Eigentlich hatte ich vor, heute hier einen hübschen, aber bereits zwei Jahre alten Text über meine Musiksozialisation vorzulesen, weil er indirekt mit dem heutigen Datum zu tun hat, aber dann erinnerte mich eine liebe Freundin daran, dass ausgerechnet heute ja Vatertag sei, und angesichts dieses Großereignisses verblassen natürlich alle anderen Momente. Darum habe ich sofort einen Text über den Vatertag verfasst, doch ich muss zugeben, er ist nicht besonders gelungen, denn ich finde das Thema durchaus enorm uninteressant.
Selbstverständlich gratuliere ich meinem Papa herzlichst, vor allem dafür, dass ich ihn niemals „Papa“ nennen musste, schließlich hat er einen Namen und viele Vaternebenfunktionen, aber eigentlich müsste ich wohl eher mir für einen derart gelungenen Papa gratulieren. Jemanden jedoch zu meiner Existenz zu beglückwünschen, das ist mir doch etwas zu viel Liam Gallagher. Aber ich danke meinem Vater sehr dolle, für mein Dasein und mein duftes BMX- Rad, um nur zwei Sachen zu nennen.
Gefeiert haben wir den Vatertag damals eigentlich nie, schließlich ist am gleichen Tag Christi Himmelfahrt, und da hatte man als Messdiener schon genug Terminstress, bevor man sowieso am Kloster Heisterbach schlussendlich komplett dehydriert umkippte, weil man mit Weihrauchfass stundenlang in der Sonne strammstehen musste.
Fairerweise sei erwähnt: so richtig zelebriert haben wir damals auch den Muttertag nicht, eine Blume hier, ein Küsschen dort, c’est ca. Ehrlicherweise habe ich mir persönlich erst vor ein paar Jahren das Datum überhaupt merken können, doch seitdem versuche ich durchaus, stets mit ein paar reizenden Zeilen das mütterliche Herz zu erwärmen. Erfreulicherweise meist erfolgreich, aber es sind halt auch nur kleine Gesten, zugegeben. Doch für gemeinsames Tassen hoch und Sektkorkengeböller finden wir in meiner Familie locker andere Gelegenheiten, zum Beispiel Dienstag oder Balkon oder so.
Hier und da hörte ich in neuerer Zeit, dass ich mir den Begriff „Muttertag“ langsam mal abschminken und gegen den weniger eingrenzenden Begriff „Frauentag“ austauschen sollte, und da gibt’s bestimmt 1000 gute Gründe, aber ich kann ja nicht immer die Toten Hosen zitieren, wenn ich nicht weiterweiß…
Allen Frauen danke ich sowieso jeden Tag im Jahr von Herzen, denn sie sind mir, nach Katzen, die zweitliebsten Geschöpfe. Männer kommen irgendwo hinter Opossums, die ja auch voll in Ordnung gehen, aber doch meiner Meinung nach allgemein sehr überschätzt werden.
Der Vatertag heißt auch Männertag, ich weiß nicht, ob das historische Gründe hat, oder ein paar Männer wieder rumgeheult haben, dass „wenn es einen Frauentag gibt, dann muss aber auch für Männer usw.“
Ihr kennt dieses unselige Jammern, man hört es aus den gleichen Kehlen beispielsweise auch, wenn eine Kantine einmal im Jahr mehr vegetarische Alternativen als Fleischgerichte zur Auswahl anbietet.
Liegen in öffentlichen Toiletten gratis Damenbinden aus, fordern sie wutschnaubend umgehend Rasierklingen für lau, ansonsten wäre die ganze Gleichberechtigung für die Katz. Besagte Katz leckt sich indes kurz unbeeindruckt die Pfoten und legt sich wieder pennen, weil ihr das Genöle schlicht zu blöd ist, und ich bezweifle, dass Opossums sich ähnlich überlegen verhalten, aber das nur nebenbei.
Ich weiß nicht, ob das alles wirklich der Wahrheit entspricht, doch Fakt ist, dass alle Männer, denen ich für ihre Existenz dankbar bin, gemein haben, dass sie niemals Männertag feiern würden.
Zwar ist Feiern eigentlich grundsätzlich prima, doch das Motto „Männertag“ klingt einfach zu sauertöpfig trotzig in seinem Ausschlussverfahren, um wirklich reizvoll auf mich zu wirken.
Man riecht doch förmlich schon den Feinripp mit Erbsensuppenklecksen drauf, und kann sich des Verdachts nicht erwehren, dass hier das Gebot „Heute ausschließlich nur wir Männers“ mehr aus der Not hinterher drumrum gebaut wurde. Auch wenn das natürlich Quatsch ist. Doch die Männertagsversammlungen verströmen für mein Empfinden schlichtweg die unseligen Testosteron-Vibes von büblischen Junggesellenabschieden, leider aber ohne deren juvenile Vorfreude und völlig frei von Optimismus..
Und die Idee, in einer Gang in die Welt hinaus zu ziehen, um gemeinsam aufregende Abenteuer zu erleben, finde ich selbstverständlich super, aber weder die drei Fragezeichen, noch die Avengers haben das je mit überdimensionierten Trinkhelmen gemacht, und auch die Goonies oder die Jungs aus „Stand by me“ hätten sicher weniger erlebt, hätten sie einen blöden Bollerwagen hinter sich hergezogen.
Klar, der Weg ist das Ziel, das weiß man seit „The Fast and the Furios“, doch auch bei diesem Vergleich schneiden die Bollerwagengesellen eher schlecht ab, zumal neben dem Tempo auch ihr Soundtrack meist viel mieser ist.
Überhaupt ist der Bollerwagen doch sowieso viel eher ein Symbol für aufopferungsvolle Mutterschaft als für männliche Toughness, jedenfalls spätestens seit Oma Schlönzke aus „Kein Pardon“. Schließlich ist „die ganz allein nachts mim Bollerwagen…“, und nicht Jason Statham.
Nein, nein, ein wirklich gelungener Männertag wäre für mich, zusammen mit Manfred Krug und Charles Brauer in einer gemütlichen Altbauwohnung zu sitzen, auf dem Plattenteller drehen sich wundervolle leicht kratzige Aufnahmen von Count Basie, und unsere Dialoge wären so schillernd pointiert, als hätte sie Jurek Becker geschrieben. Ich bin überzeugt, mir würde plötzlich sogar der Cognac schmecken.
Doch bei der Vorstellung, während aus tragbaren Bluetoothboxen Mickie Krause vom dubiosen „Jan Pillemann Otze“ jodelt, leere ich unter kollektivem Flaschengeklopfe fortwährend giftfarbene Schlüpferstürmer, womöglich noch unter den Blicken unschuldiger Passanten, pardon, da winkt mich sogar meine Hemmschwelle rechts ran, und die ist eigentlich durch nichts mehr zu erschüttern.
Ich möchte aber andererseits niemandem eine Party madig machen, und zwar weder den Anlass, noch die Durchführung, denn was beides betrifft, bin ich locker der King of Schwachsinn.
Ich gestehe: Einst reichte mir bereits der Umstand, dass ein Stadtmagazin in seiner Terminübersicht ein Solokonzert von mir falsch datiert hatte, für ein festliches Trinkgelage in meiner Stammkneipe. So konnte ich nämlich problemlos den vorabendlichen Zuschauermangel entschuldigen, und das wollte zünftig gefeiert werden. Also rief ich sofort nach mehr Tequila vom Fass. Dazu sang ich lauthals was von einem knappen Dutzend Friseurinnen, während über die Kneipenanlage Count Basie lief. Der Abend endete in einer Ausnüchterungszelle, wo ich weiterhin, wenn auch diesmal erfolglos, Fasstequila orderte, dafür aber erfolgreich eine wilde Polonaise mit mir selbst anzettelte. Es war eine äußerst glamouröse, coole Partynacht, vor allem, wenn man das ganze anschließende Heulen und Zähneklappern von mir unter den Tisch fallen lässt.
In gleichem Zuge sollte ich vielleicht auch genau deshalb jetzt meine herablassenden Ausführungen zu den Männertagsgepflogenheiten langsam mal still ausklingen lassen, und allen nur das Beste wünschen, was in vorliegendem Fall wohl bedeutet: Prösterchen zusammen!
Ich gönne, jawohl. Total. Allen und alles. Sogar den krakeeligsten Kartoffeln heute ihre bierdösige Penisparty.
Ein bisschen bin ich trotzdem genervt, weil ich wegen dieses Männertags nicht mehr meinen ursprünglichen Text vorlesen kann, aber man muss halt Prioritäten setzen. Toxische Männlichkeit kills my Vorhaben, sozusagen, doch ich habe mich bereits heimlich dafür gerächt:
Als ich diesen Text schrieb, hab ich zwischenzeitlich eine kurze Pause eingelegt, um alle Fenster penibelst zu putzen, denn das stellt sicher, dass es heute aus Kübeln regnen wird.
Ausflugssuff am Arsch. Hashtagätsch. Aber auch sorry, klar. Und für meine ursprüngliche Story gibt’s nächstes Jahr wieder eine neue Chance. Kleiner Teaser dazu: Es geht um die Entstehung meines letzten Albums „Lost in the Supermarket.“
Ein tolles Album mit ganz bezaubernd herzigem Hintergrund. Aber emotional für so etwas deftig herbes wie einen Männertag natürlich völlig ungeeignet, nicht wahr? Na ja, immerhin bin ich auf dem Album-Cover mit einem Einkaufswagen zu sehen, und ihr wisst ja alle: Der Aszendent vom Bollerwagens ist der Einkaufswagen. Das sind nämlich die Sternburgkreiszeichen. In diesem Sinne: Haut rein, bleibt lieb, und auf bald. Allen Väterchen heute das Beste, sowieso. Und bitte, was auch immer Ihr tut: Papas don’t preach. Dann hat man euch doublelieb. Vielen Dank, das wars von mir. OleOle..
Info: Totte Kühn ist Musiker und Autor. Er ist Mitglied in den Bands Monsters of Liedermaching, Die Intelligenzia und Muschikoffer, spielt aber auch solo. Aus Gründen großer Freizeitvorkommen schreibt er auch Kurzgeschichten. Sein neuestes Buch heißt „Sex, Drugs und Köcherbau“ und ist sehr gut. Sein Pseudonym „Der flotte Totte“ ist weniger gut, aber auch nicht so neu. Totte Kühn lebt in Hamburg und mag, unter anderem, Lemuren.
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