„Stell(t) dicht / euch mal bitte vor“, so liest man oft in Interviews. „Stell(t) dicht / euch mal bitte vor“, muss man zu Dirk Bernemann aber sicher nicht mehr sagen. Denn schon seit vielen Jahren ist Dirk Bernemann sowohl in der Musik- als auch Literatur-Szene ein Begriff. Als Musiker hat dieser Banderfahrung sowohl im Punk als auch im Electropunk Bereich. Als Autor erfolgreich auf Poetry-Slam Wettbewerben (stimmt nicht!!!) aber auch mit vielen Büchern am Start. Ich hab die Unschuld kotzen sehen ist dabei schon fast ein Klassiker! Zum release seines neuen Werks „Schützenfest“ hat sich Dirk Bernemann Für einige Fragen zur Verfügung gestellt. Seid gespannt auf die Antworten.
Hey Dirk, schön dass du dir die Zeit fürs Interview nimmst. Wobei erwischen wir dich gerade?
Dirk: Ich komme grad von einem Sonntagsspaziergang nach Hause. Der Sonntagnachmittag ist dafür der klassisch perfekte Tag.
„Stell(t) dicht / euch mal bitte vor“ hörst du bestimmt immer weniger. Man kennt dich in der Szene. Mittlerweile veröffentlichst du sogar bei Heyne. Wie fühlst du dich gerade nach dem Release von „Schützenfest“?
Dirk: Sehr gut und ein bisschen erleichtert. Viel Ballast ist abgefallen. Immerhin hat mich dieser Roman von der Idee bis zur Fertigstellung rund 3 Jahre beschäftigt.
Angefangen hast du nicht direkt als Autor. Du warst im Punk- aber auch im Elektropunk Bereich aktiv. Was ist aus deinen Bands geworden?
Dirk: Größtenteils Auflösung. Ich habe aber auch gemerkt, dass mir Musikmachen nicht mehr soviel gibt. Ich komponiere nur noch zum Spaß, für nichts mehr, was öffentlich aufgeführt werden soll, hab immer mal wieder Ideen für Songs aller möglichen Genres. Kann trotzdem sein, dass ich 2022 nochmal ein Technoalbum rausbringe.
Welche Musik hörst du privat?
Dirk: Situationsbezogen und befindlichkeitsentsprechend. Das variiert von Tag zu Tag, manchmal sogar von Stunde zu Stunde. Ich gehe gern in die Tiefe, wenn ich ein Künstler oder eine Künstlerin stark interessiert. Derzeit höre ich sehr viel aggressive, klassische Musik.
Was ist dir am Musikgenre wichtig? Was findest du mit den Jahren eher unwichtiger?
Dirk: Emotionale Schnittmengen. Ich muss berührt sein, durch irgendwas, Geräusche, Worte, Klang. Unwichtig finde ich eher die konkrete Einordnung in bestimmte Genres.
Von der Musik zur Literatur. Wie kam es zu deinen ersten Texten?
Dirk: Notwehr, ich habe ein Ausdrucksmittel gesucht, mit dem man der Welt, wie sie sich zeigt, offensiv und trotzdem kultiviert begegnen kann. Man kann sagen, es hat sich dabei um Ideen gehandelt, die ich auch gerne gesungen hätte. Meine ersten Lyrikversuche waren eher so Klangbaustellen, inspiriert von Blixa Bargeld oder Bukowski.
„Ich hab die Unschuld kotzen sehen“ als Erzählungsband hat über die Jahre viele Fans gewonnen. Auch wurde der Band fortgesetzt. Wie siehst du dein „Debüt“ heute?
Dirk: Ja, es gibt genauer gesagt vier Teile dieser Reihe, die sehr gut meine Entwicklung als Autor über die Jahre zeigen. Teil 1, der übrigens schon 16 Jahre alt ist, ist voller Plattitüden und streckenweise auch Dummheiten, die ich heute nicht mehr schreiben würde. Aber es ist mein Erstlingswerk, da gehört das wohl dazu, mit Naivität zu glänzen. Was mich hingegen immer noch wundert, ist die Tatsache, dass dieses Buch immer von vielerorts nachgefragt und besprochen wird. Ich habe diesem kleinen Band viel zu verdanken, das Schönste ist wohl, motiviert gewesen zu sein, als Autor weiterzumachen.
Auch wurde dieses Buch (ebenso wie die Fortsetzung) im Theater aufgeführt. Wie kam es hierzu? Ist auch mal etwas für Film und Fernsehen geplant?
Dirk: Ja, es gibt verschiedene Theaterversionen. Es gibt immer wieder verschiedene Anfragen für Filme, aber dieses Business ist sehr zäh, noch niemand, der die Filmrechte hatte, hat das Buch komplett umgesetzt. Angefangen damit haben aber schon einige. Aber wenn da draußen eine mutige Regisseurin oder ein talentierter Regisseur mitliest, kümmert euch drum, ich hätte Bock darauf. Theater war ja schon eine mächtige Erfahrung, also sein eigenes Werk durch die Münder und Körper geübter Profis fließen zu sehen, hat mir sogar ein paar Rührungstränen abgenötigt.
Apropos Theater. Auch dein eigenes Stück „Bella Noir, 2 Zigaretten Demut“ wurde 2016 aufgeführt. Hast du auch weitere Pläne für Theaterstücke?
Dirk: Ja, immer mal wieder, ich habe was fertig, aber dazu gehört auch immer eine Spielstätte, die darauf Bock hat. Sowas zu organisieren, sogar mit einer Pandemie im Rücken, ist für viele ein verständliches Risiko.
Nach der Unschuld hast du viele starke Bücher geliefert. Man konnte fast die Uhr danach stellen. Zum Teil, mehrere Bücher pro Jahr (die meisten beim Unsichtbar Verlag). Wenn du über deine Bücher schaust, welches liest du gerne selbst? Bist du überrascht, wenn du ältere Texte liest?
Dirk: Ich habe nicht wirklich ein Lieblingsbuch von mir, ich lass die Werke los, wenn sie für mich den. Anschein erwecken, fertig zu sein. Ich sehe Literatur ja auch als Kommunikation. Und das ist mein Wortbeitrag und dann können gerne alle, die sich berührt fühlen, mitreden. Ältere Texte überraschen mich nicht, ich habe einen guten Überblick über mein Werk, das heißt, ich weiß auch genau, was ich wann, warum und wo geschrieben habe und wie es mir da ging.
Eines deiner interessanten Bücher ist vielleicht „Klara“. Mit Jörkk Mechenbier und Jan Off. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Dirk: Wir sind befreundet und schätzen das Werk der anderen jeweils sehr, ich glaube, das war die Basis dieser erfreulichen Zusammenarbeit.
Nicht nur bei „Klara“, auch bei deinen älteren Werken schreibst du (unter anderem in Kurzgeschichten) über viele Schonungslose Schicksale, absurde Situationen aber und auch menschliche Abgründe. Woher nimmst du deine Inspiration?
Dirk: Schau dich um. Uns umgibt soviel Absurdes, so viel Härte, so viel Geistlosigkeit, aber auch gleichermaßen soviel Schönes, soviel Liebe und Solidarität. Ich habe es zum Glück noch nicht geschafft, ein Menschenfeind zu werden, weil auch die ganzen negativen Eigenschaften zum Menschlichsein dazu gehören. Ich versenke einfach meine Antennen in die mich umgebende Realität und daraus entsteht dann die Literatur.
Für dein neues Werk „Schützenfest“ hast du dir länger Zeit gelassen als sonst? Bist du beim Schreiben diesmal auch anders an die Sache gegangen?
Dirk: Mein neuer Roman „Schützenfest“ ist ein Buch, das aus einer persönlichen regionalen plus der dazu passenden Erfindung von Einzelschicksalen besteht. Sowas habe ich aber immer schon gemacht, auch bei kürzeren Texten. Sowas jetzt als Roman zu machen, setzt natürlich eine etwas intensivere Arbeit mit dem Stoff (hier: Heimatroman aus der westfälischen Provinz) voraus. Ich bin also nicht anders vorgegangen, aber intensiver.
„Schützenfest“ ist ein Buch über die Provinz, die Hauptstadt, und einen Mann, der von der Provinz in die Hauptstadt gezogen ist. Die Rückkehr ist aber schwerer als gedacht. Wie kam es zu der Story? Finden sich auch autobiografische Ansätze darin? Immerhin lebst du in Berlin.
Dirk: Das ist immer eine Frage, die ich nicht vollständig beantworten kann. Es sind natürlich Gedanken und Gefühle von mir drin, die sich dann aber mit ganz anderen, frei erfundenen Gegebenheiten und Emotionen vermischen. Das Geile an Kunst ist doch, das niemand wirklich beschreiben kann, woher sie wirklich kommt.
Deine Hauptperson nimmt uns Leser*innen mit in eine Fahrt zurück zur Kindheit aber auch in eine Fahrt in die eigene Persönlichkeit. Sicher ist in jedem von uns irgendwie ein Gunnar versteckt. Was bedeutet Gunnar für dich? Kannst du dir vorstellen auch weiter über ihn zu schreiben?
Dirk: Gunnar ist eine Projektionsfläche. Ich habe ihn erfunden, weil ich jemanden wie ihn brauchte, der durch die Kulissen meines Romans mäandert. Er ist eine meine Romanfiguren, also habe ich natürlich eine geistige und emotionale Nähe zu ihm aufgebaut im Prozess des Schreibens. Ich glaube ich habe ihn ganz gut erfasst, was seine westfälische Herkunft angeht. Ja, ich habe schon darüber nachgedacht, wie es mit Gunnar Bäumer weitergehen könnte, aber ich denke auch darüber nach, welche Zutaten eigentlich in Brot sind. Also es ist nichts Konkretes geplant, was eine „Schützenfest“ Fortsetzung betrifft.
Die ersten Kritiken auf das Buch sind sehr positiv. Wie wichtig sind dir Kritiken von Freunden, Fans und Presse?
Dirk: Ich sehe mir das schon an, aber schlechte Kritiken haben keinen Einfluss mehr auf meine Befindlichkeit, das war früher anders. Ich freue mich auch über jeden, der sich mit meinem Werk auf irgendeine Weise beschäftigt. Also Kritik ist immer willkommen, weil dann erst, wenn sie wirklich fundiert ist, macht dieser Gedanke Sinn, dass Literatur als Kommunikation funktioniert und Antworten braucht und benötigt. Ich finde es immer gut, wenn Leute über Bücher sprechen.
Du bist jetzt bald auf Lesetour. Was erwartet die Zuhörer*innen auf dieser Reise?
Dirk: Sofern die Coronaregularien es erlauben, finden ungefähr 10 Lesungen statt, die Termine stehen auf meiner Homepage www.dirkbernemann.de – an diesen Abenden steht der Roman natürlich im Vordergrund, ich werde daraus vorlesen, aber auch neue Kurzgeschichten dabei haben.
Wirst du auch „Schützenfeste“ in den jeweiligen Städten besuchen wollen?
Dirk: Nein, ich weiß genug über Schützenfeste, um Schützenfeste beurteilen zu können.
Nach der Lesereise ist vor… Auf was können wir uns in Zukunft freuen?
Dirk: Da ist noch nichts spruchreif. Das große „Ich arbeite da an was sehr Besonderem“ lass ich jetzt mal weg, weil ich arbeite, wenn ich arbeite, immer an was Besonderem. Zumindest versuche ich das, behaupte es dann und tue viel dafür, meiner Behauptung zu entsprechen.
Kommen wir zum Schluss des Interviews zu Gedankenblitzen. Was bedeuten dir die folgenden Begriffe?
Punkrock
Dirk: Wichtige Musik, die mich immer wieder berührt.
Satt Sauber Sicher
Dirk: Mein drittes Buch, aus heutiger Sicht, naja, aber damals: Yeah!!!
Gefühlsbüffet
Dirk: Guter Neologismus, ich liebe emotionale Snacks, die schwer im Gemüt liegen
Ausfallende Umarmungen
Dirk: Hach ja, mein Buch von 2016, liebe ich immer noch sehr, wenn Umarmungen ausfallen, gibt es kaum etwas Ersetzendes dafür.
Theater
Dirk: Liebe ich wegen der Direktheit.
Einhörner
Dirk: Sind Arbeitspferde mit Hirntumoren.
Interviews in Corona Zeiten
Dirk: Sind nur gut, wenn Corona nicht im Mittelpunkt steht, was ich sehr gut an diesem Interview fand. Hey, Dirk, wie war Corona für Dich? Hey Welt, jeder erzählt im Prinzip die gleiche Geschichte, weil der Rahmen der Pandemie einfach so ist.
Tough Magazine
Dirk: Übersichtliche gute Seite
Wir bedanken uns bei dir für die Zeit, die du dir genommen hast? Natürlich gehören die letzten Worte dir. Also los :)…
Dirk: Ich möchte mit nichts zitiert werden, was ich nicht gesagt habe, also sage ich nichts.
Tatsächlich haben wir uns sehr gefreut, dass Dirk Bernemann sich die Zeit genommen hat. Termine findet man unter anderem auf der Facebook-Seite. Aber nicht nur für Termine lohnt es sich, dort vorbeizuschauen. Einfach mal ein Auge drüber rollen lassen. Wir wünschen viel Spaß.
Interview von Thorsten im Oktober 2021
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