„Und die Gitarre war noch warm“: Klaus Vanscheidt im Interview

Vor einigen Jahren habe ich mal überlegt, was ich denn in meinen Lebenslauf schreiben soll. Ja man erlebt so einiges in seinem Leben. Als der Lebenslauf dann fertig war, dachte ich wie dies wohl bei Berufsmusikern aussehen musste? Meist recht knapp… Eine Band. Einige CDs. Fertig. Doch das ist nicht immer so. Was wäre, wenn eine Band all ihre Auftritte aufschreiben würde? Oder alle Songs auf den Alben erwähnen würde? Ja, das könnte schon eine gehörige Anzahl von Zeilen in Word mit sich bringen. Es gibt aber auch Menschen, die könnten mit solchen Informationen sicher ein ganzes Buch füllen.Einer dieser Menschen ist davon ist Klaus Vanscheidt. Klaus Vanscheidt ist Musiker, Gitarrist und Komponist aus Mülheim an der Ruhr. Er wirkte auf über 130 CD – Produktionen incl. internationalen Chartnotierungen mit und spielte mit ca. 54!! Bands und Projekten weltweit unzählige Konzerte, Festivals und Tourneen.

Wie war das noch mit dem Lebenslauf? Musiker – Gitarrist – Komponist!

So steht es in seiner Kurzvita und liest man ein wenig weiter, mit welchen Bands er die Bühne und Studio teilte, so fallen Namen wie Die Toten Hosen, Doro, Tarja Turunen (ex- Nightwish), Ronnie James Dio (ex- Black Sabbath), Blaze Bayley (ex- Iron Maiden), Biff Byford + Paul Quinn (Saxon), Axel Rudi Pell, Kraftklub, Bad Religion, In Extremo, Status Quo, New Model Army, Die Happy….

Allein da muss man schon anerkennend den Hut (bei Klaus ist es eher die Kappe) ziehen und fragen, ob man denn da mal nachfragen darf. Genau das haben wir gemacht! Sehr froh waren wir als Klaus Vanscheidt sich bereit erklärt hat, uns einige Fragen zu seiner Person, seinen Projekten aber auch dem alltäglichen Wahnsinn zu beantworten.

Hey Klaus, schön dass du dich für einige Fragen zur Verfügung stellst. Wobei erwischen wir dich gerade?
Klaus: Gerne, ich spiele gerade Gitarre.

Als Kind des Ruhrgebiets kommst du aus Mü.lheim/Ruhr. Was bedeutet dir das Ruhrgebiet?
Klaus: Dazu fällt mir nur ein Wort ein: Heimat.

Viele Künstler u. Musiker sind ebenfalls im Ruhrgebiet zuhause. Auch Songs wie „Bochum“ huldigen dieser Region. Wie sieht es da bei dir als Musiker aus?
Klaus: Ich bekam vor einigen Jahren die Anfrage, ob ich Interesse hätte, für meine Heimatstadt einen Song zu schreiben, aufzunehmen und ihn dann gemeinsam mit anderen Mülheimer Musikern aufzuführen. Das Ergebnis war dann der größte Auftritt, den ich bis heute in Mülheim spielen durfte: Die Aufführung des Songs “Wir sind die Stadt an der Ruhr “ vor über 4500 Zuschauern mit der knapp 100köpfigen „MH – Big Band“, u.a. mit Anja Lerch (The Voice of Germany) als Leadsängerin und Tim Husung am Schlagzeug (John Diva & The Rockets of Love).

Welchem Umstand haben wir es zu verdanken, dass du zur Musik gekommen bist?
Klaus: Bin seit meiner Kindheit DieHard – Beatles Fan und als Jugendlicher wollte ich dann wissen, was die „Konkurrenz“ – die Rolling Stones – so machen und nachdem ich Keith Richards dann in dem Kinofilm “ Let`s Spend The Night Together“ in Aktion sah, war der Berufswunsch sofort klar.

Du hast bei unserem letzten Gespräch schon angedeutet, dass du sowohl im Rock, Punk, Metal, Blues als auch im Acoustic – Bereich aktiv bist. Gibt es bei dir persönliche Prioritäten in den Musik -Stilen?
Klaus: Ja, die Musik muss gut und authentisch sein.

Du hast mit über 54!! Bands und Projekten auf der Bühne und im Studio gestanden. Welche der Bands sind dir persönlich an Herz gewachsen?
Klaus: Bis jetzt war jede Band und jedes Projekt eine Herzensangelegenheit.


Foto: Anne Schelhaas-Wöll

Auch hast du auf über 130 CD – Produktionen mitgewirkt. Wie geht man mit seinen „130 Kindern“ zu Hause um?
Klaus: Habe sie fein säuberlich in einem CD – Regal archiviert.

Auch kannst du viele CD – Veröffentlichungen mit Chartplatzierungen für dich verbuchen. Auf welche bist du besonders stolz?
Klaus: Auf die, die weltweit in die Charts gegangen sind.

Und welche der Veröffentlichungen hatte (deiner Meinung nach) eine höherwertige Chartposition verdient und warum?
Klaus: Bin mit den Chartplatzierungen aller Alben – national wie international – sehr zufrieden.

Eine besondere Produktion hast du seinerzeit mit WÖLLI hingelegt. Auf dessen Solo – Album fungierst du auch wieder als Songschreiber. Wahrscheinlich war dies eine Platte, in die du als Komponist, Musiker, aber auch als Wölli`s Partner sehr viel Zeit und Herzblut investiert hast. Was bedeutet dir diese Produktion im Nachhinein?
Klaus: Das Album „Das ist noch nicht alles“ (JKP 2011) ist in der Tat ein sehr Besonderes, da Wölli und ich durch das Schreiben der ganzen Songs für das Album zu richtigen Freunden geworden sind.

Leider ist WÖLLI zu früh verstorben. Was passiert mit den Songs, die ihr für die Band des Jahres geschrieben habt?
Klaus: Mit den Songs ist Einiges passiert. Der Düsseldorfer Eishockeyclub DEG hat die Single “Alles nochmal von vorn`“ mit Campino als Fan – Hymne ausgewählt und unsere Freunde der argentinischen Band Camaradas haben den Song nochmal in Spanisch veröffentlicht. Für ihr Album „Laune der Natur“ haben die Toten Hosen unsere Ballade „Kein Grund zur Traurigkeit“ auch nochmal neu aufgenommen und auf der bevorstehenden CD – Veröffentlichung „Durch die Zeit“ (VÖ: 14.08.2020) von DER OLE wird eine neue Version von “Nicht zu besiegen“ zu hören sein.

Am Telefon hast du mir schon gesagt, dass es für dich eine Herzensangelegenheit war, den von dir mitkomponierten Song „Nicht zu besiegen“ für das neue DER OLE Album nochmal neu einzuspielen. Was bedeutet dir diese neue Version mit Gästen wie Schlagzeuger Vom Ritchie (Die Toten Hosen), Bassist Michael Beckmann (Rainbirds) und Sänger Markus Grimm (Grimm trifft Grimm)? Wie war das Einspielen des Gitarrensolos für dich? Immerhin beendest du damit das Album!
Klaus: Als Ole mir die Info der beteiligten Musiker für die neue Version von „Nicht zu besiegen“ durchgab, war ich echt geflasht. Ole hat es tatsächlich geschafft, alle Lieblingsmusiker von Wölli (neben den Toten Hosen) auf diesem Song zu verewigen. Wölli hätte sich sehr darüber gefreut! Aber das mein Gitarrensolo das gesamtes Album „Durch die Zeit“ beendet, war mir beim Einspielen noch nicht klar.

Von WÖLLI ist der Weg zu den TOTEN HOSEN nicht weit. Auch mit Ihnen hast du die Bühne geteilt. Welche Erinnerungen hast du daran?
Klaus: Nur die Besten. Die Band, ihre Crew, die Plattenfirma und Konzert – Agentur……wir wurden immer nett und fair behandelt. Und die ganzen Konzerte mit den Toten Hosen waren einfach nur gigantisch.

Wenn man in deine Biografie schaut und sieht, mit wem du außer den Toten Hosen noch zusammengespielt hast, wird man blass. An welche Konzerte erinnerst du dich hier am liebsten zurück?
Klaus: An die Wacken – Konzerte mit Doro und Wölli, die Kolumbien – Tour mit Bluttat, die Europatour mit Doro und Blaze Bayley (ex- Iron Maiden) und die Deutschland – Tour mit Status Quo.


Foto: Manuel Marcos Alcalde Rasch

Vor kurzem hast du wieder mit der Metal – Queen DORO zusammengearbeitet. Ihr habt für den WDR Köln die Corona Sessions in der Heimatstädte des Rock Hard–Festivals gedreht (Amphitheater/Gelsenkirchen) , dass aber aufgrund der Corona – Krise komplett leer war. Beschreibe, wie es sich angefühlt hat, einmal vor leeren Rängen zu spielen?
Klaus: Es war recht sonderbar und unwirklich. Ein Konzert vor 0 Zuschauern hatte ich bis dato noch nicht gespielt.

Auch mit DORO verbindet dich eine lange Freundschaft. Wird man dich auch bei ihrer Tour live bewundern können?
Klaus: Richtig, aber leider nein. Doro und ich wären im Frühjahr 2020 noch zusammen auf Tour gegangen, die dann aber wegen der Coronakrise abgesagt wurde.

Wie schwer ist es für dich, plötzlich wieder Metal – Songs auf der Gitarre zu spielen (und dann noch unplugged wie bei der Doro WDR Corona Session) Wie schnell bist du in den Doro – Songs wieder drin (wenn du sie länger nicht gespielt hast)?
Klaus: Das ist nach über 15 Jahren Zusammenarbeit mit Doro wie Fahrradfahren…aufsteigen und los geht`s!

Gerade das Doro WDR Corona Sessions – Konzert im Gelsenkirchener Amphitheater wird ja in einigen Jahren ein Zeuge der heutigen Zeit sein, Veranstaltungsausfälle ohne Ende. Wie sehr beeinflusst Corona dein derzeitiges Leben als Berufsmusiker? Hast du Prioritäten verschoben oder wie nutzt du die „ungewohnte“ freie Zeit?
Klaus: Nun, die Coronakrise hat mein Leben als Berufsmusiker komplett zum Erliegen gebracht. Um die massiven Ausfälle der Konzert – Gagen ein wenig aufzufangen, musste ich die Priorität auf das zweite Standbein verlegen, dem Job als Gitarren – Dozent und Bandcoach. Viel freie Zeit gab es daher nicht.

Was denkst du: Wie werden Konzerte nach der Corona – Pause von den Zuschauern aufgenommen? Eher euphorisch, da die Abstandsregeln weg sind oder eher vorsichtig, weil noch eine gewisse Angst da ist?
Klaus: Ich denke, die Zuschauer werden sehr euphorisch sein, wenn sie wieder zu „normalen“ Konzerten ihrer Bands gehen dürfen. Aber ich glaube, dass das noch eine ganze Weile dauern wird, bis es wieder soweit ist.

Das Wort „euphorisch“ kann man sicher auf viele deiner Auftritte projizieren. Wer auf großen Bühnen steht und in die Menge sieht, der erkennt glückliche Gesichter und besondere Momente. Was hat dich persönlich am meisten auf einem Konzert berührt?
Klaus: Die Reaktionen des Publikums.

Wenn du mit großen Bands auf Tour bist: Welche Sachen überraschen dich immer wieder aufs Neue?
Klaus: Auch die Reaktionen des Publikums.


Foto: Jan Jaedike

Welche Bands sind für dich persönlich Vorbilder?
Klaus: The Beatles und Iron Maiden.

Auch wenn du mehr erlebt hast als viele andere Musiker zusammen hast du sicher auch noch Wünsche. Mit wem würdest du gerne mal zusammenspielen oder in welcher Band würdest du gerne spielen?
Klaus: Mit Paul McCartney und Iron Maiden.

Könntest du dir auch mal ein Solo-Album vorstellen?
Klaus: Auf jeden Fall!

Wir haben viel über dich als Musiker gesprochen. Wie sieht es mit dem Privatmenschen Klaus Vanscheidt aus? Welche CD`s bringt der Postbote dir nach Hause? Von welchen Bands bestellst du noch CD`s?
Klaus: Von ABBA bis Zappa eigentlich alles.

Welche Hobbies bereichern dein Leben?
Klaus: Star Wars, Star Trek und Formel 1.

„Alles nochmal von vorn`“ von vorn hieß ja auch ein Song von WÖLLI. Um hier den Kreis zu schließen, wenn du nochmal alles von vorne machen könntest: Welche Entscheidungen würdest du anders treffen?
Klaus: Keine, würde alles nochmal ganz genauso machen.

Bitte entscheide dich:
Schalke vs. Dortmund
Klaus: Habe mit Fussball ausser bei der EM und der WM nicht viel zu tun. Aber da fällt mir ein, dass Schalke auf der Liste der Fussball – Hymnen, die ich im Studio eingespielt habe, noch fehlt

Punkrock vs. Metal
Klaus: Nehme vs., da beide Musikrichtungen Klasse sind

Club vs Festival
Klaus: Festivals! Die Atmosphäre, das Wiedersehen anderer Musikerkollegen und Crewmitgliedern, die dort mit ihren Bands auftreten, die Reaktionen des Publikums……da kann eine Clubshow nicht mithalten.

Charvel- vs. Jackson- Gitarren
Klaus: Als jahrzehntelanger „Charvel – User“ fällt da die Wahl nicht schwer. In diesem Zusammenhang freue ich mich immer noch sehr darüber, dass ich diese Gitarrenmarke schon seit Jahren als Endorser neben prominenten Kollegen wie Jake E.Lee (ex- Ozzy Osbourne) und Warren DeMartini (ex- Ratt) präsentieren darf!


Foto: Anne Schelhaas-Wöll

Was bedeuten dir die folgenden Begriffe?
Gitarre
Klaus: Ist mein Leben, Beruf und Berufung

Live-Auftritte
Klaus: Siehe Antwort zu a) Gitarre

Metal-Gitarrensolo
Klaus: Klasse, wenn es nicht nur nach Geschwindigkeits – Sport klingt.

Meerbusch
Klaus: Ist die Heimatstadt meines verstorbenen Freundes Wölli.

Nicht zu besiegen
Klaus: Kommt für mich als Ballade auf dem „Das ist noch nicht alles“ – Album direkt hinter „Kein Grund zur Traurigkeit“ .

Tough Magazine
Klaus: Ein interessantes Magazin .

Wir bedanken uns für dieses nette Interview und hoffen, dich, lieber KLAUS, bald wieder unter normalen Umständen live sehen zu dürfen. Traditionsgemäß gehören die letzten Worte dir.
Klaus: Vielen Dank zurück! Das hoffe ich für meine gesamte Branche und für mich auch!

Ich muss schon sagen, die Biografie und auch die Discografie von KLAUS VANSCHEIDT hätten sicher noch vieler weitere Fragen ergeben. Aber irgendwann muss ja auch Schluss sein ?. Nichtsdestotrotz werden wir dem lieben KLAUS bei einem seiner nächsten Auftritte mal auf die Finger schauen. Wir freuen uns darauf. Wer mehr über Klaus Vanscheidt wissen möchte, der schaut nach unter: www.kvmusic.de oder auch www.facebook.com/kvmusic.de

Interview von Thorsten im Juli 2020

Titelbild: Patricia Reith

Dieser Artikel wurde am: 23. Juli 2020 veröffentlicht.

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