Kanonenfieber – Live in Oberhausen

Live-Alben sind immer eine Herausforderung. Die rohe Energie eines Konzerts muss eingefangen werden, ohne dass der Sound an Klarheit verliert. „Live in Oberhausen“, das zweite Live-Album von Kanonenfieber, beweist eindrucksvoll, dass dies gelingen kann. Hier wird nicht nur eine Performance dokumentiert – das Album erzeugt einen Sog aus bedrückender Atmosphäre, brachialen Riffs und düsteren Erzählungen über die Schrecken des Ersten Weltkriegs.

Ein klangliches Schlachtfeld

Die Setlist ist eine sorgfältig zusammengestellte Reise durch das bisherige Schaffen der Band. Neben Klassikern des Debütalbums „Menschenmühle“ und der darauffolgenden EPs liegt der Fokus auf dem aktuellen Werk „Die Urkatastrophe“. Acht Songs dieser Veröffentlichung haben ihren Platz im Set gefunden, wodurch das Album nicht nur als Live-Aufzeichnung, sondern auch als eine Art Neuinterpretation der Studioversionen fungiert.

Bereits die Opener-Kombi aus „Großmachtfantasie“ und „Menschenmühle“ gibt die Marschrichtung vor: donnernde Drums, grollende Gitarren und ein Sound, der zugleich erdrückend und mitreißend ist.  Und die Live-Version wirkt, denn sie bringt die rohe Kraft von Kanonenfieber, die Fans bereits kennen schön zur Geltung. Dabei ist „Menschenmühle“ aus meiner Sicht einer der zentralen Tracks der Bandgeschichte. Der Song zeichnet das Bild der zermalmenden Kriegsmaschinerie, die Soldaten wie namenloses Material verschlingt. Live ein sehr eindringliches Schauspiel, weil Noise und seine Truppe, wie gewohnt, alles geben.

„Sturmtrupp“ ist ein treibender Track, das den Vorwärtsdrang eines Angriffs akustisch einfängt. Die Gitarrenriffs schneiden durch die Luft wie Maschinengewehrsalven, während das Schlagzeug unerbittlich nach vorne peitscht. Der Gesang ist rau und kompromisslos, perfekt angepasst an die verzweifelte Stimmung, die der Song transportiert.

Etwas gedrosselter geht „Der Füsilier I“. Langsame, düstere Melodien bauen sich zu einer starken Live-Kulisse auf. Kanonenfieber können also auch etwas sachter und die zu hörenden Fans im Hintergrund sind voll dabei.

Ein Mahnmal in musikalischer Form

„Der Erste Weltkrieg beschleunigte den Weg in die Moderne und gilt als die ‚Urkatastrophe‘ des 20. Jahrhunderts“, erklärt Frontmann Noise. 
„Dieses Album soll die Opfer des Ersten Weltkriegs dem Vergessen entreißen. Mögen ihre Schicksale auch nach über 100 Jahren Mahnung sein für die nachfolgenden Generationen.“

Diese Haltung zieht sich durch das gesamte Album. „Die Feuertaufe“ setzt auf eine drückende, hypnotische Instrumentierung – fast schon tranceartig. Die Riffs sind schwer, während das Schlagzeug eine bedrohliche Marschrhythmik beibehält.

Auf  „Lviv zu Lemberg“ hab ich mich Live am meisten gefreut. Der Song wirkt wie eine musikalische Schlachthymne, getragen von scheppernden Rhythmen und eingängigen Gitarrenriffs. Noise klingt hier noch etwas fokussierter – fast so, als würde sie aus einem Schützengraben heraus direkt zu den Fans sprechen.

„Verdun“ und „Ausblutungsschlacht“ markieren dann das Ende der Schlacht ääh der Live-Scheibe. Es baut sich langsam auf, und steigert sich zu einem erdrückenden Wirbel aus Schlagzeug-Salven, der brutalen Stimme von Noise und treibenden Gitarren. Und was soll ich sagen? Die Gänsehaut bei mir ist auf der neuen Scheibe noch etwas länger spürbar, als in der Studioversion. Man spürt förmlich die Verzweiflung und das Grauen, das dieser Ort in der Geschichte hinterlassen hat.

Sound und Produktion – Eine Live-Aufnahme mit Wucht

Die Produktion von „Live in Oberhausen“ trifft genau den richtigen Punkt zwischen roher Live-Energie und klanglicher Präzision. Das Album klingt weder zu glatt noch zu chaotisch – jedes Instrument behält seine Kraft, ohne dass der Sound an Klarheit verliert. Besonders beeindruckend ist die räumliche Tiefe der Aufnahme. Die Gitarren klingen wuchtig, das Schlagzeug treibt unermüdlich an, und der Gesang bleibt stets präsent, ohne im Mix unterzugehen.

Fazit

Auf das Album war ich wirklich gespannt, denn die Jungs aus Bamberg habe ich schon das eine oder andere Mal Live erleben dürfen. 
Und immer haben sie extrem gut abgeliefert. Konnten sie ihre Einzigartigkeit auch auf einen Tonträger transportieren? Die Atmosphäre ist durchgehend dicht, die Songs entfalten live eine zusätzliche Intensität, und die Produktion lässt den Hörer tief in die düstere Thematik eintauchen. Also kurz gesagt, alles, was wir von Kanonenfieber kennen und lieben. Wer extreme Musik nicht nur als Unterhaltung, sondern auch als emotional aufgeladenes Geschichtserlebnis schätzt, sollte sich sowieso kein Album der Jungs entgehen lassen. Und wer sie noch nie Live erleben konnte, für den ist die neue Scheibe ein absoluter no-brainer.

Review von Marco Liske.

Dieser Artikel wurde am: 27. April 2025 veröffentlicht.

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