Mit „Felt Better Alive“ veröffentlicht Peter Doherty ein neues Album, das bodenständig und alltäglich wirkt. Und wenn man den Entstehungskontext der Songs betrachtet, ergibt dieser Sound absolut Sinn: Sie entstanden in einem kleinen Dorf in der Normandie in Frankreich, wo Doherty mit seiner Familie lebt.
Die Normandie ist ein zentrales und wiederkehrendes Thema des Albums. Das beginnt schon beim ersten Song, „Calvados“, der den Namen des typischen Apfelbrands der Region trägt. Mit nostalgischer Melodie und Stimme schildert er eine Alltagsszene aus dem Dorfleben, die unter anderem von der Herstellung des berühmten Getränks erzählt. Ein weiteres Beispiel: Das Stück „Stade Océan“ widmet Doherty dem Fußballverein Le Havre Athletic Club, dessen Stadion diesen Namen trägt. Denn ja, er ist selbst großer Fußballfan.
Auch in „Pot of Gold“ gibt Dohertys Alltag das Thema vor: Ein Lied über einen Musiker, der versucht, seinen nächsten Hit – ein Wiegenlied – zu schreiben, während sein schreiendes Baby ihn dabei stört. Klar, dass man beim Hören direkt ein Bild von Doherty mit seiner kleinen Tochter im Kopf hat. Der wohl zärtlichste Song des Albums.
Ein wenig geheimnisvoller – sowohl beim Text als auch bei der Melodie – ist „The Day the Baron Died“, mein persönlicher Favorit auf dem Album. Wieder lässt Doherty uns in eine Geschichte eintauchen, diesmal allerdings in eine düstere, die Raum für Interpretation lässt. Worum es genau geht? Diese Frage beantwortet Doherty in einem Interview mit den Worten: „I’m not gonna explain what the song’s about because I’m working on a follow up!“ Wir sind gespannt.
Ein paar Songs sind gespickt mit Country-Elementen, zum Beispiel „Felt Better Alive“ und „Ed Belly“. Besonders gefällt mir der erste der beiden – ein Lied, das gleichzeitig zurückblickt und Dohertys gegenwärtiges Leben reflektiert. Mit eingängiger Melodie und einer Erzählung, in der wieder einmal die Musik und die Songs selbst zum Thema werden. Die vom Gefühl handelt, einen bestimmten Klang zu suchen – und wieder zu verlieren.
Den Songtitel „Felt Better Alive“ finde ich dabei sowohl treffend, um den Künstler als Menschen zu beschreiben, als auch für seine Kunst. Denn auch Dohertys Musik fühlt sich live lebendiger und besser an. Ich selbst war beim Konzert am 5. Mai in München dabei und würde definitiv sagen, dass die neuen Songs live noch einmal auf eine ganz andere Art besonders wirken. Wer also noch die Gelegenheit hat, ein Konzert mitzuerleben, sollte sie unbedingt nutzen.
Weitere Songs wie „Fingee“ und „Empty Room“ – beide nicht länger als zwei Minuten (und vielleicht weniger einprägsam, aber dennoch angenehm zu hören) – runden ein Album ab, das Bilder von Landschaften und Dörfern zum Leben erweckt. Ein Album, das wirkt, als sei es von einer jüngeren und gleichzeitig reiferen Seele geschaffen worden – fröhlich, verspielt, unschuldig – mit einem Hauch von Nostalgie. Inspiriert von den kleinen Dingen, die das Leben ausmachen.
Review von Melvin Núñez.
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