Im ausverkauften Kölner Palladium war es plötzlich still. Nicht diese „Wir warten gespannt“-Stille, sondern eher dieses „Okay, was geht hier eigentlich ab?“-Gefühl. Eben noch hatten tausende von Fans die Halle beherrscht, quatschend, trinkend, und sich über den Preis fürs Bier und die Band-Shirts beschwert. Und dann – Boom – Licht aus. Die Menge tobt, und plötzlich: absolute Ruhe. Na ja, abgesehen von… Vogelgezwitscher?
Ernsthaft? Plötzlich sind wir nicht mehr in Köln, sondern mitten im Wald. Das Plätschern eines Baches mischt sich mit den aufmerksamen Blicken der Fans, die alle auf die Bühne starren. Die lästigen, üblichen verdächtigen Handys, durften natürlich nicht fehlen. Ich stand da – leicht abseits, direkt am Graben, der das Publikum von der Bühne trennt. Die Sicht war nicht ideal, aber die seltsam ruhige Stimmung war’s umso mehr. Ein leichter Nebel waberte von der Bühne hinab, begleitet von einem Duft, der nach Ritual roch . Dann kommt da diese barfüßige Gestalt, die mit ein paar Pflanzenzweigen durch die Gegend wedelt. „Okay“, dachte ich. „Das ist also der Schamane. Willkommen bei der Show.“
Aber Moment mal – rewind. Wie bin ich überhaupt hier gelandet? Als ich gehört habe, dass Zeal & Ardor in Köln spielen, war ich sofort dabei. Diese Band? Sie sind einfach unfassbar gut. Sie mischen Metal, Gospel, Soul und werfen das alles in einen Topf, den man echt nicht ignorieren kann. Aber dann der Twist: Zeal & Ardor sind nur der Support? Äh, für wen? Heilung? Noch nie gehört. Und ehrlich gesagt, Pagan/Neo-Folk war bisher so gar nicht meine Baustelle. Aber gut, ich hab mich natürlich zuvor schlau gemacht, in Heilung reingehört und war… beeindruckt. Heilung ́s Musik war anders als erwartet, war vielschichtig. Holte mich zum richtigen Zeitpunkt ab und dominierte Wochen vor dem Konzert meine Playlist.
„Remember, that we all are Brothers“
Jetzt aber zurück nach Köln: Die Zeremonie ist gestartet. Da stehen um die 26 Leute auf der Bühne (ja, richtig gelesen: 26) und schwören sich Hand in Hand ein. Die Frage: Ist das noch ein Konzert oder schon eine Art Reenactment-Show? Ehrlich gesagt, es ist beides. Oder keins von beiden. Heilung ist schwer in eine Schublade zu packen. Es ist keine Viking-Mainstream-Nummer, bei der man grimmige Nordmänner erwartet oder populären Mittelalter-Rock. Was Heilung abziehen, ist mehr wie eine sehr glaubhafte Interpretation eines alten nordischen Rituals, das einen 70 Minuten lang in eine andere Welt katapultiert.
Musikalisch? Eine Erfahrung, wenn man sich darauf einlässt. Heilung wechselt zwischen sphärischem Gesang und kraftvollen, donnernden Passagen. Throat Singing – ja, das zu hören ist imposant. Und es ist verdammt hypnotisierend. Die Lichtshow? Atemberaubend – sie lässt einen die Kälte des Nordens und die Hitze des Feuers fast spüren. Heilung erschafft auf der Bühne eine rituelle Welt, die sich anfühlt, als sei sie aus der frühen Eisenzeit direkt in unsere Gegenwart katapultiert worden. Heilung wollen kein normales Konzert abliefern – die wollen dir das Gefühl geben, du wärst Teil eines authentischen Rituals, als ob du zufällig in der Eisenzeit gelandet wärst.
Das Beste? Alles ist wirklich sehr gut gemacht. Diese ganze Show lebt von purer Leidenschaft. Es war dieses leidenschaftliche Feuer in den Augen der Performer. Du merkst sofort, dass die das nicht einfach spielen – die leben das, was sie da oben abziehen. Und das ist es, was diese Performance so unglaublich authentisch (weil ehrlich) gemacht hat. Keine Show, kein Theater – sondern etwas, das sich verdammt echt anfühlt.
Am Ende des Abends kann ich nur sagen: Zeal & Ardor haben als Support brillant eingeleitet, und ich freue mich, sie das nächste Mal als Headliner zu sehen. Aber Heilung? Heilung hat den Abend zu einer Erfahrung gemacht, die ich nicht mal kommen sah. Und das ist ja oft das Beste.
Nachbericht und Fotos von Mike Schmitz
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