gemeldet? Und wie fiel die Wahl auf Pascal (Basscal)?
Monschi: Bevor wir zu den Anfragen kommen: Die geilste Reaktion kam eigentlich von unserer Community auf Social Media, die unserer Suche extrem viel Reichweite verpasst hat, da waren wir schon sehr gerührt. Die Community hat die Nummer auch insgesamt gut aufgenommen, jetzt mal ehrlich, Frontman austauschen ist ja auch mal nicht üblich. Umso gespannter sind wir natürlich, wie die Single ankommt. Aber zurück zum Thema: Es haben sich dann schon einige Leute gemeldet, wobei viele schon im persönlichen Gespräch rausgefallen sind, ohne das jetzt werten zu wollen, das ging auch nicht immer nur von uns aus. Wenn jemand ernsthaft in Frage kam, haben wir Instrumental-Songs zugeschickt zum Vorbereiten einer Probe. In der Phase sind dann auch einige abgesprungen, aus verschiedenen Gründen. Pascal hat dann auch genau einmal mit uns geprobt, jeder in einem eigenen Raum wegen der Covid-Scheiße. Anschließend haben wir bei Minusgraden draußen bei ’nem Bierchen gefühlt ewig lange gequatscht und das hat sofort harmoniert. Ab da wollten wir ihn als Sänger.

Kanntet ihr euch schon länger?
Pascal: Also ich kannte die Jungs, weil ich schon ein paar Mal auf Konzerten war, aber persönlich hatten wir nie Kontakt.

Eine Frage an Pascal: In welchen Bands warst du vorher aktiv?
Pascal: Ich war schon in vielen Bands, das würde aber den Rahmen sprengen. Aktuell bin ich aber außerdem bei Restrained 2 11 als Sänger und Bassist aktiv und unterstütze seit kurzem die NerdPunks von The Lone Starr Orchestra. Eigentlich viel zu viel, aber ich schreibe grade sogar noch an Songs für ein Soloalbum. Ich kann den Hals nicht vollkriegen.

Wie lange hast du dir selbst überlegt, bei Ni Ju San einzusteigen? Kennst du die Veröffentlichungen deiner neuen Band bereits alle?
Pascal: Ich hab schon lange überlegt, weil es zeitlich mit Familie schon eine extreme Herausforderung ist, das alles auf die Reihe zu bekommen. Aber Pixi ist mir so sehr auf den Keks gegangen, dass ich eigentlich keine Wahl hatte und es wenigstens probieren wollte. Bei den Songs bin ich im Moment schon etwas hinterher. Es ist einfach extrem viel Text aufzuholen, und in Kombination mit Songstruktur und Melodien kann man das nur Stück für Stück. Problem bei der Sache ist, dass ich selber total hinterher sein muss, weil wir wegen dem Covid-Mist im Moment nicht vernünftig proben können, wie sich das eigentlich so gehört.

Welche Songs sind deine Favoriten?
Pascal: Ich mag die poppigen Songs, eingängige Melodien und einfache Songstruktur. Und da sind „Gloria“ und „Catalina“ schon ganz weit vorne. Aber auf Songs wie „Rockbitch“ oder „Viva Utopia“ freue ich mich natürlich. Die werden live schon richtig bock machen, auch wenn das nicht die gewohnte Stimme sein wird.

Apropos Song: Ihr wart direkt zusammen im Studio. Eure Single wird bald erscheinen. Hat sich beim Songwriting jetzt was geändert?
Pixi: Das müssen wir wohl noch rausfinden 😉 „rabkA tuhulA“ haben wir tatsächlich im Lockdown geschrieben, auch um die Zusammenarbeit mit Pascal auszuprobieren. Wir hatten keinen Bock, die Band nun wieder Monate auf Eis zu legen, Proben ging auch nicht. Also haben wir gesagt: Wir schreiben einen Song zusammen und nehmen den auf. Wenn das geil wird und wir uns nicht die Köpfe einschlagen, machen wir zusammen weiter. Und da sind wir jetzt…. der Song ist geil und die Köpfe sind weitestgehend heile.
André: Für die Produktion haben wir uns wieder mit Amadeus vom den Another Level Studio in Kaarst zusammengetan, der ja auch schon die „Gloria“ aufgenommen hat. Soundtechnisch hat er sogar nochmal ne Schippe draufgelegt. Das ist schon echt fett.

Auch der neue Song rockt. Wird sich jetzt mit dem Besetzungswechsle auch im Stil der Band was ändern? Die Single jedenfalls macht dort weiter, wo ihr aufgehört habt (was ich natürlich gut finde).
Monschi: Da sind wir selbst mal gespannt. Wir haben nie Songs geschrieben und versucht einen bestimmten Stil zu treffen, sondern jeder gibt seinen Teil zum Gesamtsound. Da ist die Hauptstimme natürlich ein ganz wesentlicher Faktor, der den Bandsound auch stark formt.
Michele: Pascal hat eine komplett andere Stimme als Boba, das war für uns aber kein Thema. Er wird der Band seinen Stempel aufdrücken. Es wird sicherlich Leute geben, denen das nicht gefällt, wir hoffen, dass das nicht die Mehrheit ist. Wir finden seine Stimme extrem cool und finden, dass das sehr gut zusammenpasst. Ansonsten wäre er nicht dabei.
Pascal: Ich finde Bobas Stimme richtig gut, und wusste auch direkt, dass ich da nix kopieren kann, oder es gar nicht erst versuchen sollte. Trotzdem glaube ich, dass ich live ganz gute Chancen habe, mit den Leuten Spaß zu haben. Ich mache eigentlich immer sehr viel mit dem Publikum und kann die oft auf meine Seite ziehen. Vielleicht lenkt sie das dann von meiner Stimme ab, … wenn ihnen die nicht gefällt. :)

„rabkA tuhulA“ heißt das Teil und ist auch vom Text her sehr kritisch. Beschreibt die Entstehungsgeschichte.
Pixi: Na, da wundert uns schon, dass ihr nicht nach dem Titel fragt, aber hey, vielleicht ist das auch einfach zu offensichtlich. Der Song ist schon irgendwie speziell in der Bandgeschichte. Den Bandnamen „Ni Ju San“ (japanisch für 23) haben wir uns im Kontext mit Verschwörungstheorien gegeben und mit den ganzen Zahlen und Symbolen jetzt auch fast 20 Jahre immer wieder gespielt. Das war halt Anfang der 200er Jahre, da hat man sich die Reptiloiden, Hohlerde und Flat Earth angeguckt und sich totgelacht. Dazu gabs schon die Bielefeldverschwörung als Satire und in dem Kontext haben wir das damals halt irgendwie witzig gefunden, gerade auch im Bezug zu Punk und der damit verbundenen Strukturkritik. Und heute hast du Spinner wie Hildmann, die selbsternannten Querdenker und die QAnon-Deppen, die es irgendwie schaffen, ihr geistiges Gift in per se erstmal mutmaßlich halbwegs normale Leute zu impfen. Da laufen Massen an armen Irren Seite an Seite mit bekennenden Neonazis auf Demos rum, versuchen jede Form von Menschlichkeit abzuschaffen und du als Punkband verstehst die Welt nicht mehr. Der Song dreht sich um diese Covidioten und versucht sich auch an Erklärungsansätzen.

Das Cover der Single ist von einem Comickünstler. Wie kam es zu dieser Idee und woher kam der Kontakt?
André: Donald, der auch den Punks ’n Banters Comic herausbringt kennen wir schon viele Jahre. Ich meine den ersten Kontakt hatten wir, als er für das Taugenix Fanzine gezeichnet hat und wir irgendwann vor 10 Jahren gab es die Idee, dass wir als Band mal bei den Punks n Banters Comics auftauchen. Dazu ist es dann wegen unserer Bandpause nicht mehr gekommen, das Projekt ist einfach eingeschlafen. Wir haben dann vor ein paar Wochen einfach den alten Chat von 2012 wieder aufgegriffen und mal gefragt, ob er Bock hat. Zum Glück hatte er Bock, das Cover-Artwork finden wir richtig geil.

Nach der Single ist vor… Was plant ihr für die nächsten Wochen und Monate?
Monschi: Aktuell haben wir genau zwei Projekte: Als Live-Band zusammenwachsen und neue Songs schreiben, die dann auch möglichst schnell released werden. Beides finden wir in der neuen Konstellation sehr wichtig, das wird uns sicher den ganzen Sommer beschäftigen. Ab September geht’s dann wieder auf die Bühne, wenn Corona es zulässt.
Michele: Außerdem planen wir noch einen gebührenden Einstand für Basscal, denn tatsächlich konnten wir bisher noch gar nicht richtig darauf anstoßen, also im komatösen Sinne.

Welche Ziele habt ihr jetzt mit der neuen Besetzung?
Pixi: Dieselben Ziele wie eh und je: Wir versuchen die Weltherrschaft an uns zu reißen. Gerne gewaltlos, falls das nicht klappt – mal sehen.

Kommen wir zum Ende des Interviews. Wenn ihr jeweils drei Wünsche frei hättet, was würdet ihr euch wünschen für:
Punkrock 2021
Alle: Lauter werden (gerade auch textlich), viele Konzerte, viele neue Alben aus den Corona-Zwangs-Pause der Kolleginnen und Kollegen

Ni Ju San
Alle: Konzerte, mit echten Menschen, und gesund bleiben

Musikbranche
Alle: Endlich ankommende Hilfen, aber eigentlich ein schnelles Ende der Pandemie, ist beides wohl unrealistisch, daher Nr.3: starke Nerven und Glück im Lotto

Jugend 2021
Alle: Die Freiheit, die wir in der Jugend hatten, bessere Musik (wie wir sie hatten) und dass es Fridays for Future irgendwie mal in die Parlamente schafft, ist immerhin Superwahljahr und die Spacken von der AfD werden ja wohl hoffentlich reihenweise ihre Sitze verlieren, Platz ist also da.

Corona Wahnsinn
Alle: Gelassenheit, weniger Covidioten, mehr Impfstoff.

Tough Magazine
Alle: Ein Ni Ju San-Konzert Bericht 😉; viele Leser und ne Print-Ausgabe wär halt geil (wir sind offensichtlich echt alt).

Vielen Dank für das Interview. Die letzten Worte gehören euch.
Alle: Liebe und Gesundheit für alle außer Nazis und Covidioten, die dürfen gerne an ihrem Hass ersticken.

Wir bedanken uns bei Ni Ju San für das ausführliche Interview im März 2021. „Rabka Tuhula“ heißt die neue Single und legt die Messlatte schon mal recht hoch. Wir freuen uns, dass sich die Jungs in der neuen Besetzung scheinbar sehr wohl fühlen und sind gespannt, was noch kommt. Wer (wie wir) auf dem Laufenden bleiben möchte, der schaut nach unter: www.facebook.com/NijusanPunkrock. Prost und auf bald.

Interview von Thorsten im März 2021

Dieser Artikel wurde am: 1. April 2021 veröffentlicht.

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