Mit Sprengstoff gibt es eine Band, die irgendwie nicht nur eine Show-Band ist, sondern auch noch irgendwie mehr. Comedian und TV-Moderator Luke Mockridge gilt als Frontmann der Punkrock-Band – aber wie hängt das denn nun alles überhaupt miteinander zusammen? Wir haben uns mit dem Keyboarder und Musical Director der Band, Eric Krüger, über genau das mal unterhalten.
Hey Eric, wo erwischen wir dich gerade?
Eric: Ihr erwischt mich in meinem Garten. Da aktuell normalerweise Tourzeitraum ist, der aber ja nicht stattfindet, pendle ich zwischen Studio und Garten hin und her. Im Studio gibts einige Produktionen und Vorbereitungen auf das Jahr, im Garten genau so.
Wenn man sich mit Rockmusik beschäftigt, stößt man immer mal wieder auf Bands, die man noch nicht kennt – ihr seid Sprengstoff. Stellt euch kurz vor.
Eric: Sprengstoff ist keine „konventionelle Band“. Vielmehr ein Kollektiv toller Musiker, die bei Einsätzen rund um Tourneen und Fernsehshows zusammen mit Luke Mockridge auf der Bühne stehen. Je nach Showart hat Sprengstoff unterschiedliche Positionen und besteht aus vier bis acht Mitgliedern. Alle Sprengstoff-Musiker sind übrigens parallel noch in zig weiteren Produktionen tätig; witziger Weise decken wir, was die Engagements angeht, von Helene Fischer bis SDP, von Rea Garvey bis Klaus Lage, von Nico Santos bis The Hirscheffekt, von Alligatoah bis Giesinger, von Steffi Heinzmann bis Wirtz, von Deine Cousine bis The Dark Tenor und von Metal bis Jazz eine ziemliche Bandbreite ab, die auf den ersten Blick gar nicht zusammenpasst. Explosive Mischung eben, was ja auch zum Namen passt. Der Name „Sprengstoff“ übrigens stammt von Luke.
Frontmann ist kein geringerer als Comedian Luke Mockridge – wie kam das Ganze zustande? Woher kennt ihr euch alle?
Eric: Ich habe Luke vor vielen Jahren kennengelernt, als er in einer Stadt unterwegs war, in der ich mit einem anderen Künstler gespielt habe. Luke brauchte kurzfristig jemanden, der eine Band für seine Comedy-Tour zusammenstellt und sich um das Musikalische kümmert. Ich war damals mit einem Kollegen auf Tour, der auch an Lukes Produktionen mitwirkt, wodurch der Kontakt zustande kam. Es hat sehr schnell gematcht, ich habe die weiteren Musiker dazu geholt, wodurch dann die gemeinsame musikalische Zeit begann.
Wie darf man sich eure Musik vorstellen? Ich konnte nicht viel von euch finden …
Eric: Die Frage knüpft ein bisschen an die Antwort von gerade an: Tatsächlich richten sich Stilistik und Repertoire von Sprengstoff danach, in welchem Kontext die Band stattfindet. Wenn wir der musikalische Sidekick von Lukes TV-Shows sind, spielen wir von Abba bis Zappa alles. Jingles, wir begleiten die Musikgäste der Show und untermalen Gags und Spiele. Wenn wir mit Luke auf Tour sind, sind es showbegleitende Songs, Medleys und vor allem viele Spontangeschichten. Wenn es um Songs für MAZen oder Einspielfilme geht, spielen wir im Studio die Parts ein und sind somit Studioband. Immer allerdings wird der Punk mitschwingen. Wir klingen rockiger und punkiger als andere Bands, die sich vielleicht in ähnlichen Produktionen befinden, was einfach an der musikalischen Biografie eines jeden liegt.
Auf der Homepage von euch gibt es die drei Kategorien „TV-Shows“, „Touring“ und „Punkrock“. Die Musiker von Sprengstoff stellen also auch die Show-Band von Lukes Fernsehformaten? War das von vornerein klar?
Eric: Genau so ist es. Anfangs war die Idee, Sprengstoff nur als Tourband für Lukes Comedytour einzusetzen. Das hat so gut funktioniert, dass wir mit dem Produktionsstart der damaligen Primetime-TV-Show auch mit an Board sein sollten. Was die Heavytones zu TV-Total-Zeiten für Stefan Raab waren, sind Sprengstoff für Luke. Hierzu musste die Band anders aussehen als auf einer Live-Bühne: Während wir auf Tour meistens zu viert musizieren, haben wir uns bei den TV-Produktionen durch eine zweite Gitarrenposition, Hornsection und Perkussion vergrößert. Diese Standard-TV-Variante ist aber auch modifizierbar: Unplugged, Gala-Style, Funky oder zusätzlich Specials, in denen Sprengstoff Akteure in Einspielfilmen und Spielen innerhalb der Show sind. Es gab da eine Aktion, bei der wir zusammen mit Luke auf dem Bogen der Lanxess-Arena in Köln in knapp 80 Metern Höhe live gespielt haben – nachdem wir an einer Strickleiter samt Instrumenten nach oben gekrochen sind. Das macht man als normale Band ja auch nicht alle Tage. Nichtmal als reine Punkband.
An Luke kommt man heutzutage kaum noch vorbei – wir habt ihr seine Fernsehkarriere miterlebt und wie erlebt ihr sie mit?
Eric: Wir sind nicht nur Kollegen, sondern auch Kumpels. Entsprechend bekommen wir auch Dinge mit, die nicht im Schedule stehen. Also: was ist geplant, was wird verworfen, welche nächsten Steps und Konzepte sind im Pitch. Somit ist die Band oft involviert in Inhalte. Das ist interessant, da wir dadurch auch auf uns beziehen, ob Idee X funktioniert hat, ob Gag Y ankam oder völlig daneben war und so weiter. Entsprechend fühlt man sich als kleiner aktiver Teil zum Gelingen oder Nicht-Gelingen. Das macht natürlich super Spaß und hat den Charme von: „wir sind eine Band und denken uns im Probekeller die Dinge gemeinsam aus, die das Publikum zu sehen und zu hören bekommt“. Ohnehin ist es Luke wichtig, dass das Team, die Band, die Crew – egal ob auf Tour oder im TV-Studio – involviert und cool miteinander sind. Dafür hat er ziemlich gute Antennen. Und diese Einstellung ist auch unabhängig von der Fernsehkarriere oder dem Fame um ihn herum. Ansonsten ist Luke so, wie ein Musiker nunmal ist. Und eigentlich ist er ein Musiker: Wenn das Album fertig geschrieben und produziert ist, will man am Liebsten Teile davon verwerfen und direkt ein neues und besseres komponieren.
Wenn man bei dir auf der Seite schaut, sieht man, dass du ebenfalls bei Wirtz, Adesse und The Dark Tenor Keyboard/Piano spielst – zudem bist du Dozent an der Uni Potsdam. Wie bekommt man das alles geregelt?
Eric: Ich mag es einfach, bunte Dinge parallel zu mache. Auch, wenn sie erstmal eigentlich gar nicht so viel miteinander zu tun haben. Oft beeinflussen sie sich dann gegenseitig positiv. Damit meine ich vor allem, aber nicht nur Musik. In den Produktionen, in denen ich spiele, bin ich meistens Keyboarder und Musical Director. Also nicht nur spielender Musiker, sondern auch Komponist, Arrangeur und derjenige, der sich um die Umsetzbarkeit kümmert. Das funktioniert aber nur, weil ich von meinen Kollegen so tollen musikalischen Input bekomme. Wenn es um Gitarrenlicks und -Sounds geht, bitte ich die Gitarristen um Hilfe. Bei Horn-Arrangements die Bläser. Und deswegen funktioniert die MD-Position ja auch nur: Weil man sich 100 Pro auf die Mitmusiker verlassen kann und ich andererseits weiß, was ich nicht kann. Diese 100-Pro-Musiker sind übrigens die Sprengstoff-Jungs.
An der Uni Potsdam bin ich Lehrender für Musiktheorie und Schulpraktisches Musizieren. Gerade wenn man viel auf Tour ist und eigentlich ein bisschen mit berufsbedingten Scheuklappen durch die Welt geht, tut es wahnsinnig gut, auch in andere Gefilde einzutauchen und das Hochschulleben zu haben. Die Lehre und die Studierenden sind bereichernd. Und geregelt bekommt man das alles parallel, indem man sich gut organisiert. Eine Schlüsselkompetenz eines Musikers, wie ich finde.
Wie geht ihr aktuell mit der Corona-Situation um?
Eric: Wir haben das große Glück, dass Fernsehshows relativ unabhängig von Corona sind. Abgesehen vom präsenten Studiopublikum. Ansonsten hat jeder von uns neben Sprengstoff ja noch diverse andere Dinge, die er tun kann, wenn keine Shows und Touren möglich sind. Viele von uns haben eigene Studios und arbeiten an Werbemusik, Filmmusik oder Auftragsproduktionen. Jeder geht ja sowieso anders mit der aktuellen Situation um, weswegen es da meiner Meinung nach auch kein allgemeingültiges Meinungsbild der Branche oder „das musst du jetzt machen“-Aussagen geben kann. Lösungen sind da, der eine hat sie schneller, der andere braucht länger. Wie im „echten Leben“ eben. Viele von uns genießen sogar die Zeit gerade, weil man Dinge tun kann, die sonst auf der Strecke bleiben. Und nach der Starre, die man am Anfang der Coronazeit hatte, passieren momentan ja viele kreative Dinge. Ich glaube sogar, dass aktuell ein enormer Entwicklungsschub in der Branche stattfindet. Ich will nicht jede momentane Entwicklung schön reden; im Gegenteil: Es gibt zig Baustellen. Vielleicht führt das Aufdecken dieser Baustellen aber zu einer Positiventwicklung in der Zukunft. Und jeder freut sich logischerweise wieder auf die Zeit im Nightliner und vor allem auf echte Bühnen außerhalb des Streaming- oder Autokino-Kosmos’.
Wie sieht ein klassischer Abend mit/bei Sprengstoff aus? Plant ihr Punkrock-Termine?
Eric: Als Fernsehband besteht der Abend vor allem aus stundenlangem Dreh und anschließendem Kölsch. Man steht ja weit länger vor der Kamera, als die Show am Ende ausgestrahlt wird. Auf Comedytour gibts nach den Shows meistens das obligatorische Sit-In mit Luke und Crew und auch mal nächtliche Besuche in Escape-Rooms der jeweiligen Tourstadt. Das ist ein bisschen das Tour-Hobby geworden. Oder einfach nur Bar- oder Clubhopping (wenn möglich) – ganz konventionell. Und was die Punkrock-Ära von Sprengstoff angeht, möchte ich noch nicht zu viel verraten.
Was bedeuten dir die folgenden Wörter?
Familie
Eric: Sind auch Freunde!
Freunde
Eric: Sind in unserer Branche oft ein Teil der Familie!
Punkrock
Eric: Ist das Genre was Luke wäre, wenn jeder Comedian einem Musikstil zugeordnet werden würde.
Live-Show
Eric: Ist das, was uns am meisten fehlt und das, was für uns die größten Inspirationen fürs Leben bringt.
Luke Mockridge
Eric: Ist der Punkrock unter den Comedians.
Vielen Dank, die letzten Worte gehören dir.
Eric: Ich danke dir für das Interview und die Fragen!
Interview von Florian P. im April 2021
Foto: Steffen Wolff/Brainpool
Video: Sat1/Brainpool
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