Mit „Brandgefährlich“ haben Emscherkurve 77 ihr neues Album veröffentlicht. Wir konnten Daniel einige interessante Fragen zu den Songs, der Entstehung und weiteren Themen stellen!
Hey Daniel, wo erwischen wir dich gerade?
Daniel: Es ist Samstag morgen und ich habe gerade gefrühstückt. Das was man halt so frühstückt, wenn man die ganze Woche mit den Magen Darm Infekt flach lag.
Euer neues Album „Brandgefährlich“ steht in den Regalen – was ist denn brandgefährlich? Die Texte, die Songs oder ihr? Warum der Albumtitel?
Daniel: Also „Brandgefährlich“ ist derzeit scheinbar so einiges. Wir sind es definitiv nicht. Bei den Songs oder den Texten stimme ich dir da schon eher zu. Wobei im klassischen Sinne natürlich nicht. Ein Song ist ja niemals wirklich gefährlich.
Der Albumtitel könnte auch für die momentane Situation stehen in der sich die Welt gerade befindet. Scheinbar jeder hat ja das Gefühl das überall gezündelt wird. Super viele denken dass da nicht mehr viel fehlt und dann knallts. Alles ziemlich krank, denn dieses Gefühl das hier alles bald auseinander fliegt, kann ich so überhaupt nicht teilen. Aber wenn man nur lange drüber spricht tritt es auch vielleicht irgendwann ein. Und das ist tatsächlich brandgefährlich.
Wie lief Entstehung des Albums in den letzten zwei Jahren?
Daniel: Also vor ziemlich genau 2 Jahren kamen so die ersten neuen Ideen für ein paar Songs. Also haben Marcel und Ich es wie immer gemacht und uns getroffen, um die ersten Songs auszuarbeiten. Da war die „Buch des Lebens“ gerade erschienen. Wir hatten schon ein paar Texte fertig und ich schnappte mir den Text zu „Gladbeck“. Ich las ihn mir kurz durch und sofort kam mir die Idee zum Anfangsriff. Danach war für uns klar, dass es uns auf dem Album um ein bisschen mehr Tiefgang geht. Das ganze Teil klingt doch etwas düsterer, als die Vorgänger.
Außerdem wollten wir ganz bewusst keine neuen Fußballsongs schreiben. Es gab keine Songs über eine verstorbene Persönlichkeit etc. Unser Wunsch war etwas zu machen das auch unserem Alter entspricht. Ich meine bis auf Spiller der nochmal älter ist, gehen wir alle stark auf die 40 zu. Da machste keine glaubwürdigen Songs mehr, wenn du „Wer lang hat, der lässt lang hängen“ singst. Das können höchstens die Kassierer machen. Aber ab einem gewissen Punkt ist das nur noch lächerlich.
Der Aufnahmeprozess im Studio lief super ab. Wir alle waren extrem gut vorbereitet und hatten somit die besten Möglichkeiten um ein gutes Album zu produzieren. Wobei ohne den Manuel (Produzent) wäre das Ding nie so geil geworden. Er hat uns in den Momenten wo wir nicht mehr weiter wußten, die entscheidenden Ideen gegeben und einen mehr als guten Job gemacht.
Ganz besonders stolz sind wir auch auf unser Artwork. Da haben wir einen ziemlich guten Freund gefunden der diese Bilder malt. Und wir haben ihn gefragt, ob er sich das vorstellen kann mit uns eine Platte zusammen zu machen. Als er ja sagte wussten wir schon, dass das Artwork großartig werden würde. Und ich finde das es sich extrem gut sehen lassen kann. Ihr solltet euch mal die Mühe machen und nach Details in den Bildern zu suchen. Ich denke ihr werdet da einiges entdecken.
Emscherkurve 77 – Es ist OK
Das Drama von Gladbeck hat natürlich alle interessiert – warum beschäftigt euch das Thema heute noch so sehr. Beziehungsweise ihr betrachtet das Thema aus einem anderen Blickwinkel und zwar aus der Sicht des Senstations-Journalisten Udo Röbel. Lebensmüde oder einfach nur krank, alles für eine Schlagzeile zu machen?
Daniel: Also schon seit Ewigkeiten haben mich/uns die damaligen Bilder fasziniert. Ich war damals 9 Jahre alt, als das passierte. Dennoch erinnere ich mich total daran. Das hat sich ins Hirn eingebrannt. Die ganze Nummer als Totalversagen der Polizei zu bezeichnen ist die eine Sache. Aber was sich die Medien hier erlaubt haben, nämlich sich zu Mittätern zu machen, das war schon eine neue Qualität. Aber mal ehrlich, sowas passiert doch heute immer noch. Die Leute sind doch weiterhin verrückt nach Sensationen. Das war früher so und ist heute nicht anders. Aber die Verbreitung ist viel schneller als früher. Durch das Internet kann jeder fast in Echtzeit sich die neuesten Schockbilder aus Syrien ansehen. Und sobald irgendwo auf der Welt ein Terroranschlag passiert, ist schon gefühlt ein N24 Reporter mit seinem Handy da, der voll auf die verkohlten Leichen drauf hält. Und wir alle schauen zu und fragen uns wie es soweit kommen konnte. Dann sind wir 10 Minuten betroffen und skippen weiter zum nächsten Foodporn Video. Denn am Ende sind wir diejenigen die das so wollen. Wir sind die kranken Schweine die das immer und immer wieder wollen.
Das Thema Tradition wird im Song „Vom alten Schlag“ behandelt – es geht um die traditionelle Liebe, das Spielen der Kinder auf der Straße und um das Dasein für die besten Freunde. Seid ihr der Meinung, dass Menschen, die vom alten Schlag sind, langsam aussterben? Wie kann man solche Werte bestenfalls vermitteln?
Daniel: Ach so ein bisschen Nostalgie ist doch auch immer gut. Wir sind nicht grundsätzlich Rückwärtsgewand, wir wollen nur nicht dass man alles vergisst was früher war. Und was ist denn bitteschön früher? Für die heutige Jugend sind die 80er soweit weg, wie zu meiner Jugend die 50er. Die Leute die mich geprägt haben sind ja leider schon teilweise verschwunden. Aber all das lebt ja in dir weiter. Und wenn es wirklich gute Erinnerungen sind dann gibt man diese an die nächste Generation weiter.
„Es ist OK“ – ein Titel über das „Immer-erreichbar-sein“ und „Immer-mehr-arbeiten-und-machen“. Man darf auch ruhig mal Nein sagen, das ist aus eurer Sicht absolut nichts schlimmes. Richtig so! Warum gibt es, deiner Meinung nach, gerade von Arbeitgebern immer weniger Verständnis?
Daniel: Ja der Song spiegelt schon irgendwie den Zeitgeist wieder. Ständig immer und überall erreichbar zu sein. Immer zu checken wer dir gerade E-Mails schreibt. Das geht vom privaten bis in das berufliche rein. Der Kopf steht ja niemals still. Immer hast du den Drang danach irgendetwas zu checken. Selbst an einem Ort wie dem Auto geht das ja weiter Und damit das auch im Auto weiter gehen kann baust du dir eine Freisprecheinrichtung ein oder sogar eine Internetverbindung. Ich erwisch mich ja selbst oft dabei. Das ist ja das schlimme. Man regt sich einerseits auf und ist andererseits ein Teil von dem was man absolut beschissen findet.
Meine Erfahrung mit meinem Arbeitgeber ist da glaube ich eine Ausnahme. Ich habe nämlich sehr gute Erfahrungen gemacht. Das geht leider nicht jedem so. Und deshalb gibt es auch im Arbeitsalltag einen Punkt an dem man mal „Nein“ zu sagen muss. Und zwar von beiden Seiten. Für mich ist auch Verständnis das falsche Wort. Sondern es geht viel mehr um eine Haltung, eine persönliche Einstellung.
Tough Magazine – Emscherkurve 77 – Gruß 2017
Für wen ist denn der Song „Für immer“? Eine nette Liebeserklärung habt ihr da geschrieben…wie wichtig ist euch das „Füreinander da sein“?
Daniel: Also da der Text von Marcel geschrieben wurde gehe ich mal aus, dass der für seine bessere Hälfte gedacht ist. In meinem Fall sag ich natürlich, der ist für meine Frau. Ja und das Füreinander da sein ist schon extrem wichtig. Wenn es dir mal schlecht geht dann weißt du meistens wer noch zu dir steht. Dann sind nämlich nur noch die Leute bei dir, die dich wirklich mögen. Die anderen haben sich dann vom Acker gemacht. Auf die kann man dann auch scheißen.
Mit „Leb wohl“ habt ihr eine Ballade geschrieben, die an alle verstorbenen Menschen gerichtet ist. Beschäftigt euch der Tod oder möchtet ihr mit den Zeilen darauf aufmerksam machen, dass die Zeit immer weiter läuft und man das Beste daraus machen soll?
Daniel: Exakt so! Diese immer gleichen Phrasen gehen mir ja sowas von auf den Sack. Aber es ist wirklich so. Jeder sollte seine Zeit hier unten genießen und jeden Tag versuchen zumindest zufrieden zu sein. Das ganze Leben kann schneller vorbei sein als einem lieb ist. Ich kenne Leute die sind beim Glühbirne reindrehen von der Leiter gefallen und sind jetzt Pflegefälle. Das sollte einem wirklich zeigen wie gut es einem geht, wenn man selber sein Leben bestreiten kann.
Ich beschäftige mich grundsätzlich nicht soviel mit dem Thema Tod. Allerdings habe ich als Kind auch schon so zwei heftige Krankheiten überstanden und habe von daher eh nen komplett anderes Augenmerk auf meine Gesundheit.
Jetzt kommen noch kurze Fragen abseits der Musik. Was ist deine größte Schwäche?
Daniel: Meine Ungeduld.
Klassiker! Du fährst auf eine einsame Insel und darfst 3 Dinge mitnehmen – welche wären das?
Daniel: Ok das ist nicht so leicht. Aber gut dann geht’s jetzt los. Meine Frau, meine Gitarre und einen Rucksack mit ner Menge Saatgut, damit ich mich selbst versorgen kann.
Emscherkurve 77 – Days of Glory
Bist du Kinogänger? Was war der letzter Film, in dem du warst?
Daniel: Ich geh gerne ins Kino, mach das aber viel zu selten. Ich glaub den letzten Kinobesuch gab es 2016. Müsste einer der neuen Star Wars Filme gewesen sein.
Serienfreund? Was liegt momentan im BluRay-Player oder läuft auf Netflix?
Daniel: Ja mit Serien wurde ich früher nie so richtig warm. Aber es gibt wirklich richtig gute mittlerweile. Ich hab mir bisher alles von House of Cards reingezogen. Und die erste Staffel von Westworld ist auch super. Aber ansonsten auch gerne so alte 80er Jahre Scheiße wie Ein Colt für alle Fälle oder Auf Achse.
Welche Musik läuft im Moment bei dir und hat dich gepackt?
Daniel: Da gibt es so einiges. Meine absolute Lieblingsband ist ja Face to Face. Von daher laufen die irgendwie jeden Tag. Ansonsten ist das Spektrum breit gemischt. Die neue Lions Law ist super. Die neue Booze & Glory gefällt auch sehr gut. Ansonsten natürlich die aktuelle Platte der Broilers.
Was war dein letztes, privates Konzert?
Daniel: Das war wohl die Broilers Show in Münster im März 2017. Auch dazu habe ich leider viel zu wenig Zeit. Aber einer meiner Vorsätze für 2017 ist wieder öfter Konzerte zu besuchen bei denen man nicht selbst spielt.
Vielen Dank, die letzten Worte gehören dir!
Daniel: OK das ging ja alles ganz fix. Danke für eure guten Fragen. Hat Spass gemacht die zu beantworten. Und wir hoffen natürlich noch das wir noch einige Shows in 2017 und 2018 spielen können. Diejenigen die uns bisher verpasst haben, die haben noch mehrere Möglichkeiten uns zu sehen. Die ganzen Termine findet ihr unter www.facebook.com/emscherkuve77
Ich hoffe man sieht sich. Bis dahin zieht euch die neue Platte rein.
Interview von Florian Puschke im April 2017
Foto: stage-line-art.de
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