„Vom Schwinden der Dinge“: Blaske im Interview

„Vom Schwinden der Dinge“! So heißt das neue Album der Band Blaske. „Vom Schwinden der Dinge“ ist Punk! So steht es in der Release-Information! Und genau so wollen wir diesen Satz auch unterstreichen. Wir vom Tough Magazine jedenfalls finden das Album stark und stark punkig. So haben wir einfach mal nachgefragt. Viel Spaß beim Interview mit Stefan, Sänger und Gitarrist bei Blaske.

Hey ihr Lieben, schön dass ihr euch die Zeit fürs Tough Magazine nimmt. Wobei erwischen wir euch gerade?
Stefan Blaske: Im Proberaum! Wir bringen uns gerade wieder in Form, um endlich mal das Album live präsentieren zu können. Dazu hatten wir seit den Aufnahmen im Sommer 2019 keine Gelegenheit mehr und sind jetzt absolut gespannt auf die Reaktionen.

Als Band seid ihr noch nicht so lange am Start. Für diejenigen, die euch noch nicht kennen, stellt euch doch mal vor!
Stefan Blaske: Das stimmt zur Hälfte. Tatsächlich gibt es uns schon etwas länger. 10 Jahre, um genau zu sein! Aber bis die Band die heutige Besetzung erreicht hat, vergingen ein paar Jahre. Erst seit 2017 sind wir zu viert und damit irgendwie auch „komplett“. Unsere Musik lässt sich sicherlich am ehesten mit Punk beschreiben, dazu kommt dann aber noch eine ordentliche Prise von dem, was viele nicht als Punk bezeichnen würden.

Was bedeutet der Bandname „Blaske“?
Stefan Blaske: Man munkelt in einigen verschlafenen Brandenburger Ortschaften wird „Blaske!“ blassen Kellerkindern hinterhergerufen. Wir haben das aber auch nur mal irgendwo im Internet gelesen.

Auf eurer Seite kann man den folgenden Satz lesen „Die Großmütter und Väter ihrer Musik sind schnell gefunden und im gleichen Augenblick schon wieder verworfen“. Ein nicht ganz einfacher Satz. Wen bezeichnet ihr denn als euren Ursprung?
Stefan Blaske: Den Ursprung kann man klar im Deutschpunk verorten, aber weil das eben nicht alles ist, mischt sich bei uns dann ganz schön was zusammen. Unser Drummer Danjo hat beispielsweise ein ordentliches Faible für Hip-Hop während Ole eher viel Hardcore und einer Prise Ska hört. Yuri hat sich mit Indie, Emopunk, Math- und Postrock musikalisch sozialisiert und ich fühle mich der Popmusik verbunden. Zwar ist nicht alles davon in unserer Musik zu hören aber schwebt beim Songwriting dann doch in unseren Hinterköpfen. Besonders live schwingt da dann noch ordentlich was mit. Wir haben aber definitiv Konsensbands, die wir alle vier ziemlich feiern und das hört man auch.

Und warum „wieder verworfen“? Was macht ihr anders als andere?
Stefan Blaske: Wer das Genre und seine Bands kennt, wird immer versuchen uns mit anderen Bands zu vergleichen. Wir denken, dass jede*r die Inspiration einiger Songs entschlüsseln kann, aber irgendwann an eine Stelle kommt, wo der Vergleich nicht mehr so recht passen will und das feiern wir dann richtig. Da kommt dann nämlich der eben erwähnte musikalische Schmelztiegel zu Tage und verkettet viele einzelne Elemente zu etwas Neuem.

Punk definiert sich ja unter anderem ein wenig durchs „anders sein“? Was ist denn im Jahr 2021 noch anders und was ist für euch noch Punk?
Stefan Blaske: Hmm, schwierige Kiste. Die typischen Klischees im Punk existieren natürlich noch immer und sicherlich reichen sie auch schon aus, um im Vergleich einigen Gruppen unserer Gesellschaft, anders zu sein. Was uns aber immer wieder an der gesamten Szene begeistert ist diese gewisse Direktheit der Musik, der Menschen und der Drang sich stetig neu erfinden zu wollen – neue Wege zu gehen und damit Räume zu füllen. Auch einfach mal zu machen und nicht alles zu zerdenken. Das ist wahrscheinlich der spannendste Aspekt des Punks.

Mit „Vom Schwinden der Dinge“ liegt gerade euer Album hier bei mir in der Anlage und ich bin zufrieden. Wie geht es euch vorm Release?
Stefan Blaske: Da liegen 10 Jahre Bandgeschichte, ein anstrengender Sommer und viele Nächte Mixing und Mastering bei dir. Widerspricht sich ein bisschen mit der punkigen Spontanität, oder? Fakt ist aber, dass man als junge Band fast eine Ewigkeit hat, um ein Album fertig zu machen und man muss aufpassen, dass man sich nicht zu sehr in Details verliert. Das ist für uns schon ein krasser Moment jetzt endlich loslassen zu können.

Bei „Vom Schwinden der Dinge“ kann man schon mit drei Worten einiges erzeugen. Was – denkt ihr – schwindet denn in der heutigen Gesellschaft?
Stefan Blaske: Vieles. Wir meinen mit dem Titel nicht unbedingt nur Dinge im materiellen Sinne, die verschwinden können. In der Gesellschaft wird sich in den nächsten Jahren zwangsläufig vieles verändern. Durch den Klimawandel stehen wir gesellschaftlich vor gewaltigen Herausforderungen und müssen massiv umdenken. Allein das wird viele Gewohnheiten schwinden lassen und damit politische Spannungen hervorrufen. Ein Stück weit wird also die gewohnte Gesellschaft verschwinden oder sich zumindest stark wandeln. Dann diese Bilder von ertrunkenen Menschen im Mittelmeer. Die haben uns besonders während der letzten Phase der Aufnahmen immer mehr schockiert und auch manchmal unser Vertrauen in die Menschheit schwinden lassen. Diese fehlende Solidarität, der Mangel an Mitgefühl und Empathie ist mit dem Titel auch gemeint. Der Song 2182 ist übrigens ein Resultat dieser Bilder. Aber wir haben mit dem Albumtitel auch scheiternde Beziehungen und Freundschaften gemeint, die sich im Laufe der Zeit verändern und neu definieren.

Wie sind die Songs entstanden? Erzählt mal was vom Weg „Proberaum ins Studio“?
Stefan Blaske: Entstanden sind die Songs alle sehr unterschiedlich. Einige schon vor 10 Jahren (Herz) und andere dann erst mit Yuri (2182). Viele Songs haben gemeinsam, dass erst das Instrumental stand und dann der Text kam. Ich trage immer einen Stapel an aktuellen Dingen, die mich beschäftigen mit mir he rum und wenn dann der Funke überspringt, entsteht daraus ein Text. Der wird dann im Proberaum wiederum revidiert und jeder gibt seinen Senf dazu.

Und wie würde der Weg vom „Studio zur Bühne“ aussehen?
Stefan Blaske: Wir haben uns bereits vor dem Studio intensiv mit all unseren Songs auseinandergesetzt und haben jeden einzelnen Ton und jedes Wort einmal auf den Prüfstand gestellt. Deswegen haben wir im Studio gar nicht so viel an den Songs geschraubt. Jetzt geht es mehr darum den Sound des Albums auch live abbilden zu können und natürlich um die körperliche Ausdauer. Das Album ist zwar nur rund 30 Minuten lang, aber es nun komplett auf die Bühne zu bringen verlangt uns schon eine Menge ab.

Wann und wo sieht man Blaske live?
Stefan Blaske: In der aktuellen Situation ist das ja leider etwas komplizierter. Wir suchen derzeit eine Booking Agentur und merken, dass viele in der Branche noch sehr damit beschäftigt sind ihre Konzerte aus dem letzten Jahr nachzuholen. Andere sind gedanklich längst im Jahr 2022 und viele Slots auf Festivals und in kleinen Klubs sind bereits belegt. Definitiv keine leichte Ausgangssituation für uns, aber irgendwie sind wir trotzdem optimistisch. Alle bestätigten Konzerte finden sich auf www.blaske-band.de

Ich durfte das Album ja schon hören und, wie geschrieben, gefällt es mir. Ich persönlich erkenne auch Gemeinsamkeiten mit Pascow. Für euch ein guter Vergleich?
Stefan Blaske: Wir fühlen uns da natürlich geehrt Die Jungs sind definitiv eine der erwähnten Konsensbands von uns.

Neben gut strukturierten Songs fallen einem auch die Texte ins Auge. Über mache sollt man ruhig mal nachdenken. Welchen Hintergrund hat „Nicht nur Gelenke auch der Anstand wird gestaucht“?
Stefan Blaske: Die Zeile kommt aus „Kalte Hände – Voller Beutel“, ein Song, der sich daran abarbeitet, dass der Mensch zu gerne in die Ferne ferne Länder geht und sich dort bedient. So etwas ist dann nicht nur körperlich anstrengend, sondern tut dem Anstand sicher auch nicht gut.

Kommen wir zu einigen Songs „Gehen“ als Vorbote des Albums. Wie kam es zu diesem Entschluss?
Stefan Blaske: Gehen ist unser “Tür-auf-Treter” und spiegelt sehr treffend wesentliche Aspekte unserer Musik wider. Bass und Schlagzeug als treibende Elemente, repetitive Gitarren und der Gesang ganz vorn. Das ist definitiv eine Ansage.

Was ist bei euch das Besondere an diesem Stück?
Stefan Blaske: Ich glaube da hat jeder von uns seine eigene Stelle. Da der Text größtenteils von mir kommt, habe ich dazu natürlich eine persönliche Verbindung.

Auch „Treibsandkasten“ ist eine starke Nummer. Welchen Hintergrund hat dieses Stück?
Stefan Blaske: Instrumental hat es den Hintergrund, dass wir einen Song schreiben wollten, bei dem der Refrain anfangs nicht der lauteste Teil des Songs ist und sich dann in den Wiederholungen steigert. Den Text habe ich in New York geschrieben. All die gleich aussehenden Menschen zwischen den Häuserschluchten waren doch sehr faszinierend. Ein Piano über dem Eingangsbereich einer McDonalds-Filiale gab mir dann den Rest…

„L. B.“ heißt ein Song. Klärt gerne unsere Leser*innen auf, was die Abkürzung bedeutet!
Stefan Blaske: Der einfachste Hinweis wäre folgender: lies die beiden Buchstaben laut vor.

„5 nach 12“ muss natürlich erwähnt werden. Ob man will oder nicht. Der Song setzt sich fest und den skippt man nicht so schnell weiter. Was hat euch hier zu dieser Nummer bewegt?
Stefan Blaske: Es ist der älteste Song der Band und entstand schon in einer Zeit, vor Ole und Yuri. Quasi in der Findungsphase der Band. Danjo und ich hatten einfach Bock auf ein Spoken Word Ding. Damals gab es 1-2 Songs im ähnlichen Stil, die wir rauf und runter gehört haben. Der Text vermischt erlebtes und klassisches Storytelling und behandelt das eigentlich erst so richtig beginnende Drama nach dem Ende einer Beziehung. Das hat schon jeder von uns erlebt. Musikalisch ist es definitiv ein Sonderling zwischen den restlichen Songs. Das Outro mit dem Chor unsere Hommage an Goodbye Sky Harbour von Jimmy Eat World, auch wenn wir daraus keine Nummer mit 15 Minuten gemacht haben.

Wir haben jetzt einige Songs besprochen. Die Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Bei welchen Nummern fühlt ihr euch am meisten zu Hause? Was sind eure TOP 3 auf der Veröffentlichung?
Stefan Blaske: Da haben wir kein Ranking aber Geister, Gehen und Visum werden in den letzten Minuten einer Probe öfter gewünscht und gespielt. Nicht, weil wir sie nicht können, sondern weil es unendlich viel Spaß macht, sie zu spielen.

Auch haben wir Songzeilen besprochen. Auf welche seid ihr persönlich besonders stolz?
Stefan Blaske: “We’ll always be the kids with the colour in our hearts.” Das ist schon ein verdammt guter Slogan, der sich prima mit geballter Faust brüllen lässt.

Sicher habt ihr schon die ersten Rückmeldungen von Freunden und Verwandten zum Album. Was hat euch erfreut, was überrascht?
Stefan Blaske: Es gab unglaublich viel positives Feedback, auch wenn man Freunden und Verwandten eine gewisse Voreingenommenheit unterstellen darf. Überraschend war dennoch, dass alle versucht haben auch objektive Kritik zu äußern. Manchmal zurecht. Wir haben das Album ja relativ lange für uns behalten und mit Jens Müller, der uns aufgenommen und das Album maßgeblich mit uns geformt hat, echt um jedes Detail gekämpft. Das wissen unsere Freunde natürlich. Viel spannender ist es aber das Ding nun endlich neuen Leuten zeigen zu können.

Was ist nach dem Release geplant? Tour? neue Songs?
Stefan Blaske: Es soll natürlich möglichst schnell auf Tour gehen, einge Videos sind geplant und außerdem geht es dann wieder verstärkt ans Songwriting. Wir haben da über die letzten Lockdowns schon viel angesammelt. Uns wird auf jeden Fall nicht langweilig und da kommt noch eine Menge.

Kommen wir zum Schluss des Interviews zu Gedankenblitzen. Was bedeuten euch die folgenden Begriffe?
Punkrock 2021:
Stefan Blaske: Ist immer noch lebendig

Social Media:
Stefan Blaske: Nervig und zugleich süchtig machend

Song des Jahres:
Stefan Blaske: “Danger Dan – Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt” den hätte wohl jeder Musiker gern geschrieben.

Visum:
Stefan Blaske: …sollte kein Mensch mehr brauchen!

Kalte Hände – voller Beute:
Stefan Blaske: Kulturwissenschaftsseminar

Letzte Reise:
Stefan Blaske: …ist lange her.

Interviews in Corona Zeiten:
Stefan Blaske: …sind nur halb so persönlich.

Tough Magazine:
Stefan Blaske: Unbedingt abonnieren!!!!

Wir bedanken uns bei euch für die Zeit, die ihr euch genommen habt? Natürlich gehören die letzten Worte euch. Also los :)…
Stefan Blaske: Wir sehen uns hoffentlich bald wieder vor, hinter und auf den Bühnen dieser Welt. Verdammt… wir sind wirklich heiß drauf endlich wieder Livekonzerte zu spielen. Bleibt nett zueinander!!!

Tatsächlich haben wir uns sehr gefreut, dass Blaske sich die Zeit genommen haben. Mit „Vom Schwinden der Dinge“ werde die Jungs sicher noch ein paar erfreuliche Dinge erleben dürfen. Am besten live. Termine und weitere Infos findet ihr auf der Homepage. Und dort bekommt ihr sicher auf die „Vom Schwinden der Dinge“. Viel Spaß damit.

Interview von Thorsten im September 2021

Dieser Artikel wurde am: 30. September 2021 veröffentlicht.

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