Markus Keimel ist ein österreichischer Musiker, Künstler, Schriftsteller und Journalist. Er komponiert und textet seine Songs seit früher Jugend selbst, schreibt poetische Literatur und verfasst unter anderem Tierschutz-Artikel für eine Menge deutscher Tageszeitungen. Mit seinen lebensbezogenen Kalender-Weisheiten wird Keimel zudem von Medien, Politik und Wirtschaft zitiert beziehungsweise wurde der 36-Jährige durch seine literarischen Werke bereits als Österreichs Vorzeigemelancholiker bezeichnet. Vor kurzem erschien mit “Das bewegte Leben des Pierre Trandel” sein neuer Roman. Zeitkritisch, unkonventionell, tiefgründig und melancholisch. Oder anders gesagt: Ein poetisches Abbild des Autors selbst. Wir haben uns das Buch-Release zum Anlass gemacht, dem Künstler etwas genauer auf den Zahn zu fühlen.
1) Markus, du hast mit „Das bewegte Leben des Pierre Trandel“ wieder einmal Literatur veröffentlicht, die enorm viel Melancholie in sich trägt. Warum hat es dir die Melancholie so angetan?
Markus Keimel: Für mich ist Melancholie einerseits so etwas, wie ein intensives Verständnis für die Schönheit und Ästhetik von Traurigkeit und Wehmut. Zum Anderen die Gabe, einen besonderen Blick für die Tiefe der Dinge zu haben. Je mehr man weiß, je größer das Bewusstsein wird, desto ernüchternder wirkt die Welt der Menschen und auch das Leben. Es ist, also würde man die Oberfläche des Seins abtragen, um sich zum Kern dessen durchzugraben. Das Leben und Sein an sich ist so sehr an Vergänglichkeit gebunden. Wie Licht an Schatten. Und in dieser Erkenntnis steckt enorm viel Melancholie, die ich in meiner Literatur versucht habe, vorne anzustellen, anstatt sie zu verstecken. Ich glaube auch, dass Melancholie an sich etwas sehr Poetisches und Philosophisches sein kann. Man muss an der Stelle aber auch betonen, dass der Roman sehr viel auflockernden Humor und viele inhaltliche Stil-Nuancen aufweist, die so gar nicht melancholisch, sondern eher erfrischend und leicht auf den Leser wirken.
2) Im Roman haben auch Verlust und diverse Ängste ein inhaltliches Gewicht. Zumindest was prägende Szenen betrifft. Wie stehst du zum Tod und was ist deine größte Angst?
Markus Keimel: Mit Tod und Vergänglichkeit kann ich überhaupt nicht umgehen. Ich weiß, dass es eine reife Einsicht ist, das Ende als etwas zu betrachten, das Platz und Raum für Neues schafft, als etwas, das zum ewigen Kreislauf gehört. Ich kann es aber nur schwer akzeptieren. Hierfür scheint mir ein wenig die Spiritualität zu fehlen beziehungsweise bin ich eventuell zu egoistisch veranlagt, um etwas loslassen zu können, was für mich einen entsprechend herben Verlust bedeutet. Dieses persönliche Verhängnis ist demnach auch immer wieder Thema in meiner Literatur. Eine Grundquelle dieser Zugangsweise ist sicherlich auch mit Angst verbunden, weshalb ich schon auch sagen würde, dass die Angst vor Verlust, Vergänglichkeit und Tod mitunter zu den größten gehört, die ich habe. Was Phobien betrifft, bin ich beispielsweise ein recht krankhafter Spinnenphobiker. Ich komme mit diesen Achtbeinern einfach nicht klar, obwohl mir die Sinnlosigkeit dieser Phobie ja bewusst ist. Vor einiger Zeit waren wir bei guten Freunden zu Besuch, die Vogelspinnen zu Hause halten und habe mich zu einem radikalen Versuch gewagt, indem ich mich für meine Verhältnisse äußerst nahe an das Tier traute. Ein Schuss, der nach hinten losgegangen ist. Meine Phobie wurde dadurch nämlich leider nicht schwächer. Eher umgekehrt. Ansonsten versuche ich mein Leben möglichst angstfrei und mutig zu gestalten. Etwas, dass in heutiger Zeit oft nicht einfach ist.
3) Wie bist du eigentlich zur Musik gekommen? Ab wann wusstest du, dass du eigene Songs schreiben möchtest?
Markus Keimel: Musikbegeistert war ich bereits als kleines Kind. Auch etwas mehr als das andere Kinder waren, würde ich meinen. Ich habe schon mit acht Jahren meine ersten Platten kaufen dürfen. Rolling Stones, Motörhead, Dog Eat Dog, Gipsy Kings. Alles was ich im Laden so fand und für interessant hielt. Mit etwa zwölf Jahren griff ich mir dann zum ersten Mal in meinem Leben eine Gitarre. Das war so ein unsagbar positiver Knackpunkt in meinem Leben, den ich mit keinem anderen vergleichen könnte. So besonders daran war nämlich der Umstand, dass ich eben nicht versucht hatte, mir vertraute Melodien oder Lieder nachzuspielen, herumzuprobieren oder ähnliches, sondern von der ersten Sekunde an wirklich eigene Melodien erfand und das Instrument als verlängerten Arm meines Herzens, meiner Seele, meines Innenlebens zu spüren begann. Diese Magie ist nie vergangen und hat mich glücklicherweise auf eine Art zur Musik gebracht, die ich für die einzig richtige halte: nämlich Musik als Form der Selbstverwirklichung.
4) Du schreibst als Journalist unter anderem Tierschutzartikel. Was bedeutet dir Tierschutz?
Markus Keimel: Ich empfinde es als äußerst hinterfragenswert, dass sich eine Spezies als Krone der Schöpfung betrachtet, die im ursprünglichen natürlichen Kreislauf überhaupt keine Funktion ausübt. Die Natur braucht den Mensch nicht, er aber die Natur. Der Mensch leidet an einem tiefenpsychologischen Problem und hat die Achtung vor dem Leben aus meiner Sicht gänzlich verloren. Ich kann es nicht ertragen, wie wir uns Menschen behandeln und schon gar nicht, wie wir Tiere behandeln. Das beginnt beim komplexbehafteten Hundehalter, der sein Tier durch die Gegend zieht, als müsste er einen Sklaven disziplinieren und endet an der Tatsache, dass Eltern ihre Kinder in Zoos schleppen, um ihnen zu zeigen, dass es vollkommen in Ordnung ist, Lebewesen zum Unterhaltungszweck in Käfige zu sperren. Ich versuche deshalb meinen kleinen Beitrag zu leisten, um den Tieren eine Stimme zu geben. Aufklärung schafft Erkenntnis, Erkenntnis schafft Bewusstsein und Bewusstsein schafft Veränderung. In dieser Welt hofft zwar nur ein Dummkopf, allerdings bin ich dieser Hinsicht gerne ein Dummkopf.
5) Im Roman wird auch die Schönheit des Lebens in vielen Facetten abgehandelt. Kannst du uns die drei schönsten Dinge deines Lebens nennen?
Markus Keimel: Meine Mutter zu haben, meine Frau gefunden zu haben und meine tiefsten Empfindungen in kreativer Weise verwirklichen zu dürfen. Das Leben ist voller schöner Dinge, wie auch dieser unsagbar fantastischer Planet namens Erde, auf dem wir glücklicherweise leben dürfen. Lediglich das künstlich erschaffene Konstrukt, in dem wir uns befinden, das, was wir als absolute Wirklichkeit aufgedrängt bekommen, hat diesen ekelhaften Touch. Wenn ich mich so zurückerinnere, als ich ein kleiner Junge war, und zu Zeiten des Frühlingsbeginns jedes einzelne Blümchen bewunderte, besinnt mich das immer wieder dahingehend, dass ich weiß, dass das Glück des Lebens und auch das Schöne im Leben meistens in den kleinen Details verborgen liegt. Man muss sich den Blick für das Kleine bewahren, da all diese vielen kleinen Dinge ein vollkommenes Ganzes ergeben. Diese Betrachtungsweise und Einstellung zum Dasein versuche ich auch in dem Roman weiterzugeben.
6) Ein kleines Gedankenspiel darf an dieser Stelle nicht fehlen. Wir nennen ein Wort und du deinen ersten Gedanken dazu.
Punk-Rock bedeutet für mich…: Meine goldene und verrückte Jugendzeit. Freiheit. Erste musikalische Gehversuche. Die Tage und Abende kommen regelmäßig, an denen ich mir Lagwagon, NoFx, Good Riddance und Konsorten anhöre und mich dabei an die chaotischsten Tage meines Lebens erinnere. Punk-Rock ist ein Teil meines Lebens, weil auch immer ein Teil meines Wesens Punk bleiben wird. Nicht als Teil einer Szene, Modeerscheinung oder Bewegung, sondern viel mehr in der Gesinnung.
Fußball…: Ein wunderschönes und ästhetisches Schachspiel auf Speed, dass leider immer mehr zu Brot und Spiele verkommen ist und unter der Fuchtel von Hooligans und geldgierigen Wahnsinnigen steht. Ich weiß zwar gerade nicht, ob das vom Turnierbaum her möglich ist, aber ich würde mir wünschen, dass das Finale im Juni Deutschland gegen Österreich lautet.
Bücher schreiben: Eine ausgesprochen kräftezehrende und mühsame Angelegenheit. Ich kann nicht begreifen, wie das jemand wirklich gerne machen kann. Es ist zwar am Ende sehr erfüllend und eine meiner großen Leidenschaften, das Wort Leiden in Leidenschaft muss ich aber hinsichtlich Literatur schon stark hervorheben.
Der beste Song aller Zeiten: Es gibt so unglaublich viele tolle Songs, die an der Perfektion kratzen. Man muss sich da auch immer auf eine Grundlage der Bewertung einigen. Ist es der Wiedererkennungswert und das Alleinstellungsmerkmal, das Songwriting und Texten und/oder die musikalische Rafinesse und maßgebende Handarbeit? Spontan fallen mir ein: „Hey Jude“ von den Beatles, „Shine On You Crazy Diamond“ von Pink Floyd, „Teenage Dirtbag“ von Wheetus, „California“ von Phantom Planet, „Bohemian Rhapsody“ von Queen, „Simply the Best“ von Tina Turner oder „Friday I´m in Love“ von The Cure. Es würde vermutlich eine Liste von 500 Songs werden, wenn wir dieses Spiel zu Ende spielen.
7) Dann setzen wir dem Spiel ein Ende beziehungsweise eine Pause und bleiben auch beim Wort Pause: Was machst du, wenn du vom Schreiben und Musizieren eine Auszeit brauchst? Bist du dann mehr die Sportskanone, gehst auf Konzerte oder bist du folglich eher der Couch-Potato?
Markus Keimel: Ich halte meinen Körper täglich mit Bewegung und Übungen hinsichtlich Muskulatur-Training fit, bin aber jetzt nicht unbedingt die Sportskanone. Das war ich früher vielleicht etwas mehr. Für mich ist Wandern zum ultimativen Ausgleich geworden. Ich kenne nichts Vergleichbares, wo Körper, Geist und Seele derart stimmig und gesund in Einklang gebracht werden können. Ich bin ein Mensch, der unglaublich viel denkt und entsprechend viel Denkarbeit leistet und auch leisten muss. Da ist es unabdingbar, seinen Kopf auch regelmäßig freizubekommen. Wenn du einen Berg bewanderst, fällt einfach alles von dir ab. Du bist nur noch im Jetzt und lebst. Ein weiterer Aspekt ist diese beruhigende Stille, die du auf Bergen findest. Das gibt dir inneren Frieden und daraus schöpfst du Kraft. Ich kann mir im Übrigen vorstellen, dass Menschen ähnlich empfinden, die am Meer aufgewachsen sind und irgendwann eins mit dem Wasser geworden sind. Das hat auch etwas sehr befriedendes.
8) Du schreibst, „Der Humor eines Menschen ist das Abbild seiner Intelligenz.“ Was findet Markus Keimel eigentlich lustig und humorvoll?
Markus Keimel: Dieser Spruch wird leider oft missverstanden und ebenso oft in falschem Kontext zitiert. Was ich eigentlich damit sagen möchte, ist, dass jemand, der über alles lacht, was einem unter einer Humor-Plakette verkauft wird, nichts anderes ist, als ein unreflektierter Mensch und damit ein ziemlicher Volltrottel. Heutzutage genügt es, dass man sich auf eine Bühne stellt, sich völlig geschmacklos über andere lustig macht, niveaulos über das Leid anderer Witze reißt und die Leute weinen vor Lachen. Es gibt keine Tabus mehr, außer es fällt unter diese modische Political-Correctness-Zensur. Das finde ich ziemlich erbärmlich. Satire ist zu einem Synonym für Geschmacklosigkeit geworden und diese Form von Humor möchte ich nicht unterstützen. Ich empfinde eigentlich so gut wie nichts lustig, was der Mainstream heute als humoristisch wahrnimmt. Ich mag Humor, der Intellekt erfordert, eine Botschaft vermittelt, philosophisch ist, ein sprachliches Feingefühl besitzt und es dabei schafft, eine gewisse Grenze der ethischen Vertretbarkeit trotzdem nicht zu überschreiten.
9) Arbeitest du bereits an neuen Projekten? Wie sehen deine Zukunftspläne aktuell aus?
Markus Keimel: Mein neuer Roman wird ein Abenteuer/Fantasy-Roman und ist bereits zu einem Drittel fertiggestellt. Damit erfülle ich mir selbst einen großen Lebenstraum, indem ich meine irrsten und langatmigsten Fantasien auf eine Art zum Leben erwecke, wie das eben nur mit Literatur möglich ist. Es ist mir nicht möglich das Rad neu zu erfinden, wobei ich dennoch glaube, eine Welt damit zu zaubern, wie es sie bisher in noch keinen Büchern zu finden gab. Zudem arbeite ich im Moment sehr akribisch im Tonstudio und produziere neue Musik, wie ich sie noch nie geschrieben und gesungen habe. Von mir wird es also bald schon wieder etwas Neues zu hören und zu lesen geben und ich freue mich jetzt schon sehr auf den Tag, an dem wir darüber sprechen werden.
10) Lieber Markus, das klingt interessant. Wir wünschen dir einstweilen gutes Gelingen und überlassen dir die letzten Worte.
Markus Keimel: Ich bedanke mich herzlichst für das tolle Gespräch und die Möglichkeit, so viele Gedanken und Einblicke von mir preisgeben zu dürfen. Ich hoffe natürlich auch sehr, dass jeder, der dieses Interview gelesen hat, ein paar Dinge über mich erfahren konnte, die er oder sie vielleicht noch nicht von mir wussten. Es darf sich jeder auch herzlichst dazu eingeladen fühlen, mich auf meinen Social-Media-Kanälen zu besuchen, ein Gespräch mit mir zu finden oder mich auf einem Event anzusprechen. Ich mag Menschen, so befremdlich mir diese Spezies auch tagtäglich zu sein scheint. Alles Liebe!
Lieben Dank für das Interview Markus!
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