Wir hatten bereits über das aktuelle Album „Hallo, Startblock“ von 100 Kilo Herz berichtet. Nach unserer Review hatten wir noch ein paar Fragen im Kopf die wir den Jungs gerne stellen wollten. Marco hat uns diese beantwortet und mehr könnt ihr nachfolgend erfahren:
1. Mit „Hallo, Startblock“ steht bereits euer 4. Studioalbum in den Startlöchern, gleichzeitig habt ihr mit Steffen einen neuen Sänger an Bord. Kann hier eine Verknüpfung zum Albumtitel gesehen werden? Der Startblock als Beginn eines neuen Bandkapitels?
Marco: Ja und nein. Irgendwie dachten wir tatsächlich, dass das Thema mit Steffen als den „Neuen“ am Gesang durch ist. Aber da waren wir wohl etwas naiv. Aber jetzt im Nachgang, passt auch das wie die Faust aufs Auge. Ich mochte von Anfang an, den Vergleich zu „Hallo, Endorphin“ von „But Alive“, aber irgendwie war es natürlich schon der Startschuss in die durchaus optimistischere Seite von 100 Kilo Herz.
2. Wie seid ihr auf Steffen als neuen Sänger gekommen? Gab es bei euch eventuell Zweifel, wie eine neue Stimme bei den Fans ankommt, oder denkt man da einfach nach vorne und macht sein Ding?
Marco: Rodi hat eine sehr charismatische Stimme. Und Rodi hat bis dato all unsere Texte geschrieben. Wir haben also nicht nur unseren Sänger, sondern auch unsere Texter verloren. Und deswegen wollten wir kein Duplikat, sondern etwas anderes. Und wichtig war für uns tatsächlich in erster Linie, jemanden zu finden, der eben auch Geschichten zu erzählen hat. Und dann kam irgendwie sehr schnell von Falk der Name „Grundhass“ ins Spiel. Und der Rest ist mittlerweile Geschichte. Es fühlt sich gut an und ich glaube, da hat sich einfach gefunden, was zusammen gehört.
3. Könnt ihr uns etwas über das Songwriting des neuen Albums verraten? Wie entstehen bei euch neue Lieder, kommt jeder mit Ideen in den Proberaum oder ist das eher ein Prozess aus gemeinsamen Jammen?
Marco: Dieses Mal, war es aufgrund der räumlichen Trennung etwas anders. In der Vergangenheit wurde mehr im Proberaum gejammt, und da sowohl Claas in Hamburg, als auch Steffen in Berlin lebt, war die gemeinsame Zeit im Proberaum eher knapp. Also entstanden tatsächlich sehr viele unterschiedliche Ideen, in den einzelnen Hobbyräumen. Von jedem kam so ein bißchen was. Und im letzten halben Jahr vor dem Tonstudio wurden diese dann im Proberaum beim Jammen verfeinert und final ausgearbeitet.
4. Auch ihr bezieht als Band politisch und gesellschaftlich Stellung und regt zum Nachdenken über Dinge an, die in diesem Land falsch laufen. Wie wichtig findet ihr es, dass Bands eine klare Haltung zeigen? Wurdet ihr deshalb schonmal angefeindet oder sogar bedroht?
Marco: Uns ist klar, dass wir mit unserer Musik nicht die Welt verändern. Aber die Dinge auf der Welt beschäftigen uns, also sind sie in irgendeiner Art und Weise der Quell unserer Musik. Heutzutage unpolitisch zu sein, ist meiner Meinung nach nicht mehr möglich. Die Dinge laufen global aktuell so aus dem Ruder. Die Ungleichheit war noch nie so groß, rechte Argumente noch nie so in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Wir wollen eigentlich nur Menschen Kraft und geben und vielleicht auch uns selbst ein bißchen zum Kämpfen und Durchhalten animieren. Aber wir finden in erster Linie in der linken Bubble statt. Viel wichtiger ist es im normalen Leben laut zu sein und innerhalb der Familie, des Arbeitsumfelds oder wo auch immer, eben genau diese Lügen nicht unwidersprochen stehen zu lassen. Und ich finde es beispielsweise unglaublich stark und so wichtig und richtig, das Menschen wie Roland Kaiser auf ihren Konzerten da mittlerweile auch ganz klar Stellung beziehen.
5. Welche der neuen Songs machen euch besonders Spaß live zu spielen? Hat man als Musiker schon im Studio ein Gefühl dafür, was beim Publikum besonders gut ankommen könnte?
Marco: Wir selbst wussten bis zum Studio noch gar nicht so richtig, was funktioniert und was nicht. Klar hat man schon seine Favouriten, aber erst mit der Reifung im Studio haben sich ein paar Songs herauskristallisiert, die wir selbst noch gar nicht so auf dem Schirm hatten. „Dazugehören“ ist da das beste Beispiel. Der Song war nie als Single angedacht, und dann wurde er auch noch die erste Singleauskopplung vom Album. Live machen „Eh ok“, „Dazugehören“ und „Wir sind hier nicht in Seattle“ für mich am meisten Spaß.
6. Gab es Riffs, Ideen oder sogar fertige Songs, die es nicht aufs Album geschafft haben? Wie entscheidet ihr was schlussendlich aufs Album kommt und was wieder in der Schublade landet?
Marco: Wir hatten wirklich viele Ideen dieses Mal. Da nimmt jeder von uns ein paar Demos zu Hause auf. Mal nur ein Riff, mal komplette fertige Songs. Und davon haben wir uns dann einfach an die vermeintlich 12 besten Ideen fürs Studio gesetzt. Der Rest ist dann durchs Raster gefallen. Aber da waren auch noch einige Perlen dabei.
7. Im Moment befindet ihr euch auf Tour, könnt ihr uns einen kurzen Einblick geben, wie so ein Tag auf Tour bei euch aussieht? Vielleicht gibt es auch die ein oder andere lustige Anekdote hierzu?
Marco: Jetzt zum Zeitpunkt des Interviews spielen wir unsere letzten beiden Open Air Shows. Das ist tatsächlich noch etwas anderes, als unsere eigenen Konzerte auf der Tour. Aber wir reden eigentlich jeden Tag über die Tour. Wie soll das Bühnenbild aussehen, Backdrop, Licht, Merchandise usw. – und da merkt man tatsächlich, dass es langsam wieder ernst wird. Festival ist irgendwie mehr wie Klassenfahrt und Freundschaftsspiel, und Tour ist dann mehr wie die eigentlich Punktspielsaison. Und dann wollen wir überall drei Punkte mit nach Hause bringen. Auf den Festival sind immer genug andere Leute und andere Bands. Da gibt es eigentlich immer was zu tun. Auf Tour steigst du in den Bus, wirst irgendwo ausgespuckt. Dann Aufbau, Soundcheck, warten, Show spielen und genießen, dann wieder Abbau, einladen, Hotel und am nächsten Tag alles von vorn.
8. Bleiben wir beim Thema Konzerte und Live-Shows. Ich habe das Gefühl, dass die Branche hier eine ungesunde Entwicklung erlebt. Ticket-Preise explodieren, Eventim und Co bauen sich Monopole auf und verbuchen große Künstler für sich alleine, kleine Clubs oder Festivals kämpfen ums Überleben, so musste unter Anderem das bei mir um die Ecke beheimatete „Rocco del Schlacko“ nach 25. Jahren sein Ende bekannt geben. Wie seht ihr diese Entwicklung? Was könnte eurer Meinung nach der Branche helfen oder dieser Entwicklung entgegenwirken?
Marco: Wir sind hier selbst hin und hergerissen. Natürlich ist es geil auf dem Highfield, dem Hurricane oder dem Deichbrand etc. zu spielen und ja da verändert sich gerade eine Menge. Auf der anderen Seite kommen wir aber auch komplett aus der DIY-Ecke und sind mit Festivals wie dem Rock am Kuhteich oder Rock am Berg in Merkers quasi groß geworden. Das sind die Perlen mit sehr viel verbundener Freundschaft. Und diese Freundschaften möchten wir auch gern beibehalten und versuchen hier zu empowern wie es uns eben möglich ist. Wir wissen genau wo wir herkommen, aber wir hoffen auch, dass man uns trotzdem auch die Ausflüge zu den kommerziellen Festivals gönnt. Hier erreichst du außerhalb unserer gewohnten Bubble mal „normale“ Leute, denen unsere Themen noch nicht so geläufig sind. Wenn da eine Ansage zu mehr Flinta-Bands auf den Bühnen kommt, oder zum Thema Übergriffigkeit merkst du, dass da noch einige überfordert sind. Und insofern gelingt uns vielleicht auch da der Brückenschlag. Aber das ändert natürlich nichts an dem von dir genannten Problemen.
9. Wie steht ihr zum Thema Spotify oder generell Musik streamen? Oder dann doch lieber klassisch per CD oder Vinyl Musik genießen?
Marco: Ich bin totaler Vinyl-Junkie und liebe da die verrücktesten Ausführungen, aber die meiste Zeit zum Musikhören, hast du nunmal beim Autofahren oder unterwegs sein. Da kommt man an Streaming-Diensten aus praktischen Gründen leider kaum vorbei. Und da gibt es leider keinen, der frei von schlechten Einflüssen und Taten ist. Über Spotify brauche wir da aktuell nicht reden. Aber irgendwie scheint es mir, als hat man da nur die Wahl zwischen Pest oder Cholera.
10. Was wünscht ihr euch für die Zukunft? Gibt es Ziele, die ihr euch als Band vorgenommen habt? Orte, wo ihr mal live spielen wollt, andere Künstler, mit denen ihr gerne zusammenarbeiten wollt?
Marco: Wir lassen alles auf uns zukommen. Was Ziele anbetrifft, haben wir sicher schon mehr erreicht, als wir je zu träumen gewagt hätten. Insofern versuche ich alles zu genießen und auch mal das Business abzuschalten und mich nur auf die Musik zu freuen. Ich liebe die Interaktion mit dem Publikum, vor allem auf Veranstaltungen, wo man uns noch nicht kennt, oder bei denen wir vom Genre überhaupt nicht reinpassen. Das sind meine absolutes Highlights, also irgendwelche Hardcore/Metal-Festivals oder eben so Sachen wie das Elbenwald-Festival in diesem Jahr.
11. Gibt es etwas ganz Besonderes, was ihr eueren Fans da draußen mitteilen wollt?
Marco: Unterstützt die kleinen Clubs und die kleinen Bands. Geht statt einmal auf ein Konzert für 100,00 EUR lieber 10x in die Jugendzentren um die Ecke für 10,00 EUR und kauft eure Tickets im Vorverkauf, damit alle etwas mehr Planungssicherheit haben. Seid rücksichtsvoll und respektvoll zueinander. Passt auf euch und eure Liebsten auf.
Wer sie live noch erleben will hat ab November noch die Chance dazu:
07.11. Hamburg // Knust
08.11. Düsseldorf // Zakk
21.11. Kassel // Goldgrube – AUSVERKAUFT!
22.11. Nürnberg // Z-Bau
28.11. Berlin // SO36
29.11. Rostock // Peter-Weiss-Haus
05.12. Hannover // Faust
06.12. Stuttgart // JuHa West
Foto Credit: Ania Sudbin
Interview von Florian Goergen
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