„Neues von Hiob“ so hieß die letzte Scheibe von Extrabreit, die vor zwölf Jahren erschien. „Ob da nochmal was neues kommt?“, hat sich sicher der ein oder andere gefragt. Und tatsächlich gibt es „Neues nach Hiob“. Mit „Auf Ex!“ veröffentlichen Extrabreit ein frisches, breites Album, auf das Fans sicher einen heben werden. Wir durften Stefan Kleinkrieg einige Fragen stellen.
Hey Stefan. Schön, dass du dir Zeit nimmst. Wobei erwischen wir dich gerade?
Stefan: Hallo. Ja ich sitzt gerade auf der Couch und genieße eine Zigarette.
Vor kurzem haben wir uns noch über dein Soloalbum unterhalten. Und nun zurück mit Extrabreit. Wie fühlt es sich an, neue Extrabreit-Songs unters Volk zu bringen?
Stefan: Ja das ist schon ziemlich aufregend. Wir haben zwölf Jahr nichts veröffentlicht und in dieser Zeit hat sich das Geschäft auch ziemlich gewandelt. Nach der Hiob-Platte haben wir eine Zeitlang getourt aber auch an neuen Songs gearbeitet. Wir hatten immer mal Demos gemacht aber so richtig überzeugt waren wir oft nicht. Irgendwie hatten wir uns in eine Komfort-Zone zurückgezogen. Wir waren eigentlich eine Touring-Band, was ja auch nichts Schlimmes ist. Eigentlich ist das sogar der Grund, warum jede Band anfängt, Musik zu machen. Durch viele Zufälle hat sich das dann entwickelt, das eine neue Platte zustande kam. Unser alter Musik-Verleger hat uns darauf gebracht, nochmal eine neue CD aufzunehmen. Der war beim Jahresabschlusskonzert letztes Jahr und hat uns gesagt: „Das ist doch gut was ihr macht. Mach doch mal eine neue Platte“. Wir haben dann angefangen, das Material in Form zu bringen und fanden die Nummern ganz gut. Auch neue Stücke sind entstanden. So kam das schließlich, dass wir die Songs fertig aufgenommen haben. Das hört sich jetzt tatsächlich richtig gut an.
Ihr habt euch schon öfter Zeit gelassen zwischen den Alben. Aber nun ganze zwölf Jahre. Ab wann kam der Entschluss, wieder ein neues Album zu machen?
Stefan: Der Entschluss, ein neues Album zu machen kam tatsächlich Anfang des Jahres. Eigentlich war das Album sogar als Überraschung zur Weihnachts-Tour geplant. Aber dann kam mir alles anders durch Corona.
Das tut dann sicher auch weh als Künstler?
Stefan: Ja klar. Man malt sich natürlich aus, wie wunderbar das alles wäre, wenn man mit einem Überraschungs-Album auf die Bühne geht. Darf man gar nicht so richtig drüber nachdenken, was im Moment durch Corona alles kaputt geht. Gerade wenn man sieht das auf der letzten Tour bei uns viele Gigs ausverkauft waren, ist das natürlich schade, dass wir dieses Jahr zu Weihnachten nicht spielen dürfen. Mal sehen, wie es weiter geht.
Du sprichst gerade die Weihnachtstournee an. Die hat auch schon etwas Kultcharakter.
Stefan: Das kann man tatsächlich so sagen. Wir leben in einer Eventgesellschaft und das haben wir uns etwas zu nutzen gemacht (lacht). Wir haben für uns gesagt: „Wir verkaufen keine Musik, Wir verkaufen bei diesen Konzerten einfach Zeit“. Und tatsächlich kommen bei den Weihnachtskonzerten immer Leute zu uns und sagen: „Hey Mensch, das war meine Zeit.“ Wir spielen bei diesen Konzerten auch meistens die alten Kracher. Ein schönes Event mit etwas Kultcharakter (lacht).
Wer war diesmal am Komponieren beteiligt? Hat sich da in all den Jahren was verändert?
Stefan: Da ist viel gleich geblieben. Meistens fängt das bei uns so an, dass ich mit einem Riff ankomme, und Kai dann den Text dazu schreibt. Manchmal gebe ich auch schon einen Text vor, der Kai hört es sich an und ändert das dann so ab, dass es für ihn passt. Wir passen das zusammen Schritt für Schritt an, so dass es schließlich für alle okay ist. Das war schon immer so und wird auch so bleiben. Manchmal entstehen Songs aber auch, wenn wir als Band zusammen proben. Es ist da nichts in Eisen gegossen. Ich glaube, man hört das dem neuen Album auch an. Es sind tatsächlich viele Strukturen, die Extrabreit-Songs auszeichnen, auf dem Album vorhanden.
Kommen wir zum Album. Ihr klingt wieder einmal richtig frisch und die Songs allesamt gute Rocknummern. Was macht für dich ein richtiges Extrabreit Album aus?
Stefan: Ja da gebe ich dir recht. Das Album klingt frisch, was aber auch an der Technik im Studio liegt. Da hat sich auch viel geändert in den letzten Jahren. Und das neue Album ist tatsächlich ein richtiges Extrabreit-Album. Das findet jeder in der Band so. Knackige Songs aber auch die ein oder andere ruhigere Nummer. So das ist ein schönes rockiges Album geworden ist.
„Die Fressen ausm Pott“ als Opener gibt gut die Marschrichtung vor. Erzähl was zur Entstehungsgeschichte des Songs. Sind Extrabreit der Inbegriff des Ruhrgebiets?
Stefan: Hmm, Inbegriff des Ruhrgebietes, das würde ich nicht unbedingt behaupten. Wir kommen aus Hagen und da streiten wir uns, ob das Ruhrgebiet ist oder nicht. Pott oder Sauerland. Aber grundsätzlich betrachten wir uns schon als Pott-zugehörig. Schon als Teenager sind wir immer hier rumgefahren. Gehört alles irgendwie zusammen. Viele Leute meinen „Fressen aus dem Pott“ hört sich ein bisschen derbe an. Aber hey, die Sprache im Ruhrgebiet ist halt manchmal etwas derber (lacht). Auch bei diesem Song hatten wir zuerst die Melodie und dann den Text. Eigentlich ein typischer Entstehungsprozeß. Für mich ist das eine Hymne an unserer Heimat und die Gegend, in der wir leben.
„Die Fressen ausm Pott“ könnte ja praktisch auch eine Schlagzeile sein, wenn man sich Wahlplakate mit bestimmten Politikern anschaut. Die Bierpartei hat es vorgemacht. Wie wäre es denn mit ner Extrabreiten Parte? Was wären eure Wahlversprechen?
Stefan: Ach, um Gottes Willen. Doch nicht mehr in unserem Alter (lacht).
„Vorwärts Durch Die Zeit“ geht ordentlich nach vorne. Auch noch mit Bläserunterstützung. Wer sind die Gäste auf diesem Song und wie sehr ist dieses Stück autobiografisch?
Stefan: Die Bläser sind tatsächlich aus der Kiste. Echte Bläser konnten wir uns nicht leisten. Der Song kommt von Kai und ist tatsächlich sehr autobiographisch. Speziell diese Nummer lag Kai auch sehr am Herzen.
Apropos „Autobiografisch“. Auch „Robotermädchen“ ist ein Hit? Was hat es hiermit auf sich?
Stefan: „Robotermädchen“ ist tatsächlich eine Zukunftsvision. Erinnert auch etwas an Blade Runner. Irgendwann wird es das sicher geben, das es Roboter als Haushaltshilfe gibt oder auch als Wegbegleiter. Die kosten dann vielleicht einige hunderttausend Euro aber dem ein oder anderen wird es das vielleicht wert sein. Die schrecklichen Menschen können dann mit ihrem Robotermädchen zu Hause bleiben (lacht). Ein augenzwinkerndes Stück.
Extrabreit sind auch stark bei langsameren Stücken. Welchen Hintergrund hat „Gib Mir Mehr Davon“?
Stefan: Bei diesem Stück tauchen die ganzen Figuren auf, die in dem Extrabreit-Mikrokosmos eine Rolle gespielt haben. Karl Heinz, Jürgen und viele andere Menschen. Auch eine Kneipe, die auf den schönen Namen „Bei Rainer“ hieß. Da waren jeden Abend die gleichen Leute. Ein Stück, das etwas wehmütig zurückblickt. Das nicht immer alles selbstverständlich ist.
Natürlich kommen auch Frauen nicht zu kurz auf dem neuen Album. Wem ist „Mary Jane“ gewidmet?
Stefan: Na ja, man kann es ja auch als ein Slang-Wort für „Marihuana“ verstehen. Es gibt sicher Leute, die von Mary Jane begeistert sind. Aber nicht als Droge, sondern als medizinisches Hilfsmittel, unter anderem gegen Schmerzen (lacht). Kann man ja gerne mal eine Nummer drüber schreiben. Aber eher nichts für mich. Ich bin da eher von Nationalität „Trinker“ (lacht wieder).
Sehr entspannt kommt „Ganz Neuer Tag“ rüber. Wie beginnt für dich grundsätzlich ein neuer Tag?
Stefan: Ich bring normalerweise meine Frau zur Arbeit. Dann mach ich halt meine Sachen, die ich so zu tun hab. Wenn du das so siehst, bin ich ein Hausmann. Zwar ein ziemlich schlechter. Aber schon irgendwie.
Mit „War Das schon Alles“ kommt zum Abschluss noch eine sehr fett rockende Nummer. Eure Fans werden beim Lesen der Trackliste des Albums bei diesem Titel Angst bekommen. Könnt ihr ihnen diese Angst nehmen?
Stefan: Auf jeden Fall kann man da die Angst nehmen. Solange wir noch irgendwie auf der Bühne stehen können, machen wir weiter. Das ist eher als flapsiger Ausdruck zu verstehen. Vielleicht als Aufforderung an die Zukunft und an das Schicksal, uns mal wieder ein paar Krümel rüber zu werfen.
Das Album reiht sich nahtlos in all eure Klassiker ein. Welches sind für dich persönlich die wichtigsten Alben der Band und welches wurde immer zu wenig beachtet?
Stefan: Die ersten drei Alben sind für mich die wichtigsten. Stilbildend. Mir persönlich gefällt das Live-Album „Das grenzt schon an Musik“ mit am besten.
Durch Corona fallen auch eure Konzerte aus. Die Branche am Boden. Wo liegt für dich Hoffnung in der Krise?
Stefan: Das eine sehr schwere Frage. Man muss halt Hoffnung haben, dass ein Impfstoff gefunden wird. Wo das wahrscheinlich sehr schwierig sein wird. Wenn der Virus noch mutiert. Es kann es ja auch noch schlimmer werden. Ich denke, es wird nicht nur die Musikindustrie, sondern uns alle beuteln. Wenn wir Pech haben, fallen dann auch nächstes Jahr die Festivals usw. aus. Ob wir uns dann ins Internet zurückziehen müssen. Eine schreckliche Vorstellung. Mit einer 3D-Brille im Wohnzimmer. Eine harte Vorstellung und natürlich ist der Virus eine Gefahr, dass sich unser Leben ändern wird. Ich hoffe auf einen Impfstoff.
Was bedeuten die die folgenden Begriffe?
Amen
Stefan: Ja tatsächlich ein Album von uns (lacht). Bei dem Album habe ich aber ein zwiespältiges Gefühl. Weil damals ein Abschied bevorstand. Wir waren da auch ein bisschen orientierungslos. Aber manche Songs höre ich immer noch gerne.
Hiob
Stefan: Das war ein Album, das super Spaß gemacht hat. Auch beim Aufnehmen. Einfach eine super Zeit.
Extrabreit
Stefan: Kappe abnehmen – nachfüllbar – wasserdicht. Das stand nämlich damals auf dem extrabreiten Stift, der Schuld daran ist, dass die Band so heißt.
Flieger grüß mir die Sonne
Stefan: Das war in meiner späten Teenager Zeit zu einer Hymne. Die Hans Albers Version. Als wir die Gelegenheit hatten, das erste Album aufzunehmen, hatten wir einfach eine Version draus gemacht. Wir hatten die Akkorde rausgehört, eine Passage weggelassen und irgendwie ist da ein Studio-Joke draus geworden. Live eingespielt. War in 10 Minuten im Kasten. Hat sich aber gelohnt (lacht).
Weihnachten
Stefan: Ja die Blitz-Tournee ist für mich persönlich mit das schönste Ereignis im Jahr. Da freu ich mich das ganze Jahr drauf. Vor allem der Abschluss in Hamburg in der Markthalle. Große Familienfeste in vielen Städten. Für mich größer als das Weihnachtsfest.
Auf Ex
Stefan: Da sagen vielleicht einige, das ist der Spruch für hemmungslosen Alkoholkonsum. Aber gar nicht. Das ist eine Spielerei mit unserem Namen. Aber auch ein Tipp wie man sich das Album am besten geben soll. Am Stück (lacht).
Vielen Dank für das Interview. Die letzten Worte gehören dir.
Stefan: Was soll ich sagen? Na, vielleicht zum Album: Kauft es, hört es und liebt es (lacht). Danke auch an euch. Macht’s gut und bis bald.
Wir bedanken uns bei Stefan Kleinkrieg für das interessante Interview an einem Freitagnachmittag. Mitten im Corona Wahn leider nur per Telefon. Gerne freuen wir uns auf ein Treffen, wenn die Breiten denn wieder auf der Bühne stehen und Gas geben. Bis dahin empfehlen wir „Auf Ex!“ gerne als CD aber auch als Box. Prost und dann „Kappe abnehmen – nachfüllbar – wasserdicht!“
Interview im Oktober 2020 von Thorsten
Fotos: David Pilar
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