Kanonenfieber dürfte Metalfans mittlerweile weit über die Grenzen vom Black-Metal hinaus bekannt sein.
Das 2021 veröffentlichte Debütalbum „Menschenmühle“ der Bamberger war ein voller Erfolg. Sie erhoben sich durch lyrische Thematisierung des Ersten Weltkriegs – historisch so exakt wie möglich ist der eigene Anspruch – mit absolut bombastischem Sound aus dem Underground. Seitdem touren sie durch Europa auf Gigs oder sind live auf Festivals zu erleben. Daneben fand dieses Jahr schon zum zweiten Mal das eigens organisierte „Noisebringer Fest“ in der Heimatstadt statt. Nicht ohne Grund also hat das Metal Hammer Magazin die Gruppe um Noise zum Rising Star 2024 nominiert.
Am 20. September diesen Jahres war es endlich soweit. Das heiß ersehnte zweite Studioalbum „Die Urkatastrophe“ wird ein neues Kapitel von Kanonenfieber schreiben. Wie auch das Vorgängeralbum basiert es auf Tatsachenberichte, Briefe und weitere Originaldokumente von den Schrecken des Ersten Weltkriegs – verpackt in 12 neuen Liedern. Wir haben ebenfalls reingehört und verraten euch auf was ihr euch freuen könnt!
Den Anfang macht das Intro „Grossmachtfantasie“, das stimmungsvoll und zugleich bedrückend, begleitet von einer Kriegsrede, den musikalischen Kurs vorgibt. Gleich im Anschluss prügelt die erste Single-Auskopplung „Menschenmühle“ los. Markant ist der wohlbekannte Blastbeat und die unverwechselbare Stimme von Noise, die von den Schachzügen des Kaisers im Krieg erzählt. „Kaiser zieht und Bauer stirbt“.
Mit dem dritten Track „Sturmtrupp“ nimmt das Album so richtig fahrt auf. Donnernde Drums und schneidende Riffs aus dem Nichts lassen etwas das Chaos an der Front eines Sturmtrupps erahnen und münden in einem Refrain mit Ohrwurmgefahr. Meine Vorhersage: 100% Mosh- Wahrscheinlichkeit.
„Der Maulwurf“ wird von den Bambergern selbst beschrieben: „Mit Beginn des Stellungskriegs begann im Herbst/Winter 1914 auch der unterirdische Minenkrieg. Die für den Bau der Minenschächte eingesetzten Pioniere arbeiteten in 12-Stunden Schichten, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Abgesehen von der miserablen Sauerstoffversorgung hatten die sogenannten „Maulwürfe“ mit Wassereinbrüchen und Verschüttungen zu kämpfen. Die niedrigen Stollen machten es nicht möglich, im Stehen zu arbeiten, weshalb eingesetzte Mineure nach kürzester Zeit über Rückenprobleme, offene Knie und Hände sowie über die Grabenfußkrankheit klagten. Über lange Zeiträume eingesetzte Mineure litten als Folge ihres Dienstes oft an psychischen Krankheiten und Panikattacken.“
Einer der melodischeren Songs, daher sehr gut zum mitgrölen geeignet.
Lange lässt das Tempo aber nicht auf sich warten. „Lviv zu Lemberg“ prügelt gleich wieder die Schlagzahl nach oben und lässt alle Melancholie des Maulwurfs vergessen. Durch die 5:39 Min zieht sich ein so catchy Riff der gnadenlos im Gehörgang hängenbleibt. Keine Chance dem zu entkommen. Mein absoluter Favorit aus dem Album.
„Waffenbrüder“ ist der sechste Song und erzählt die tragische Geschichte zweier Freunde, die zum Kriegsdienst eingezogen werden. Im gleichen Regiment, an der gleichen Front, durch die Waffenprobe gipfelt die musikalische Reise im Tod. „Wir – wir waren Waffenbrüder“ donnert der Refrain bis zur letzten Sekunde.
„Gott mit der Kavallerie“ ist ein musikalisches Stoßgebet. Ein kraftvoller, eindringlicher Ruf nach Unterstützung in den düsteren Wirren des Kriegs. Der Wechsel aus aggressiven Riffs mit schnellen Drums, sowie melodischen, langsamen Abschnitten baut eine grandiose Stimmung auf.
„Der Panzerhenker“ ist der zweite vorab veröffentlichte Track und die Band beschreibt ihn mit Bezug auf ein historisches Ereignis:
„Die Schlacht von Cambrai fand vom 20. bis 30. November 1917 statt und war die erste Offensive, bei der Panzer eine entscheidende Rolle in der Angriffsstrategie spielten. Die Briten führten den Angriff mit der Unterstützung von Kampf- und Hilfspanzern sowie einem intensiven Sperrfeuer durch. Die Offensive wurde durch deutsche Gegenangriffe gestoppt. Mit Hilfe von Panzerabwehr-Feldgeschützen gelang es den 2Deutschen, einen Großteil der britischen Panzer auszuschalten. J. Krüger, der als “Panzerhenker” bekannt war, spielte dabei eine wichtige Rolle. Selbst als seine Batterie ausgelöscht wurde, blieb Krüger als letzter Überlebender an einem Feldgeschütz und vernichtete bis zu 16 der anrückenden Panzer. Als feindliche Sturmtruppen in seine Stellungen eindrangen, griff er mit einer Pistole an und wurde schließlich verwundet und gefangen genommen.“
Musikalisch umgesetzt mit catchy Refrain und tiefen, fast schon doom- igen Elementen. Ebenfalls ein Stück, das perfekt zum mitgrölen geeignet ist.
Der neunte Song lässt uns vom Boden in die Lüfte des Niemandslands steigen. „Ritter der Lüfte“ beschreibt den Luftkampf mit einer Leichtigkeit, die im Gegensatz zum Rest des Albums tatsächlich levitierend wirkt.
„Verdun“ schiebt erneut eine Sprecher-Passage ein. Begleitet von Kriegsrauschen und ruhigen Gitarrenriffs erzählt ein Sprecher Beobachtungen aus der Hölle von Verdun. Der sanfte Weg. „Ausblutungsschlacht“ wählt den lauten Weg und nimmt uns mit nach Verdun in die Blutmühle. Ein Wechsel aus brutalen Antritten mit eingängigen melodischen, epischen Parts hinterlässt bei mir Gänsehaut und Nachdenklichkeit.
Den Abschluss des Albums liefert „Als die Waffen kamen“. Der Song erzählt von den Opfern und was vom Krieg übrig bleibt. Langsame Stücke, ungplugged, nur mit Gitarre kennt man von Kanonenfieber auch schon. Und wie ich finde, ist das ein perfekter Abschluss für eine so aufreibende musikalische Reise.
Alles in allem erwartet euch ein absolut würdiger Nachfolger von „Menschenmühle“, der mich voll überzeugt hat. Geboten wird die altbekannte Härte mit einer neuen Note von melodischen und sogar epischen Teilstücken. Eine wirklich gelungene Dynamik, die jedoch die Wurzeln der Bamberger nicht vergessen lässt.
Das Album erscheint am 20. September unter Noisebringer und getourt wird dann ab 23. November mit dem neuen Album. Für Deutschland sind dann in diesem Jahr sogar noch 5 Shows angesetzt, für die es alle noch Karten gibt. Also, wer „Die Urkatastrophe“ dieses Jahr noch live hören will, sollte wohl lieber schnell sein.
Review von Marco Liske.
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