„Kontra.“: Kärbholz im Interview

Am 26.03.2021 erschreint mit „Kontra.“ das neue, wohl härteste Album der Band Kärbholz. Wir haben uns mit dem Gitarristen Adrian über die neuen Songs, die interessante Special-Box und weitere Themen unterhalten.

Moin, wo erwischen wir euch gerade?
Adrian: Moin auch! Es ist Dienstag Vormittag, ich sitze bei Tee und entspannter Musik am Küchentisch, draußen regnet es in Strömen und ich kann heute alles vom Homeoffice aus erledigen…ganz gemütlich also.

Mit „Kontra.“ erscheint am 26.03.2021 euer neues Album. Welche Aussagekraft hat denn der Punkt hinter dem „Kontra“?
Adrian: Er macht aus einem bloßen KONTRA einen KONTRAPUNKT. Das ist schon ein gehöriger Unterschied

Der Albumtitel hat mich schon zum Grübeln gebracht. Dagegensein, dagegenstehen, einfach dagegen. Was wollt ihr mit dem Titel aussagen?
Adrian: KONTRA ohne einen Punkt dahinter…so hätten wir das Album niemals genannt. Diese Mentalität, pauschal erstmal dagegen zu sein und andere für die eigene Situation verantwortlich zu machen, wie man es leider sehr oft findet, finde ich, gelinde gesagt, zum Kotzen. In der Musik ist ein Kontrapunkt die zu einer bestehenden Melodie dazu-erfundene Melodie, die dann gleichberechtigt parallel läuft. Dabei geht es dann am Ende nicht um das Dagegenstehen, sondern vielmehr um den Zusammenklang. Darüber hinaus finde ich da eher spannend, den Begriff im sozialen, bildungssprachlichen Aspekt zu sehen. Einen Gegenpol setzen. Allerdings im Zusammenklang mit seinem Gegenüber. Das bedeutet für uns erstmal: Natürlich kann ich gegen etwas sein. Dafür muss ich mich aber mit der Sache auseinandersetzen und darauf eingehen. Ein bloßes Dagegensein, ohne Argumente oder alternative Ansätze zu liefern ist da raus. Das ist ein Motiv, das sich seit je her durch unsere Musik und die Texte zieht. Dieses sich nicht mit gelieferten Wahrheiten und Prinzipien zufriedengeben. Sondern selbst denken, sich bilden, sein eigenes Bild machen, mündig sein. Und wie man an der aktuellen Weltlage so sieht…das Thema und der Aufruf dazu ist immer brandaktuell. Für uns ist unser KONTRAPUNKT sicherlich ein Auseinandersetzen mit uns als Band und dem, was wir in der Vergangenheit getan haben. Wir greifen viele musikalischen Aspekte auf und spinnen sie weiter. Kehren einerseits an unsere musikalischen Anfänge zurück und entwickeln uns daraus. Andererseits setzen wir im Kleinen einen Kontrapunkt zu unserem letzten Album. Es herrscht eine ganz andere Stimmung auf dem neuen Album. Und inhaltlich ist uns der Aufruf zur Mündigkeit und der Auseinandersetzung mit vermeintlichen Wahrheiten immer noch wichtig.

Wie lief der Entstehungsprozess ab? Wie immer ja sicherlich nicht, oder?
Adrian: Wir haben das Album wieder mit Eike Freese und dem Alex Dietz von HSB aufgenommen. Dieses Team gab es das letzte Mal bei der ÜBERDOSIS LEBEN und wir sind froh, dass das wieder geklappt hat. Wir waren für das Album insgesamt sechs Wochen im Studio. Das meiste haben wir dabei in Hamburg bei Eike in den Chamäleon Studios aufgenommen. Für Gitarre und Bass sind wir zu Alex nach Bad Kösen. So ein Tapetenwechsel ist schon sehr gut…bevor der Studiokollar einen schnappt. Die Songs sind fast alle 2019 entstanden. Wir können also mit Stolz verkünden, dass das Thema Corona gänzlich überhaupt keinen Platz auf diesem Album hat. Wir waren recht früh dran mit den Songs und haben zusammen mit Eike und Alex bei uns im Proberaum Anfang 2020 über ein langes Wochenende eine schöne Vorproduktion gemacht und dann bis zur Produktion weiter an den Songs gefeilt. So wussten wir dieses Mal recht gut was wir wollen, als die tatsächliche Produktion anfing. Sonst hätten wir wahrscheinlich 3 Monate im Studio verbracht. Insgesamt haben wir es trotz der besonderen Situation geschafft, unseren Songwriting-Prozess ganz normal und uneingeschränkt durchzuziehen. Ich komme mit einem Grundgerüst der Songs in den Proberaum. Wir hören uns das an. Sprechen darüber und ab dann arbeiten wir alle zusammen daran.

Songs wie „Ewig Leben“, „Niemals fallen“, „Ein einsamer Ort“ oder auch „Laternenlicht“ sind absolute Kracher, wie ich finde. Hochmelodisch und druckvoll, so wie man es von euch gewohnt ist – ich finde es wieder härter und rauer als „Herz & Verstand“ – ist das auch so von euch gewollt?
Adrian: Als ich angefangen habe, mich an neue Songs zu setzen, war ziemlich schnell klar, dass so gar nichts klar ist. Ich kam nicht weiter, weil eines nicht klar war: Wohin soll es gehen? Wie sollen die neuen Sachen klingen? Wir haben uns zusammengesetzt und darüber gesprochen, wie sich jeder von uns ein neues Album vorstellt. Und klar war sofort: Es soll flotter und härter werden. Mehr Punk? Mehr Metal? Ganz egal. Aber: Weniger Melancholie. Wir haben dann für uns entschieden, dass wir diesen ganz einfachen Anspruch als Voraussetzung nehmen und darauf basierend einfach mal fließen lassen. Die Stimmung war super und das Leben sonniger als bei der Entstehung von HERZ & VERSTAND; und das hört man. Ein anderer Aspekt hat dazu beigetragen, das Album wieder rauer klingen zu lassen. Bei all den technischen Möglichkeiten, die man heute hat, ist man schnell verleitet, mehr und mehr in einen Song zu packen. Hier noch eine Gitarre, dort noch eine Harmonie und hier noch whatever…Es ist natürlich so, dass wir im Studio ganz viele Gitarrenspuren aufgenommen haben, mehrstimme Chöre haben usw.. Aber: Wir sind ein musikalisches Trio. Gitarre, Bass, Schlagzeug. Und live hört man auch genau das bei uns. Also wollten wir die Songs wieder ein bisschen reduzieren und an vielen Stellen auf das Wesentliche reduzieren. Das ist jetzt deswegen nicht 80er Punkrock geworden. Es ist eine gut, nicht über-produzierte, aber raue Platte geworden die auf die Bühne gehört. Und darauf freuen wir uns am meisten.

Mit „Voran“ gibt es den ersten Song, in dem Adrian komplett alleine singt. War das schon länger geplant oder ist es eher spontan entschieden worden?
Adrian: Das war so überhaupt nicht geplant. Ich war bei Alex im Studio. Es war Sonntag und ich hatte den Kater meines Lebens. Wir wollten alles für die Akustik-Gitarren-Aufnahmen aufbauen und den Song einspielen. Ich war aber derart verkatert, dass ich zu Alex sagte….wir können gerne aufbauen, aber einspielen werde ich keinen Ton. Er hat mir daraufhin noch auf der Fahrt ins Studio 2 Dosen Bier an der Tanke gekauft und mir gesagt, ich solle das trinken und bitte mit der Jammerei aufhören. Wir hatten dann alles aufgebaut und ich habe den Song dann alleine in der Kabine 2 mal gespielt um alles einzupegeln. Als ich raus kam sagte Alex zu mir, ich solle bitte mal Torben anrufen, ob es ok wäre, wenn er den Song nicht singt…weil für ihn war er fertig. Ich schaute ihn mit großen Augen an. Und als er mir die Aufnahme dann vorgespielt hat….musste ich in meiner kleinen postalkoholischen Melancholie sogar eine Träne vergießen vor Rührung. Hatte ich noch nie gemacht. Aber es war irgendwie echt und ungefiltert. Danilo, Gitarrist von IRONIBITE war an dem Tag im Studio zu Gast und den haben wir dann direkt verhaftet, noch Klavier drauf zu spielen. Das war schon ne ziemlich schöne Geschichte und ich bin echt stolz auf den Song.

„Roter Wein“ – hier hören wir, dass ihr einen kleinen Ausflug wagt in ein eher „fremdes“ Genre. Folk, der mit Geigen untermalt ist und sich dann Kärbholz-typisch entwickelt – live gibt es hier die Pogo-Garantie von mir. Welche Geschichte gibt es zum „Experiment“?
Adrian: Der Song war eigentlich eine lupenreine Punknummer. Wir haben einen gemeinsamen Freund und Musikerkollegen…den Salossi. Der sollte uns auf unserer Akustik-Tour begleiten. Und der hat dann mal die Melodie auf der Geige gespielt…und wir dachten: Alter!! Das ist es doch! Sowas haben wir noch nie gemacht und es hat sich so geil angehört…also los. Und ja, ich glaube die Pogogarantie ist save!

Ebenfalls schnell im Ohr ist mir „Der schwarze Schwan“ geblieben – eine Ballade mit einem ganz starken Text, der sich dann zu einer richtigen Rockhymne mausert. Was steckt hinter dem Song? Anders sein ist gut, oder eher die Tatsache, dass man vieles nicht auf den ersten Blick sieht?
Adrian: Eher Zweiteres. Wobei vor allem: Was richtet Ausgrenzung in Menschen an? Der Song erzählt die Geschichte von jemandem, der Anschluss und Zuneigung sucht, jedoch auf Abneigung und Ausschluss stößt. Und das lässt in ihm die Trauer darüber zu Wut und Aggression wachsen. Und das geht alles nicht gut aus. Ich würde mir den Song unter den Aspekten Mobbing und Rassismus anhören und was Ignoranz und Hochmut anrichten kann.

Was ich beim Song „Easy“ dachte, sage ich lieber nicht. Welche Idee steckt den dahinter? Habt ihr eine Wette verloren?
Adrian: Wobei mich das jetzt interessieren würde…. Nein, wir haben keine Wette verloren. Dieser Song wird polarisieren. Das wissen wir. Wir zeigen die Songs ja Freunden…die einen lieben ihn, die anderen hassen ihn. Dieser Text musste einfach in diese musikalische Form gepresst werden. Da unterstützt das eine das andere und unter künstlerischem Gesichtspunkt ergibt das ganz doll Sinn…ob man den Song nun mag oder nicht.

Mit „Leben und Tod“ kommt zum Abschluss nochmal ein starker Kracher, bei dem Unterstützung von Matthi von Nasty erhalten habt. Wie kam es zur Zusammenarbeit?
Adrian: Nasty ist so eine Band, zu der wir im Tourbus auf dem Weg von Stadt zu Stadt schon ganz oft böse Nightlinermoshpits fabriziert haben. Hast Du die mal live gesehen? Ein 45-minütiger Wutausbruch. Großartig. Wir waren im Studio und da gab es diese dritte Strophe…und wir dachten…ach Mensch, das müsste eigentlich so richtig geschrien werden. Stellt euch mal vor zum Beispiel der Matthi von Nasty würde das machen…eher so aus Spaß. Alex meinte dann…ey, wisst ihr was? Matti ist ein Kumpel und ich frage ihn einfach. Gesagt, getan. Mega geil, dass er das gemacht hat!! Eine meiner Lieblingsstellen auf dem Album! Schade war, dass wir uns Corona-bedingt nicht sehen konnten. Aber das holen wir nach, das ist schon abgemacht.

Mit „Vollgas“ beendet ihr das Album – diesen Song habe ich auch auf einem anderen Album einer anderen Band gehört. Erzählt uns was zum Lied? Eine Kooperation?
Adrian: Henning und ich waren auf einem Songwritercamp. Ein langes Wochenende, 20 Musiker aus unterschiedlichsten Bands, die zusammen Musik machen. Marius von NEUROTOX war auch dort. Wir beide wollten an einem Nachmittag eigentlich an einer seiner Songideen arbeiten. Er kam da nicht weiter und fragte mich, ob ich vielleicht eine Idee hätte. Zwei Stunden später hat sich an seinem Song kein Ton verändert, aber wir hatten diesen Song geschrieben. Da kam uns die Idee…Ey, wir haben den zusammen gemacht…wieso interpretiert ihn nicht jede Band auf ihre Weise und wir bringen den Song beide auf unserem nächsten Album raus! Zu der Zeit gab es nur den Text und so eine Handyaufnahme mit der Gesangsmelodie. Wir haben dann beschlossen, dass wir den Song des anderen erst hören, wenn er fertig aufgenommen ist. Echt spannend, wie dann zwei so unterschiedliche Songs daraus geworden sind.

„Kontra.“ beinhaltet viele starke Nummern mit tollen Melodien und richtig guten Texten – wie würdet ihr das neue Album mit euren eigenen Worten beschreiben?
Adrian: KONTRA. ist wahrscheinlich das krasseste, härteste, ungezähmteste, ehrlichste, tiefgründigste, ja das das beste Album, das wir 2021 herausbringen werden!

Neben der CD,- und LP-Version gibt es auch eine Fanbox, die unter anderem ein Pflanzset für einen Baum beinhaltet. Das ist was besonderes und eine tolle Sache. Erzählt uns was dazu!
Adrian: Herr Borkenkäfer hat hier in unseren heimischen Wäldern ganz schön gewütet. Es mussten riesige Waldflächen gerodet werden. Man kann es zum Teil in unserem Video zu NIEMALS FALLEN erahnen. Das sieht hier teilweise echt beängstigend aus. Wir haben überlegt, was wir in die Fanbox für Gimmiks stellen könnten…da kam uns die Idee. Statt irgendwas aus chinesischem Plastik mit Äxten drauf da rein zu packen: Lass uns was Nachhaltiges und Gutes machen. Jeder bekommt Samen eines Baumes. Die pflanzt jeder und kümmert sich ca. ein Jahr um den Baum. Dann ist er groß genug, um umgepflanzt zu werden. Wir treffen uns dann hier bei uns und werden mit all diesen Setzlingen ein Stück Wald wieder zum Leben erwecken. Wir haben uns da beraten lassen, welche Baumarten hier in der Region geeignet sind und gepflanzt werden sollten. Wir werden dann ein schönes Happening daraus machen…zusammen was Gutes tun und danach zusammen feiern! Wie genau klären wir noch. Aber es wird wunderbar!

Kurz zu Corona – wie sehr kam euch die Pandemie dazwischen? Wie sieht es mit einer Tour aus? Liegen die Planungen erstmal auf Eis oder habt ihr Hoffnung?
Adrian: Bei der Produktion kam sie uns zum Glück gart nicht dazwischen. Bei allem anderen schon. Das war ein schweres Jahr…fast keine Konzerte. Wir haben natürlich eine Release-Tour gebucht. Aber…die wird nicht stattfinden können. Das ist leider Fakt. Wir beobachten die Situation und werden versuchen, sobald Konzerte, unter welchen Bedingungen dann auch immer möglich sein werden, Konzerte zu spielen. Aber das liegt ja alles noch sehr im Schleier. Leider. Die Hoffnung bleibt natürlich. Muss ja weitergehen!

Vielen Dank für das Interview, die letzten Worte gehören euch!
Adrian: Holt Euch Kontra.. Ist schön geworden. Außerdem müsst Ihr ja mitsingen können, wenn es wieder losgeht und wir uns auf Konzerten endlich wiedersehen können. Bleibt optimistisch und einander zugewandt und gerade und gesund! Wir sehen uns!!

Interview von Florian P. im Januar 2021

Dieser Artikel wurde am: 20. Februar 2021 veröffentlicht.

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