„Zeitreise“: Götz Widmann im Interview

Götz Widmann, ein Mann, der was zu erzählen hat. Nicht nur durch seine Songs, in denen er, meist mit Gitarre untermalt, dem Publikum Songs über Politik, Drogen, aber auch Alltagsdinge wie Pinkeln im Sitzen, Probleme auf der Autobahn, in der S-Bahn und natürlich über die Liebe näher bringt. Anlässlich seiner Zeitreise-Konzertreihe hat sich Götz Widmann bereit erklärt, vor dem Konzert in Kusel, dem Tough Magazine einige Fragen zu beantworten.


Götz Widmann auf Zeitreise Tour. Schon seit über 25 Jahren unterwegs. Und immer noch DER Liedermacher. Was fühlst du, wenn du liest, dass du ein Liedermacher Genre neu geprägt hast?
Götz: Hmm, vielleicht ist diese Aussage sogar ein bisschen übertrieben, denn das war ich ja auf keinen Fall alleine. Aber wenn man sich mal so anschaut, wie sich das Genre in den letzten 20 Jahren geändert hat, dann kann man vielleicht sagen, dass ich meinen Beitrag dazu geleistet habe und das finde ich auch gut so.

25 Jahre unanständige Lieder. 15 Jahre „Drogen“. Was bedeuten dir diese Veröffentlichungen heute? Für dich die wichtigsten oder welche Scheiben sind deine Favoriten?
Götz: Für mich ist natürlich immer die wichtigste Scheibe die Scheibe, an der ich gerade arbeite. Weil da einfach meine Gedanken drum kreisen und mir da auch viel dazu im Kopf rumgeht. Auch als Statement, wie es mir gerade geht. Wenn ich mir mal meine Zahlen bei Spotify ankucke, welche Platten am meisten gehört werden, dann ist die „Drogen“ da vorne mit dabei. Eigentlich ist dies ja eine „Greatest Hits“ der ersten zehn Jahre. Da sind zum Beispiel die ganzen Joint Venture – Songs drauf, die sehr beliebt waren. Und auch die beliebtesten meiner ersten Solo Songs. Von daher läuft diese Platte etwas außer Konkurrenz.

Die Zaubersteuer“ ist eines deiner Lieder, die bei YouTube am meisten geklickt wurden. Du hast mal einen Aufruf gestartet, den Link an die Politik zu senden? Gab es dazu mal eine Reaktion der regierenden Herrschaften?
Götz: Ja, die „Zaubersteuer“ hat schon über zwei Millionen Klicks. Ja klar, gerne den Link an den Finanzminister senden. Ich glaube, das haben alle immer als Witz aufgefasst, aber ich meine das durchaus ernst. Das kann man auch immer noch machen. Schaut einfach mal bei YouTube nach der Zaubersteuer und schickt das dann an Olaf Scholz von der SPD. Da muss man ja nur den Link hinschicken und wenn der das dann oft genug sieht – wer weiß. Vielleicht bringt es die SPD ja dann doch mal auf die Idee, die ihnen am Ende ein paar Wählerstimmen bringt. Überleg doch mal, wenn die ganzen Kiffer sich jetzt entscheiden, die SPD zu wählen, dann hätten die am Ende einige Prozente mehr (ruft grinsend: „Herr Scholz!“). Aber von den Politikern gab es keine Reaktion zu dem Aufruf.

Auch „Zöllner vom Vollzug abhalten auf der A4“ ist ein Song auf dieser CD. Gab es hierzu Nachahmer und hast du vielleicht eine nette Geschichte zu dem Song parat?
Götz: Ich hoffe, dass das nicht zu viele Leute nachgemacht haben, denn genau als dieser Song raus kam, haben die angefangen mit den ganzen Drogenscreenings. Irgendwie war das vorher nie ein Thema und in den 90er Jahren gab es das auch nicht. Da musste man schon sehr breit sein, um im Straßenverkehr aufzufallen. Diese Screenings kamen erst um die Jahrtausendwende. Ich habe fast schon ein schlechtes Gewissen wegen diesem Lied, da ich die Leute zu einer Dummheit animiere. Das was in dem Lied beschrieben wird, sollten wirklich nur Leute mit reinem Urin machen.

Und reinem Gewissen natürlich….
Götz: Ja klar… (lacht!)

Ein reines Gewissen haben auch Kinder. Vor einiger Zeit las ich von Cannabis-Kaugummi. Auch für Kinder erhält! Cannabis-Kaugummi macht Kinder froh und Erwachsene ebenso. Wie stehst du heute zu der Diskussion um Cannabis?
Götz: Ja mit dem Kaugummi und der Diskussion. Natürlich sollte man die Diskussion dann doch eher um und mit Erwachsenen führen. Sonst kommen wir ja gar nicht mehr weiter. Wir brauchen da eine vernünftige Drogenpolitik. In Ländern, in denen Cannabis erlaubt ist, werden die besten Erfahrungen damit gemacht. Eigentlich müsste man sagen, es ist nur eine Frage der Zeit, bis da was passiert, aber so ganz stimmt das nicht. Es geht wie immer in der Demokratie darum, das Politiker denken müssen, sie bekommen mehr Wählerstimmen, wenn sie etwas Bestimmtes machen. Und da muss man die Mehrheit etwas verschieben. Wenn die Umfragen ergeben, dass mehr als 50% der Leute für eine Cannabis Legalisierung sind, traut sich kein Politiker, der bei Verstand ist, dagegen zu sein. Letztendlich geht es darum, die Mehrheit zu verschieben. Ist noch nicht ganz passiert. Ich glaube, wir sind jetzt so bei 40% in Deutschland. Da ist aber kein weiter Weg mehr und wie gesagt, es gibt so viele andere Nationen, die mit gutem Beispiel vorangegangen sind. Irgendwann gehen wir da auch mit. Ich gebe hier wirklich die Hoffnung nicht auf, dass ich irgendwann mal legal auf deutschem Boden einen Joint rauchen werde. Ich habe schon legal Joints geraucht – aber halt nicht auf deutschem Boden.

Bei der Drogen CD hast du darauf geschoren, dass du, wenn dir der Humor schwindet, dir Politiker beim … vorstellst. Und heute? Wen stellst du dir heute vor, wenn dir der Humor schwindet?
Götz: Ha, der Humor schwindet mir tatsächlich ausgesprochen selten (lacht). Aber leider haben sich die politischen Verhältnisse derart geändert, dass man nicht mehr unbedingt lachen muss, wenn man sich Politiker beim Ficken vorstellt. Also zum Beispiel Donald Trump (lacht) oder Berlusconi und Erdogan. Die machen mich eher depressiv, wenn ich daran denke.

Hast du schon mal überlegt, eine „Drogen 2“ zu veröffentlichen?
Götz: Hmm, ich habe ja vor kurzem zwei Live-CDs rausgebracht. Die sind ja, wie die „Drogen“ auch, so was ähnliches wie Greatest Hits. Einmal mit Band und einmal ohne Band. Das reicht jetzt erst mal. Jetzt mach ich erst mal wieder ne neue Platte mit 12 oder 13 neuen Liedern. Das Ganze soll im Herbst rauskommen.

Auf der Zeitreise spielst du ständig neue Sets und gehst auch auf Publikumswünsche ein. Welcher Song wird am meisten gewünscht? Welchen Song vermisst du unter den Wünschen?
Götz: Ja das ist wirklich jeden Abend anders. Ich bin schon überrascht, wie vielseitig die Wünsche manchmal sind. Natürlich will ich etwas mehr die Lieder meiner alten Band Joint Venture spielen und das mache ich auch. Aber ich spiele auch neuere Sachen und vermische das dann ganz gut.

Du hast auch mit dem „Wunschkonzert“ ein ähnliches Konzept verfolgt. Ist es für dich eher stressig, kurz vor Beginn die Setlist zu erstellen, oder spannend, da jedes Konzert anders wird?
Götz: Also bei den Wunschkonzerten war das tatsächlich zum Teil relativ stressig, da ich aus Songs, die keinen richtigen Spannungsbogen ergeben, in sehr kurzer Zeit einen Bogen basteln musste. Und vor einem Konzert ist man oft aufgeregt und da ist es dann schwierig. Und da war das mit der Setlist eher anstrengend. Wenn jetzt jemand rein ruft, dann spiele ich den Wunsch dann auch oft. Außer es passt gerade gar nicht. Dann spiele ich das nicht. Ich bin ja auch keine Jukebox (lacht).

Du hast schon so viele Konzerte gespielt. Gibt es Momente auf einer Tour, die dich beunruhigen oder ist jeder Abend gleich?
Götz: Ja, die Lust schwankt auch. Natürlich habe ich auch manchmal etwas weniger Lust, auf die Bühne zu gehen. Das sind dann aber vielleicht mal ein bis zwei Abende im Jahr. Meist ist das dann so, wenn Alkohol am Vorabend im Spiel war. Das geht dann aber auch innerhalb von zehn bis fünfzehn Minuten weg. Irgendwie reißt es mit, wenn man auf die Bühne geht und die Leute sieht, die dann mitsingen. Ich glaube, da sind auch körpereigene Drogen mit im Spiel, die jeden Kater wegzaubern. Wenn ich nach der Pause nicht wieder nüchtern bin, dann weiß ich, dass ich einen harten Abend vor mir habe. Dann war es aber auch wirklich schlimm am Tag davor (lacht).

Götz Widmann – Konzerte leben von der Nähe zum Publikum. Gibt es auch Konzerte, bei denen du schnell merkst, dass es schwierig wird (außer auf dem Parteitag) und falls ja, wie reagierst du?
Götz: Naja am ehesten, wenn Leute unruhig sind. Da reichen manchmal zwei bis drei Grüppchen, die ständig nur quatschen. Ich versuche dann meist, deren Aufmerksamkeit wieder einzufangen. Manchmal klappt es halt nicht und dann wird es etwas anstrengender sowohl für mich als auch für die übrigen Leute. Der ideale Abend ist, wenn das Publikum bei den Songs, die Stimmung machen, voll dabei sind und bei den ruhigen Liedern zuhören. Gibt es oft aber leider nicht immer.

Die letzten beiden CDs hast du mit Band eingespielt. Derzeit sitzt du an neuem Material. Kannst du schon was verraten?
Götz: Ich habe versucht, mich, so humorvoll wie ich kann, mit den aktuellen Themen unserer Zeit auseinander zu setzen. Der Humor ist aber tatsächlich hier und da etwas bitterer geworden. Sarkastische Songs und manchmal richtig ernst. Ich denke die Zeit ist gerade so, dass es schwieriger ist, leichte und lustige Lieder zu schreiben. In der heutigen Zeit muss man an der ein oder anderen Stelle vielleicht auch mal zu drastischen Worten greifen. Das Album ist daher schon etwas politisch geworden. Ist aber auch notwendig in der heutigen Zeit.

Zur Zeitreise. Wenn du in der Zeit zurückreisen würdest – zum Entstehen der einzelnen Alben. Bei welchem würdest du heute gerne noch was verändern und warum?
Götz: Nein, das möchte ich nicht. Ich lasse da den Deckel drauf. Viele schlaflose Nächte kosten mich so ein Album immer und mir gefallen eigentlich alle Veröffentlichungen gut. Natürlich gibt es hier und da kleine Fehler, die sind aber nichts Schlimmes.

Was bedeuten dir die folgenden Begriffe?
Ahuga
Götz: Ja das ist der Name meines Labels. Das gibt es schon seit Joint Venture Zeiten. Das kommt von dem Song „Love Maschine“ von Supermax. Wir hatten das damals im Auto gehört. Da singt der am Ende immer „Ahuga! Ahuga!“ Und das fanden wir auch gut und haben das genommen. Das heißt eigentlich nix. Klang halt gut und dann haben wir es auch so gelassen. Mittlerweile ist es ein Liedermacher Label geworden, das ich mit meiner ehemaligen Frau zusammen mache. Wir versuchen da im Rahmen unserer Möglichkeiten, Liedermacher, die zu unbekannt sind, zu unterstützen.

Zwei Trauben
Götz: Das ist ein ganz großer Glücksfall gewesen. Ich hatte mal ne Flasche Wein aufgemacht und da lief dieser Tropfen runter, der mir eine Geschichte erzählt hat, die ich dann aufgeschrieben habe. Tatsächlich ein Song, der vielen Menschen eine Freude bereitet hat und für mich war das lediglich eine dreiviertel Stunde Arbeit. Bis heute ist dies einer meiner größten Glücksmomente beim Schreiben gewesen. Definitiv.

Sitzend Pinkeln
Götz: Ach, da haben wir damals noch einen albernen Song für das Album gebraucht und da habe ich den schnell geschrieben. Aber, der ist cool und ein Statement zur Emanzipation (lacht).

Sex, Drugs & Rock’n’Roll
Götz: Ja, das sind alles Dinge, die Spaß machen und ich bin auch irgendwie genau so drauf, wie ich mit sechzehn war. Nur wenn ich mich komplett gehen lasse, muss ich oft einen Tag drüber schlafen. Aber es macht noch Spaß. Und tatsächlich sind diese Punkte immer noch die Koordinaten meines Lebens (lacht).

Vielen Dank für das Interview. Die letzten Worte gehören dir.
Götz: Die letzten Worte brauche ich nicht. Ich gebe die Antwort auf dem Platz (lacht).

Interview von Thorsten im Juni 2019

Dieser Artikel wurde am: 17. Juli 2019 veröffentlicht.

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