Wie schon im Review gelesen ist „Weit weg von zu Hause“ für uns eine tolle Veröffentlichung einer sehr sympathischen Band. Im Interview beantworten die Jungs uns in mehr als 100 Sekunden einige Kiloreiche Fragen, die allesamt ihr Herz für die Musik, ihre Band und auch ihr Blick auf Dinge, die es zu besprechen lohnt, für euch beleuchten.
100 Kilo Herz gibt es seit 2015. Woher kennt ihr euch und wie kam es zur Band?
100 Kilo Herz: Das war relativ witzig. Clemens, einer unserer Gitarristen und ich (Rodi, ich singe und spiele Bass) waren mit unseren Akustikprojekten unterwegs und eines sehr späten Abends kam Clemens nach diversen alkoholischen Getränken zu mir und meinte „Ich will ein neues Musikprojekt starten, Punkrock oder Skatepunk aber mit Bläsern dabei…hast du Bock da zu singen?“ Ich habe direkt ja gesagt, das aber auch direkt wieder vergessen. Meistens bleiben solche „Schnapsideen“ genau das. Aber ein paar Monate später rief er mich an und meinte wir würden uns nächste Woche mal mit der Band treffen – da saß ich dann zwischen vier Menschen, die ich noch nie gesehen hatte und Clemens eben und dachte mir „Na mal schauen was das hier wird“.
100 Kilo Herz. Betrachtet man den Bandnamen, so kann dieser aneinander geschrieben werden. Wie kam es zu dem Bandnamen. Und was ist für euch wichtiger? Songs mit Kilos an Herz oder Songs mit einigen Kilo Herz auf der Bühne?
100 Kilo Herz: Bandnamen finden ist eine Qual. Das wussten wir schon von vorherigen Erfahrungen und irgendwie hat da auch jeder von uns seine vergangenen Sünden. Irgendwann kam die Idee auf, einen Bezug zu etwas herzustellen, was uns wichtig ist. Wir sind dann schnell bei muff potter. gelandet, einer Band die uns allen ziemlich viel bedeutet und uns teilweise schon sehr lange durch unser Leben begleitet. Und deren Song 100 Kilo ist einfach ein unglaublich starkes Lied – die Einigung darauf hat dann kaum eine Minute gedauert.
Herz versuchen wir in alle Songs zu packen und die Kilos bringen einige von uns ganz allein auf die Bühne.
Eure CD ist gerade draußen. Nach der selbstbetitelten EP, euer Debüt als Veröffentlichung. Erzählt etwas zu dem Entstehungsprozess und zu der Zeit zwischen EP und CD.
100 Kilo Herz: Die EP war das erste „Lebenszeichen“ und die hat schon dafür gesorgt, dass wir relativ konstant unterwegs waren. Anschließend kam bei unseren Konzerten ständig die Frage auf, wann denn ein ganzes Album kommt. Also haben wir jeden Moment genutzt um die Songs rund zu machen und das Album an sich zu planen. Das Schwierigste war dann eigentlich einen Zeitraum zu finden, in dem wir alles aufnehmen konnten. Die gesamte Entstehung musste parallel zu unseren Jobs und anderen Beschäftigungen laufen.
100 Kilo Herz – Pass auf dich auf
Eure Songs sind oftmals politisch ausgerichtet. Was ist für euch der Hauptgrund, politische Song zu schreiben? Welche Themen, denkt ihr, werden derzeit zu wenig besprochen und müssend aber besungen werden?
100 Kilo Herz: Das ist nicht wirklich eine bewusste Entscheidung, sondern passiert einfach. Wir sind ja dauerhaft von Politik umgeben. Wie viel jeder und jede davon mitnimmt, liegt immer am Menschen selbst. Wir nehmen einfach Eindrücke von den Dingen, die wir oder Menschen aus unserem Umfeld erleben und lassen so unsere Songs entstehen.
Der zweite Teil der Frage ist etwas schwieriger. Es wird ja über enorm viele Sachen geredet. Was oft fehlt, ist die Bereitschaft zuzuhören. Da kann dann Musik tatsächlich helfen, einen anderen Zugang zu den Menschen zu bekommen. Was unserer Meinung nach ein viel größeres Problem ist, sind die Menschen, die sich über politische Sachen unterhalten bzw. diese besprechen. Oft wird über Menschen geredet, statt mit ihnen. Da will zum Beispiel der MDR eine Gesprächsrunde machen, ob es okay ist, heutzutage das N*Wort zu sagen und das in einer Runde mit Menschen, die alle weiß sind. Und das lässt sich auf sehr viele Diskussionen der letzten Monate und teilweise Jahre übertragen. Solange die Stimmen von Betroffenen nicht gehört werden, sondern nur über sie geredet wird, können gar keine sinnvollen Dialoge entstehen.
„Ich habe keine Wut mehr, ich kann nicht mal mehr schreien“ heißt es in einem eurer Songs. Ist die Resignation schon Teil unserer Gesellschaft geworden? Falls ja, warum, eurer Meinung nach in unserer Wohlstandsgesellschaft?
100 Kilo Herz: Eine sehr gute Frage. Ich denke viele Menschen kommen an einen Punkt der Resignation, weil sie ziellos leben. Der Mensch, der stupide am Fließband steht, um über die Runden zu kommen und der Banker, der täglich mit mehr Geld jonglieren muss, als manche Menschen im Leben verdienen. Beide machen das, um überleben zu können. Die Qualität des Lebens ist bei beiden eine sehr unterschiedliche, ohne Frage… Aber am Ende tun beide das, was sie tun, um weiterhin genau das zu tun. „Die Maschine am Laufen halten“ sozusagen. Aber wenn einmal ein fester Trott erreicht ist, ist es schwer da rauskommen. Das ist die alte Frage: „lebst du, um zu arbeiten, oder arbeitest du, um zu leben?“. Und die Resignation, die aus dem Gefühl entsteht, einfach zu arbeiten „weil man das eben so macht“ – die erreicht viele Menschen irgendwann. Deswegen war es Rodi als Texter auch wichtig, diesen Song von der EP noch mal aufzunehmen, unter der Bedingung, dass es einen Gastsänger oder eine Gastsängerin gibt. Da sprechen zwei verschiedene Menschen, deren Lebensrealität und -qualität eine sehr unterschiedliche ist, die aber trotzdem beide ein ähnliches Gefühl haben und das sollte auch so wahrgenommen werden. An der Stelle auch noch mal ein großes Dankeschön an Martin, der den Gastgesang abgeliefert hat und mit kirre. eine eigene, ganz fantastische Band hat. Rodi kannte ihn schon vorher, aber In dem Moment als wir ihn alle singen gehört haben, wussten wir, das genau er in das Lied gehört.
100 Kilo Herz – Dreck und Glitzer
„Pogo und Polka – Bläser und Punk“. Ihr werdet hier und da mit anderen (ähnlich) aufgestellten Ska-Punk-Bands verglichen. Nervt euch das, oder motiviert dies eher?
100 Kilo Herz: Nerven ist vielleicht das falsche Wort, aber was uns am meisten stört, ist, wenn unsere Musik als Ska-Punk bezeichnet wird. Viele denken dann an Off-Beat und reine Tanzmusik. Das passt aber nur teilweise. Wir haben viele Punkelemente. Wenn wir dann auf Ska-Abende eingeladen werden, ist es oft so, dass das Publikum sich fragt wie wir da gelandet sind. Nach kurzem warm werden freunden wir uns dann meist trotzdem miteinander an.
Am besten wäre es natürlich, wenn wir einfach als 100 Kilo Herz da sein könnten. Aber da die Menschen gern ein paar sprachliche Fächer haben, um Musik da imaginär einzusortieren, sagen wir gern wir machen Punkrock mit Bläsern bzw. haben wir uns vor kurzem auf den Begriff Brass Punk geeinigt. Den gab es bisher noch nicht, aber wir glauben, dass dieser das passendste Bild zu unserer Musik entstehen lässt.
Wenn direkte Vergleiche mit Bands gezogen werden, kommt das auf die Band an, mit der wir verglichen werden ;) Spaß beiseite… Meistens ist es ja als Kompliment gemeint. Natürlich freut man sich über positive Sachen, auch wenn man sie manchmal nicht ganz nachvollziehen kann. In einem Review wurde unser Sänger mit Jens Rachut verglichen. Der saß dann zwei Minuten mit einem fetten Grinsen in der Bahn, weil er selbst auch ein großer Fan von ihm ist! Aber den Vergleich gab es weder davor noch danach. Da fragt man sich dann manchmal, wie diese Assoziation zustande kam.
Wo wir gerade bei anderen Bands sind. Als Vorbilder liest man auf der Facebook Seite von Less Than Jake, Reel Big Fish, Broilers, Die Ärzte, Die Toten Hosen, Against Me, Rise Against, The Living End, Rantanplan. Welche dieser Bands hat euch am meisten beeinflusst und warum?
100 Kilo Herz: Das steht da ja immer noch… Das war auch so ein Versuch, den Menschen etwas zu zeigen, womit sie bei uns rechnen sollten. Und in Teilen stimmt das was da steht schon. Theoretisch könnten wir die Liste täglich ändern, aber ein paar Bands bleiben tatsächlich für immer. Wir haben einen Living End und Broilers Jünger in unserer Band, zwei Verrückte, die wirklich jedes Ärzte-Release zu Hause haben. Die Hosen haben viele von uns durchs Leben begleitet und unser Sänger hat seit er 20 ist ein Against Me! Tattoo und nimmt auf jeder Europatour mindestens ein Konzert der Band mit. Rantanplan ist für einige die Jugend gewesen. Da hat jeder für sich seine eigene Macke und die Liste könnte ewig weitergeführt werden.
„Pass auf dich auf“ als Single. Wie kam es zu dieser Entscheidung und was ist für euch das wichtige an diesem Song?
100 Kilo Herz: Das Lied ist sehr spät entstanden, hatte aber direkt sehr viel Gewicht. Vor allem, weil es von tatsächlich so erlebten Situationen erzählt. Irgendwie war es eine gute Verbindung zwischen den persönlichen Erfahrungen und den politischen Statements die wir im kompletten Album gesammelt haben.
100 Kilo Herz – Kleinstadtdisco
Neben der Single. Welches sind für euch die wichtigsten Songs auf dem Album? Worauf seid ihr besonders stolz?
100 Kilo Herz: Das können wir als Band gar nicht so direkt beantworten. Wir sind sieben Leute und jeder hat seinen eigenen Liebling. Stolz ist wahrscheinlich das falsche Wort, aber froh und glücklich sind wir darüber, dass es so eine runde Sache geworden ist und vor allem jedes Mal, wenn wir positive und freundliche Rückmeldungen per Nachricht oder auf Konzerten bekommen über das was wir da gebastelt haben.
Mit CD und EP im Gepäck auf kleine Tour. Wie werden die Konzerte laufen? Spielt ihr beide Veröffentlichungen durch oder kommen auch andere Songs (vielleicht Cover?) auf die Setliste?
100 Kilo Herz: Aktuell basteln wir immer mal wieder an der Setlist herum. Jeden Abend das Gleiche spielen ist ja auf Dauer langweilig. Und manchmal müssen wir uns ja noch an feste Spielzeiten halten, auf Festivals zum Beispiel. Aktuell haben wir fast alle Songs die wir geschrieben haben aufgenommen. An neuen Sachen werden wir dann wahrscheinlich nächstes Jahr wieder arbeiten.
Covern macht oft richtig Spaß, vor allem dank der Bläser haben wir natürlich noch andere Möglichkeiten Songs zu bearbeiten. Als wir angefangen haben mit den Konzerten haben wir beschlossen, alles als Cover in Betracht zu ziehen – alles außer Filmriss. Den Song covert gefühlt jede Punkband. Aber nachdem der auf fast jeder Tour im Bus läuft sind wir dann doch dabei gelandet.
Was sind für euch persönlich eure Herzensangelegenheiten, für die ihr gerne 100 Kilo Motivation und Energie aufbringt?
100 Kilo Herz: Aktuell natürlich vor allem die Band. Da müssen auch andere Unternehmungen oder Menschen oft genug darunter leiden. Ansonsten natürlich unsere Freunde und Freundinnen, die Menschen die uns wichtig sind und das täglich Brot halt, Arbeit oder Studium.
100 Kilo Herz – Träume
Bitte entscheidet euch.
Punkrock Vs Alltag:
100 Kilo Herz: Gibt’s da einen Unterschied?
Großstadt Vs Kleinstadt:
100 Kilo Herz: Nicht zu klein und nicht zu groß. Aber im Zweifelsfall eher Großstadt.
30 Gramm Vs 100 Kilo:
100 Kilo Herz: Beides. 30 Gramm von uns. 100 Kilo von Muff Potter.
Was bedeuten euch die folgenden Begriffe?
Hauptact:
100 Kilo Herz: Immer die Letzten, die mit Trinken anfangen können.
Hauptstadt:
100 Kilo Herz: Wahrscheinlich gibt es keine Stadt der Welt, über die mehr Lieder geschrieben wurden, als Berlin.
Hauptsache:
100 Kilo Herz: Gesund.
Tough Magazine:
100 Kilo Herz: Dufte Typen. Weitermachen!
Vielen Dank für das Interview. Die letzten Worte gehören euch!
100 Kilo Herz: Wir bedanken uns! Schön zu sehen, dass sich Menschen mit dem Kram beschäftigen, den wir machen. Kommt mal auf einem Konzert vorbei und… Passt auf euch auf!
Interview von Thorsten im November 2018
Foto: Michael Bomke
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