Harpyie – Anima

Auf den Schwingen der sagenumwobenen Harpyien, die in der altgriechischen Mythologie als Töchter der Winde den Willen der Götter ausführten, wagen wir uns mit der gleichnamigen Band und ihrem brandneuen Album „Anima“ auf eine kühne Reise durch Kulturen, Elemente und Epochen. Abenteurer, packt eure sieben Sachen! Die fünf Folk- Metaller aus Bad Oeynhausen haben die Klingen gewetzt und wollen der Szene neuen Odem schenken.

Der Opener und Titeltrack „Anima“ eröffnet das Album mit einer imposanten Predigt vor fallendem Regen: „Es glaubt wir seien seine Untertanen! Sein Gott hat es ihm gesagt! Es errichtet seinen Bau mitten zwischen uns und verdrängt uns aus unserer Heimat!“ Wer die jüngere Filmgeschichte aufmerksam verfolgt hat erkennt die Hommage an Planet der Affen und die daraus zitierte Glaubenslehre der Primaten. Düster wälzen sich die Double- Bässe gepaart mit einer hektischen Geige zum Einklang der LP, während Frontmann Aello, genannt die Windböe, das Ende der Ära des Menschen ankündigt.

„Ambra“ startet melodisch und steigt erst nach einigen Sekunden mit heftigen Gitarren und Schlagzeug ein. Die Reime, die sich thematisch alle um den Walfang und die damit verbundenen Erzeugnisse drehen, erinnern in ihrer Darbietung sehr stark an einige Rammstein- Songs der 90er Neuen Deutschen Härte. Durch die Analogien wird automatisch ein Anspruch auf sehr schwierigem Terrain gestellt, den es zuerst zu untermauern gilt.

Mit „Schneeblind“ zeigt die Fidel unter Mechthild Hexengeige sehr imposant, dass sie mit den harschen Gitarren und Drums durchaus zu harmonieren weiß. Gezupfte Melodien im Background schaffen ein zusätzliches Setting, das den Eindruck eines dichten Schneesturms erzeugt. Lautmalerisches Intermezzo geglückt!

Der folgende Song dreht sich um die Sehnsucht des Menschen nach dem Himmel. „Flieg“ handelt vom Mut der ersten Piloten und kommt durch seine unterstrichene Geige und das Rasseln im Hintergrund recht mittelalterlich daher. Das Tempo wird im Allgemeinen gedrosselt, die melodiösen Parts drängen in den Vordergrund.

Abwechslung schreibt sich im Hause der Harpyie groß, was  man gerne mit Ausflügen in gänzlich neue Klangwelten belegt. „Rasputin“ spielt beispielsweise mit Schifferklavier und russischen Chören auf, die abgehackte Gitarrenriffs begleiten und den umstrittenen Wanderprediger aus dem kalten Osten besingen, was bisweilen sogar in der Landessprache präsentiert wird. Es entsteht mehr und mehr ein durchaus beeindruckender Fundus an Registern die auf „Anima“ gezogen werden.

„Totem“ wechselt die Szenerie radikal und wird mit indianischen Flötentönen, beschwörenden Schamanenchören und harten Gitarren eingeleitet. Die Lyrics verlieren hier allerdings vor allem im Refrain stark an Qualität. Reime auf Grundschulniveau und oberflächliche Themenbearbeitung. Dennoch passt das Lied gut zum Konzept der Platte und unterstreicht noch einmal das vielseitige Auftreten der Band.

Eine Spieluhr markiert das Intro zu „Vom Alten Eisen“. Es ist ein erneuter Versuch Abwechslung zu bieten. Der Track wirkt jedoch bis auf ein ansprechendes Geigensolo im Mittelteil eher belanglos und leidet, ähnlich wie der Vorgänger, an mangelnder Substanz im Hinblick auf die thematische Aufarbeitung. Der anfangs so mitreißende Charakter des Albums verliert sich auf diesen Songs, die im Vergleich zum Einstieg trivial anmuten.

Erneuter Wechsel des Bühnenbildes: Mit „Dynamit“ und seinen Flöten und Blechtrommeln begibt sich der Hörer mitten in die 1860er Jahre. Erheiternd ist in jedem Fall der Wortwitz im Refrain, der den Namen Alfred Nobels mit einbezieht. Auch die Tempowechsel des Songs können punkten.

„Jagdfieber“ erinnert unerträglich an Waidmanns Heil von Rammstein, kann jedoch nicht annähernd am großen Idol kratzen. Thematik, Riffs und Blasinstrumente lassen keinen anderen Schluss mehr zu: Hier versucht man sich mit der Königsklasse der deutschen Schwermetallszene zu messen.

Die „Berserker“, die sich vor dem Kampf mit Pilzen und Kriegsgesängen in Trance versetzten, galten als die furchterregendsten Krieger der Wikinger. Auf diesem Terrain können Harpyie wieder punkten, die Authentizität des Songs steht in keinem  Verhältnis zu „Jagdfieber“ oder „Dynamit“. Eigene Thematiken zu finden steht dem Quintett um Längen besser als die Anlehnung an Bestehendes.

„Löwenherz“ bedient den Albumtitel erneut sehr gut. Allerdings hat man auch hier den Eindruck, dass die Lyrik aus Vorschulbüchern entnommen wurde: „Ich bin klein, mein Herz ist rein, ich möcht so gern ein Löwe sein.“ Aus einem derart ausdrucksstarken Titel hätte man mehr machen können.

Epischer wird es noch einmal auf „Schöne Neue Welt“. Die Dekadenz der Menschheit und der ökologische Verfall der Erde ist das Thema, was melancholisch von Geigen und wütend von Gitarren untermalt wird. Hier keimen erneut die Fähigkeiten der Band auf!

Der Bonustrack „Unter Geiern“ wirkt irisch inspiriert und zeichnet mithilfe der Fidel und rhythmischen Trommeln die Szene eines Lagerfeuers. Die animalische Thematik wird inhaltlich noch einmal gut behandelt, während anheizende Chorusgesänge einen gemeinschaftlichen Gesamteindruck schaffen.

Fazit: Man muss Harpyie eines absolut zweifelsfrei attestieren: Instrumental wird auf „Anima“ alles menschenmögliche getan, um ein vielseitiges Hörerlebnis zu erzeugen! So viele Szenearien bringen selbst manche Hollywood Blockbuster nicht auf die Leinwand. Wo sich jedoch auf der einen Seite um so viele liebevolle Details bemüht wurde, fehlt es dem Album an zahlreichen Stellen an einem erkennbaren eigenen Stil. Thematische Ausflüge in fremdes Terrain, oberflächliche Aufarbeitung der Inhalte und einfachste Reime schaffen einen eher profanen und fantasielosen Eindruck. In der Band und dem Album steckt dennoch sehr großes Potential und Mühe. Fans von Saltatio Mortis, Schandmaul und Vogelfrey freuen sich hier auf jeden Fall!

Review von Lucas

Harpyie – Berserker

Dieser Artikel wurde am: 6. Juli 2017 veröffentlicht.

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