„Hochmut und Zerfall“: Tom Unterweger im Interview

Vor einigen Tagen flatterte hier eine EP ins Haus, die uns vom Tough Magazine mal ganz ordentlich zugesagt hat. „Hochmut und Zerfall“ heißt das Werk von Tom Unterweger der auch unter Tom Unterweger und die tanzenden Leichen bekannt ist. Große Hoffnung setzen wir nach den vier Songs der EP darauf, dass dies nur ein erster Hinweis auf ein kommendes Album ist. Denn auch die beiden Werke „Roboter an die Macht“ und „Soundtrack zum Ende der Welt“ haben einige Granaten an Bord. Wir haben bei Tom angeklopft und mal ein paar Fragen durch die Tür geschoben.

Hey Tom. Schön, dass du dir die Zeit für das Interview nimmst. Wobei erwischen wir dich gerade?
Tom: Mit Filterkaffe bewaffnet in meiner Wohnung in Graz.

Für unsere LeserInnen, die dich noch nicht kennen: stell die Person Tom Unterweger mal in einigen Sätzen vor.
Tom: Mit dem Namen Tom Unterweger habe ich ca. 2016 begonnen meine Songs als Soloprojekt zu veröffentlichen, weil ich in keiner Band so richtig glücklich wurde und ich meine eigenen Songs spielen und singen wollte. Die Songs spiegeln sicherlich meine Persönlichkeit zu einem gewissen Grad wieder: Politisch, nachdenklich, mit einem Hang zum Dadaismus und schwarzem Humor.

Du bist Solo aktiv aber auch mit Tom Unterweger und die tanzenden Leichen am Start. Was sind die Gemeinsamkeiten, wo sind die Unterschiede dieser Projekte?
Tom: Da gibt es eigentlich keinen Unterschied. Als aus dem Soloprojekt eine Band wurde, schon nach der Veröffentlichung des ersten Albums, wollten wir das auch im Bandnamen ersichtlich machen. Das war natürlich als Anspielung auf alte Bandnamen wie Marilyn Manson and the spooky Kids oder Nick Cave and the bad Seeds gedacht. Allerdings würde ich im Nachhinein anderen Bands davon abraten ihren Bandnamen zu ändern, wenn auch nur minimal, das bringt vor allem technischer Natur mehr Probleme als Vorteile mit sich.

Gerade ist die neue EP am Start. Hier haben wir vier Nummern und es scheint ein wenig eine (wenn man das so sagen kann) „Konzept EP zu sein“. Zumindest von den Songtiteln. Was war deine Idee beim Schreiben dieser Songs?
Tom: Tatsächlich liebe ich Konzeptalben, die zwei bisher veröffentlichten Alben folgen thematisch auch einem Konzept, aber etwas subtiler als auf der EP. In Zeiten wo Bands nur noch Singles auf Spotify veröffentlichen sind Konzepte ja wirklich etwas abgestaubt und oldschool, aber ich mag es mit Musik, Text, Image und Video gemeinsam eine Geschichte erzählen.
Die Idee zur EP kam durch den Song Lenin. Ich sah eine Doku über Lenin und die russische Revolution und wie Lenin selbst überrascht war, was er mit seinen Worten in der Prawda ausgelöst hatte. Als der Song fertig war, gefiel er mir wirklich gut, wusste aber, dass er nicht auf das neue Album passt. Dann fiel mir ein, dass ich noch ein paar Songs zu dem Thema in der Schublade hatte und somit war es klar, dass daraus eine Konzept-EP werden könnte.

„Meine Freundin und der Kommunismus“ geht mal ordentlich nach vorne. Welche Intention verfolgst du mit dieser Nummer?
Tom: In erster Linie unterhalten. Als in Graz eine Kommunistin Bürgermeistern wurde, hat Lied noch einmal eine neue Bedeutung erhalten, haha. Allerdings zeigt der Song auch das Problem auf, wenn sich eine Person in einer Beziehung für etwas begeistert, was die andere Person nicht ganz nachvollziehen kann. Aber im Grunde ist es eine typische Tom Unterweger Pop-Punk Nummer die auch ein gutes Tempo hat.

Ein weiteres Brett ist „Adios, mein Kommandant“. Etwas poppiger aber auch gut eingängig und keinesfalls ein Füller. Welche Geschichte steckt hinter diesem Song?
Tom: Viele Umwege haben zu diesem Song geführt. Ursprünglich wollte ich ein kubanisches Volkslied imitieren, der Text war ursprünglich auch auf spanisch. Beim Aufnehmen bemerkte ich, dass die Tonart überhaupt nichts mit einem kubanischen Volkslied zu tun hat und dass es sehr seltsam klingt wenn ich versuche spanisch zu singen, haha. Kurzerhand wurde der Text dann auf deutsch übersetzt und siehe da, plötzlich hat der Song auf eine seltsame Art und Weise Sinn ergeben und ein Eigenleben für sich entwickelt.

„Lenin“. Ein Wort – eine Bedeutung. Hat sich der Song für dich jetzt in Zeiten des Krieges geändert oder hat er die gleiche Bedeutung wie beim Schreiben?
Tom: Total verändert. Ursprünglich das Thema zu Lenin etwas anachronistisches, ein Song über ein vergangenes Zeitalter und plötzlich war das hochaktuell, das war sehr schwierig, weil wir natürlich nichts mit dem Putin Kriegtreiberswahnsinn zu tun haben. Wir waren auch kurz davor die EP nicht zu veröffentlichen, haben dann aber das Cover geändert und auch den Titel der EP (sie sollte ursprünglich nur Lenin heißen) und haben den VÖ Termin verschoben.

Als Abschluss auf dieser EP ist mit „Die Resolution des Prekariats“ ein tanzbares Stück enthalten. Erzähl uns, was diese Nummer für dich bedeutet.
Tom: Haha, tanzbar finde ich gut, aber es gibt sicher Leute die zu Arbeiterliedern tanzen. Hier hab ich mir die Herausforderung gestellt ein modernes Arbeitslied mit typischen Arbeiterchor zu schreiben, das zu unserer Zeit und unseren Problemen passt. Hab dann die Chöre alle selber eingesungen und ein paar 80er-Synthies dazu gespielt. Bin sehr glücklich mit dem Ergebnis, obwohl der Track sicherlich auch die eine oder andere Person schon überfordert hat.

Zwangsläufig setzt man sich nach Hören dieser EP auch mit den Alben von Dir und deiner Band auseinander. Was ist für dich persönlich der Unterschied von „Roboter an die Macht“ und „Soundtrack zum Ende der Welt“?
Tom: Gute Frage. Soundtrack zum Ende der Welt war zu Beginn wirklich ein Versuch ein Album alleine zu schreiben und aufzunehmen und das hat angesichts der Umstände auch erstaunlich gut funktioniert. Ohne zu wissen hat dieses Album den Blue-Print für alle weiteren Tom Unterweger Songs gesetzt. Roboter an die Macht war dann die Fortführung dieses Konzepts, allerdings hat hier schon die Band alle Instrumente eingespielt und wir wussten schon was vom Wording und Image zur Band passt, da war der Rahmen schon recht klar definiert.

Hört man sich „Roboter an die Macht“ an, so bleibt man an Stücken wie „62 Milliardäre“, „Weltverschwörungsska“, „Hipster Nazis raus“ oder auch „Sei wachsam“ hängen. Welche Nummern sind für dich persönlich die wichtigsten auf dem Album? Und warum?
Tom: Die die du aufzählst sind auch bei mir die Wichtigsten. Ich würde noch „Europa“ dazu geben, ich finde da haben wir diesen fragwürdigen Nationalsmus-Trend der seit 2015 wütete ganz gut hinterfragt und in einen Song gepackt. „62 Milliardäre“ ist für mich bis heute einer unserer Signatare-Songs, weil hier das politische und morbide in einer Geschichte mit Anfang und Schluss verpackt wurde und trotzdem melodiös und eingängig ist. Songs so knackig zu verpacken gelingt mir aber auch nicht immer, daher bin ich auf den Song schon auch stolz.

Und welche würdest du heute anders machen?
Tom: Vor allem zwischenmenschlich vieles. Das zweite Album „Roboter an die Macht“ war das erste Album in der Band-Besetzung und ich/wir wollten alles richtig machen, was aber nur zu Stress bei allen Beteiligten geführt hat. Vor allem bei der Produktion haben wir uns selbst eine sehr kurze Deadline gesetzt und die ganze Produktion bis zur VÖ war sehr stressig, aber auch sehr lehrreich.

Auch der „Soundtrack zum Ende der Welt“ ist ein punkiges / rockiges Album mit Texten über menschenfressende Kinosessel, den Satanismus oder auch „das letzte Mädchen der Welt“. Welche Songs des Albums sind für dich die Stücke, die auch live nie fehlen dürfen?
Tom: Tatsächlich ist die „Die Nacht der menschenfressenden Kinosessel“, so absturs das Stück auch klingen man, mein Lieblingsopener bei Live-Shows, weil er einfach zu spielen ist und trotzdem gut Gas gibt. „Satanismus“ ist unser „Highway to Hell“, der darf natürlich auch nie fehlen, haha. Ansonsten wechseln wir eigentlich immer gut durch.

Apropos Live und Zukunft. Wann werden wir dich denn in Deutschland sehen dürfen?
Tom: Eine gute Frage! Allerhöchste Zeit, dass wir nach Deutschland kommen. Als es kurz davor war, ist leider Covid dazwischen gekommen. Ich kann es nicht sicher sagen, aber Ende 2022, spätestens 2023 zum neuen Album wird es soweit sein. Ansonsten: Wer uns sehen will, kann uns gerne buchen! ;)

Und wo wir gerade drüber sprechen. In der Zukunft ist sicher einiges angedacht. Ist ein neues Album in Planung? Und wenn ja, auf was dürfen wir uns freuen?
Tom: Ja es gibt viele News. Es gibt eine neue Besetzung der Band, also der tanzenden Leichen und wir sind brav am Proben für anstehen Live-Gigs. Die Songs fürs Album sind fertig und wir sind gerade beim Aufnehmen und ich kann versprechen, wer die bisherigen Sachen gut fand, wird sich an den neuen Songs sicherlich erfreuen! Wir werden dann natürlich auch wieder unsere bizarres Musikvideorepertoire aufstocken, was inzwischen auch zu einem Markenzeichen von uns geworden ist.

Was bedeuten dir die folgenden Begriffe?
Musik-Business
Tom: Fehlt mir der Bezug dazu. Mit unserem eigenen Label Serienmörder Records machen wir so ziemlich alles DIY.

Graz
Tom: Kleinbürgerliche, oft spießige Stadt, trotzdem beste Musikszene in ganz Österreich, vor allem was Genres abseits des Mainstreams anbelangt.

Berge
Tom: Haben nie eine allzu große Faszination auf mich ausgeübt.

Meer
Tom: Hat immer eine sehr große Faszination auf mich ausgeübt.

Vorbilder
Tom: Hatte nie Vorbilder, aber sicherlich viele Künstler*innen, Bands die ich sehr schätze. Für Tom Unterweger und die tanzenden Leichen sind das sicherlich Band wie The Damned oder die Nekromantix, die abseits von Erwartungshaltungen, Mainstream und einem ganz eigenen Image eine langlebige Karriere aufgebaut haben.

Jüngstes Gericht
Tom: Bin Atheist.

Coronavirus
Tom: Mir bisher zum Glück erspart geblieben, hat aber trotzdem viel verändert.

Tough Magazine
Tom: Bestes Musikmagazin, was für eine Frage?!

Wir bedanken uns bei euch für die Zeit, die du dir genommen hast? Natürlich gehören die letzten Worte dir. Also los :)…
Tom: Bedanke mich für die Aufmerksamkeit! Schaut regelmäßig im Web auf unseren Seiten vorbei, es werden mehrere Konzerte kommen, auch in Deutschland, die Songs und Videos zum neuen Album werden sicherlich ein konzentriertes Feuerwerk von allem was wir bisher so gemacht haben, also seit gespannt!

Tatsächlich haben wir uns sehr gefreut, dass die Tom sich die Zeit genommen haben. Mit „Hochmut und Zerfall“ hat er gerade ordentlich abgeliefert. Hört gerne mal rein und besucht Tom auf seiner Homepage. Viel Spaß dabei.

Interview von Thorsten im Juni 2022

Dieser Artikel wurde am: 19. Juni 2022 veröffentlicht.

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