„City of Class“: Die Bitch Queens im Interview

Die Schweiz holt zum Rock’n’Roll Rundumschlag aus. Zumindest die Bitch Queens aus Basel servieren die Tage mit ihrer neuen Veröffentlichung „City Of Class“ ein Album, das ordentlich Potential hat, eines Tages als Klassiker bezeichnet zu werden. Hierzu standen uns die Bitch Queens für einige Fragen zur Verfügung.

Hey! Gerade habt ihr mit „City Of Class“ richtig abgeliefert. Wie geht es euch so kurz nach dem Release?
Bitch Queens: Grundsätzlich sind wir sehr zufrieden mit dem neuen Album. Der Sound hat mehr Energie als bei der Letzten Platte und die Songs sind roher und direkter. Wir sind aber auch froh, dass es endlich draussen ist. Für mich ist zumindest musikalisch eine Platte nach dem Studio abgeschlossen und ich würd am liebsten gleich an neuem Material arbeiten. Sprich ich sitze seit ein paar Monaten auf dem Trockenen.

Eure Songs auf den vorherigen Alben und auch auf dem neuen Alben sind richtige dreckige Punkrock-Juwelen. Wie entstehen Bitch Queens Songs?
Bitch Queens: Die entstehen meistens zwischen Harry Darling und mir. Wir schreiben schon seit bald 20 Jahren Musik zusammen. Ich bringe die Gitarrenideen – manchmal mit minimen Vocalparts versehen – er schreibt die Lyrics und Vocalharmonien. Am Ende arbeiten wir dann alle vier am Arrangement. Inhaltlich versuchen wir Harry mit guten Themen oder Songtitel zu unterstützen. Musikalisch hilft bei mir viel Musik hören, vor allem Live und unterschiedliche Genres und ganz viel Langeweile. Kreativität und viel Arbeit ist keine gute Kombo.

Auf dem neuen Album haben wir nicht mal eine Spielzeit von 30 Minuten. Denkt ihr überhaupt an die Spielzeit des fertigen Longplayers wenn ihr die Songs schreibt oder ist euch das egal?
Bitch Queens: Das ist uns ziemlich egal. Ich finde, am Ende muss eine Platte oder ein Song in sich stimmig sein. Was bringt dir 60min Spielzeit und 30min sind völlig langweilig? Punk-Rock war schon immer kurz und direkt. Ich finde auch eine Live-Show sollte in unserem Genre nicht länger als 45min dauern. Ich habe am liebsten 30min Sets. Die sind viel kompromissloser und meistens massiv unterhaltsamer. In England und den USA ist das immer so. Da wissen die Bands, dass sie nur kurz Zeit haben, die Leute zu überzeugen und geben alles.

Wenn ihr das Album mit den vorherigen vergleicht. Was war (beim Songwriting, der Veröffentlichung) gleich und was war neu in der Herangehensweise?
Bitch Queens: Beim Songwriting haben wir dieses Mal versucht alles unnötige wegzulassen und uns auf den Kern des Songs zu beschränken. Oft hat man ja als Musiker das Gefühl, ein Song brauchte noch dies und das, weil er sonst langweilig sei. Aus der Perspektive des Zuhörers funktioniert das aber grundsätzlich genau anders rum. Zudem haben wir die Basics wieder live im Studio eingespielt. Das werde ich auch nicht mehr anders machen wollen. So schwankt zwar da und dort das Tempo etwas, dafür klingt es nach einer RnR Band und nicht nach einer braven Studiosession von paar Mittelstand-Schweizern…
Was die Veröffentlichung angeht haben wir vor allem mehr auf Online Marketing gesetzt. Das Promoten von Musik hat sich in den letzten 5 Jahren krass verändert. Eine gute Social Media Basis ist da unumgänglich. Wenn ich mich so umhöre, dann bin ich wohl einer der wenigen, der noch hie und da ein Print-Magazin kauft. Aber auch ich muss zugeben – ich entdecke 99% der neuen Musik über meinen Facebook / Insta Feed oder über Spotify. Und ja, Spotify ist eine gute Sache. Das ständige undifferenzierte Genörgel darüber nervt. Denn nicht Spotify ist das Problem. Die zahlen 70% ihrer Einnahmen an Labels und Künstler. Die Musikindustrie hat es massiv verkackt und jetzt ist sich jeder gewohnt maximal 10€ für sowas zu bezahlen oder besser noch gar nichts. So ein Abo müsste sicher 20-30€ kosten. Der Zug ist nun aber abgefahren. So – sorry für’s Abschweifen. ;-)

Im Pressetext liest man „Dead Boys treffen auf Turbonegro und die Stooges auf die frühen Backyard Babies“. Sind das auch eure Vorbilder und welche Bands hört ihr privat gerne?
Bitch Queens: Das sind sicherlich wichtige Bands für uns. Am Ende ists ein Pressetext und der muss auch gut klingen. Ich finde so Bandvergleiche auch immer etwas schwierig. Uns ist es wichtig einen eigenen Sound zu finden. Und auch wenn dann jeder zweite Musikjournalist auf Grund von Jeansjacken und einem „Uoooohoo“ Chor gleich alles komplett auf „klingt wie Turbonegro“ abwälzt, finde ich, dass wir sofort als Bitch Queens erkennbar sind. Im übrigen – wer nur etwas Bescheid weiss über die Musikgeschichte der letzten 40 Jahre weiss, dass niemand besser geklaut hat als Turbonegro. Oft super dreist, aber auch clever. Die Skandinavier sind eigentlich alle extrem gut darin. Ziemlich lustig, wie gewisse Bands um diesen „klingt ja wie…“ Stempel rumkommen und andere nicht.

Eure Songs sind allesamt auf Englisch. Könnte es auch mal eine Bitch Queens Veröffentlichung in Landessprache geben?
Bitch Queens: Unser Bassist Marcel Colomb hat das schon vorgeschlagen. Wir haben schon spasseshalber unsere Songs auf Schweizer-Deutsch im Bandbus gesungen. Kann ich jeder Band nur mal empfehlen. Dann merkt man erst wie super behämmert der Inhalt oft ist. Ich glaube, in der eigenen Sprache zu texten, ist die Königsklasse. Ich trau mir das schlicht weg nicht zu.

Der Titelsong ist schon ein mächtiger Ohrwurm. Beschreibt den Hintergrund von „City Of Class“?
Bitch Queens: Das ist eine schön ironische Abrechnung mit unserer Heimatstadt und eigentlich auch mit uns selber, da wir ja Teil des Ganzen sind.

Im Booklet erkennt man, das bei dem „City Of Class“ Schriftzug das „CL“ gestrichen wird. Was ist der Unterschied zwischen „City Of Class” und „City Of Ass”?
Bitch Queens: Das liegt eigentlich auf der Hand. Das soll die zwei Seiten aufzeigen, welche eine solche Stadt nunmal zwangsläufig hat. Sprich – da gibt es keinen Unterschied. Zudem mögen wir es, wenn es im Artwork Dinge zu entdecken gibt.

„When did I die“ ist ein fieser Ohrwurm. Welchen Hintergrund hat dieser Song?
Bitch Queens: Ich habe da Harry wohl ungewollt inspiriert dafür. Ist ja ein klassischer Break-Up Song und da spielt halt auch das reale Leben mal so seine Streiche. Ist aber schon spannend, dass genau diese Inhalte die Zuhörer nach wie vor am meisten packen. Wir haben bisher sehr viel gutes Feedback zu dem Song erhalten.

Auch „Negative Heaven“ setzt sich fest. Ein Song zum Wohle Satans oder worüber geht dieser Brecher?
Bitch Queens: Das ist der einzige Text, den ich zu 90% geschrieben habe. Da seht ihr, auf welch hohem Niveau ich mich da bewege haha. Ich glaube derText spricht hier für sich und das Wissen darüber, dass bei den Bitch Queens immer Ironie mitschwingt. Zudem gehört ja das Nörgeln zum Tagesprogramm jedes Mitteleuropäers. Eigentlich ultra peinlich, wenn man nur eine Sekunde über den Tellerrand schauen würde…

Auch live lohnt es sich, bei euch vorbei zu schauen. Was ist das Besondere an einer Bitch Queens Show?
Bitch Queens: Wie besonders das ist, kann ich nicht wirklich beurteilen. Für uns sind Live Shows aber sehr wichtig und wir versuchen da alles zu geben und zu entertainen. Momentan ist ja grad wieder super „understatement“ Zeit. Bei den meisten Bands sieht das dann so aus, als hätten sie gar keine Lust, auf der Bühne zu stehen. Ich seh keinen den Grund an ein Konzert zu gehen, wenn ich entweder nur ne riesige Lichtshow sehe oder sonst gerade so gut 60min ein Pressebild anschauen könnte. Liebe Bands – ja, ihr seit alle super cool und habt ein angeborenes Charisma von Jesus. Daher reicht es absolut in Birkenstock Finken und einem Alpaka Strickpulover auf die Bühne zu stehen…

Bastelt ihr schon an einer Setliste und wie viel neue Songs wird es hier auf die Ohren geben?
Bitch Queens: Ja wir haben eine neue Setlist. Es sind da wohl schon so 6 Songs von der neuen Platte drauf. Wir sind aber noch am justieren.

Wenn ihr die Möglichkeit hättet und freu auswählen dürftet. Wen würdet ihr gerne mal supporten?
Bitch Queens: Auf der Hand würden da ja wohl die paar letzten grossen skandinavischen Bands liegen. Bei freier Wahl wäre das aber langweilig. Da würd ich viel lieber mal vor Justin Bieber oder Rihanna spielen. 20’000 Leute und alle finden dich scheisse – wie gut ist das denn!?

Auf eurem Vorgänger Album habt ihr den Song „Anti Social“ als Opener. Wie Anti-Sozial sind die Bitch Queens im wahren Leben?
Bitch Queens: Ach – nochmals: Bitch Queens + Ironie = beste Freunde. Aber zu deiner berechtigten Frage: Ich glaube, jeder hat seine anti-sozialen Momente. Wenn du es in diesem Beispiel aber mehr so siehst, dass es heisst deinen Weg zu gehen und auf die Konventionen zu scheissen, dann trifft das wohl eher den Punkt. Ich stell mir oft die Frage, ob ich etwas mache, weil ich es wirklich will oder ob die Gesellschaft mir das vorkaut. Da gibt es 1000 Beispiele – Heiraten, Kinder, Beziehung, Arbeit usw. So lange man natürlich niemandem schadet, find ich es extrem befreiend, seinen eigenen Weg zu gehen und immer mal wieder hinterfragend die Aussenansicht einzunehmen.

„Techno is dead“ stammt auch aus diesem Album. Und wie sieht es mit Punkrock, Rock ‚n‘ Roll etc. aus? Was hält diese Musikrichtungen am Leben?
Bitch Queens: Punkrock ist schon seit Ewigkeiten am Ende. Rock lebt ebenfalls nur noch von den alten Grössen und die Festivals und Magazine sind zudem so kurzsichtig und bringen ein Special nach dem anderen, anstatt mal einen Boden für neue Bands zu legen. Grundsätzlich beginnt der erste Tod (gibt ja Revivals) eines Genres dann, wenn’s im Mainstream ankommt. Die goldenen Momente von Punk, Hip Hop, Techno usw. waren ganz am Anfang. Da entstanden die grossen Künstler, da war die Szene spannend und musikalisch auf dem absoluten Höhepunkt. Danach kommt das Musikbusiness und haut raus was raus geht, um möglichst viel Kohle zu scheffeln. Ab dann geht’s eigentlich nur noch abwärts. Momentan sehe ich nur eine Chance für Rock, Punk und R’n’R – Frauen! Die paar Bands, die momentan vor allem weibliche Sängerinnen haben, gehen zum einen grad durch die Decke und zum anderen sind sie auch wirklich spannend und frisch. Da gibt es ein riesiges Potential und ich hoff wirklich, dass sich da mehr bewegt diesbezüglich in den nächsten Jahren. Vorbilder wie Amyl & The Sniffers oder The Baboon Show gibt es ja.

TOUGH TIPP: CD-Review „Bitch Queens – City of Class“

Was bedeuten euch die folgenden Begriffe?
8-Ball
Bitch Queens: Nichts.

Turbonegro Vs Backyard Babies
Bitch Queens: Waren beide grossartig, sind es beide leider nicht mehr wirklich.

Schweizer Banken
Bitch Queens: Business und Wirtschaft halt, sind wir aber auch alle ein Teil davon.

FC Basel
Bitch Queens: Nichts.

Ottmar Hitzfeld
Bitch Queens: Nichts.

Deutsche Fans
Bitch Queens: Falls Fussballfans, dann auch nichts. Falls Musikfans, dann sind die absolut super!

Tough Magazine
Bitch Queens: Fanzines und Webzines find ich absolut top! Gerne mehr davon.

Vielen Dank für das Interview. Die letzten Worte gehören euch.
Bitch Queens: Danke dir!

Interview von Thorsten im Oktober 2019

Foto: www.facebook.com/FlaviaSchaubPhoto

Wir verlosen 2 signierte „City of Class“-Alben. Was ihr tun müsst? Lasst uns ein Like bei facebook da und teilt dieses Interview öffentlicht. Sobald das getan wurde, befindet man sich im Lostopf. Wir wünschen viel Glück!

Mitgemacht werden kann bis zum 30.10.2019

Dieser Artikel wurde am: 23. Oktober 2019 veröffentlicht.

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