Sven van Thom ist ein Tausendsassa. Nicht nur, dass er einst mit der Band Sofaplanet in den Charts und mit den Ärzten (aus Berlin!) die Bühne geteilt hat. Auch hat er nach dem Ende von Sofaplanet einige starke Solo-Alben auf den Markt gebracht (unbedingt reinhören!). Zudem ist er mit der wöchentlichen Rubrik „Tiere streicheln Menschen“ für den Radiosender radioEins am Start. Und immer wieder erfindet er sich neu. In diesem Jahr besonders. Zuerst mit dem ernsteren Album „Liebe & Depression“ und nun eine quasi-Fortsetzung von „Tanz den Spatz“ – ein neues Album mit Kinderliedern, die sicher auch Erwachsenen gefallen dürften. Wir jedenfalls haben die CD „Spuckepack“ sehr genossen und haben uns gefreut, dass sich Sven van Thom für einige Fragen zur Verfügung gestellt hat.
Hey Sven, schön dass du dir die Zeit fürs Interview nimmst. Wobei erwischen wir dich gerade?
Sven: Ich habe gerade an einer Kindergeschichte geschrieben, für ein Projekt, von dem ich nicht weiß, ob ich darüber schon was erzählen darf. Deshalb bleibe ich an dieser Stelle mal mysteriös wortkarg.
Für Leute, die dich noch nicht kennen. Stell Sven van Thom einmal in wenigen Sätzen vor.
Sven: Unter dem Namen Sven van Thom mache ich seit etwa 2008 deutschsprachigen Gitarrenpop, mal mit albernen Texten, mal mit melancholischen. Schon viel länger stehe ich aber mit meinem Kumpel Martin „Gotti“ Gottschild auf der Bühne. Als „Tiere streicheln Menschen“ sorgen wir für kurzweilige Abende – Gotti liest, ich singe, und die Leute lachen üblicherweise. Aufgewachsen bin ich im Brandenburgischen Wandlitz und Umgebung. Nachdem ich knapp 20 Jahre in Berlin gewohnt habe, hat es mich nun in die Hessische Provinz verschlagen. Und dann kam Corona. Besteht da ein Zusammenhang? Wer kann das mit Gewissheit sagen? Neben der Musik spreche ich manchmal noch kleinere Rollen beim „Sandmann für Erwachsene“ und kümmere mich dort um die Geräusche. Und bestimmt habe ich jetzt noch irgendetwas vergessen.
Ich habe es oben schon erwähnt. Ein Tausendsassa. Du bist sehr vielfältig aufgestellt. Du schreibst Kinderlieder aber bist auch bei ernsten Themen am Start. Dazu zum Teil dunkler Humor wie auf der „Ach!“-CD. Wie entscheidest du dich, in welcher Richtung du gerade aktiv bist?
Sven: Bei meinen Alben ist es üblicherweise so, dass ich mir relativ viel Zeit lasse. Ernsthafte Lieder, Comedy-Songs, Kinderlieder… die entstehen alle mehr oder weniger parallel. Und wenn ich denke, dass im nächsten Jahr mal wieder eine Kinderlieder-CD fällig wäre, dann setze ich mich konzentriert dran und mache sie fertig. Mein Notizblock ist dann normalerweise schon voll mit Skizzen oder auch fertigen Songs, die ich dann „nur“ noch aufnehmen muss. Ich habe also ständig einen Pool von unveröffentlichten Liedern, die ich, wenn ich Lust darauf habe, so aussuchen und zusammenstellen kann, dass sich für mich ein schlüssiges Album daraus ergibt.
In diesem Jahr ist sehr viel von dir erscheinen. Hat dir Corona als Songschreib-Assistent gedient?
Sven: Bedingt. Es sind ein paar Songs für die Tiere-streicheln-Menschen-Rubrik darüber entstanden, die ich im Sommer auch bei unseren Live-Auftritten aufgeführt habe. Ob ich diese Lieder jedoch für Alben verwende, ist eher fraglich. Das Thema „Corona“ ist vielleicht doch zu speziell und taugt nur für eine Momentaufnahme. Mal sehen!
Wie gehst du mit der ständigen Corona-Diskussion um? Genervt? Amüsiert?
Sven: Von allem etwas. Ich versuche natürlich die amüsanten Seiten der Pandemie zu finden, um daraus irgendetwas Brauchbares für die Bühne oder fürs Radio zu zimmern. Aber so langsam reicht’s dann auch mal – jetzt, nach über anderthalb Jahren! Am meisten nervt dieses Hin und Her, was die Auftritte anbelangt. Open-Air war ja im Sommer Einiges möglich. Aber die Termine im Herbst und Winter stehen doch auf sehr wackeligen Füßen. Welche Beschränkungen und Regeln wird es in zwei oder vier Monaten geben. Man kann eigentlich nicht verbindlich planen. Und vor allem habe ich keine Lust, das Virus von einer Tour mit nach Hause zu schleppen und andere anzustecken, die sich noch nicht impfen lassen können. Und es ist natürlich auch sehr unangenehm, Leuten, die sich vor über einem Jahr Karten zu meinen Konzerten gekauft haben, ständig vertrösten zu müssen und zu sagen, dass der Termin schon wieder verschoben werden muss.
Zu Beginn deiner Karriere warst du mit Sofaplanet unterwegs. Immer wieder gibt es Bands, die nach langer Zeit zurückkommen. Könntest du dir das auch für Sofaplanet vorstellen?
Sven: Nicht wirklich. Selbst, wenn ich Lust darauf hätte, bin ich mir ziemlich sicher, dass Gotti und Jan, die damals Bass und Schlagzeug gespielt haben, sich dazu nicht nochmal hinreißen lassen würden. Ich glaube auch kaum, dass es ein Publikum gibt, dass uns Herren in ihren Vierzigern nochmal sehen möchte, wie sie „liebficken“ spielen, haha!
Wenn man deine Discographie betrachtet, so muss man sicher auch das Album „Ach!“ besprechen. „Dein Vater ist ein Nazi“ zum Beispiel ist ein Song, der gerade im Wahljahr wichtig sein könnte. Was bedeutet dir das Stück heute im Vergleich zu der Zeit, als du die Nummer geschrieben hast?
Sven: Zuerst einmal bin ich sehr froh, dass der Text komplett ausgedacht und nicht autobiographisch ist. Ich verbinde mit dem Song allerdings eher meine Jugend auf dem Land in Brandenburg. Dieses unter jungen Menschen sehr verbreitete Rechts-Sein als Mode hat mich damals schon sehr geprägt und mich in meiner Anti-Haltung dazu bestärkt. Während das Lied vor 10 Jahren bei Konzerten eher amüsant rüber kam, würde ich mich heute vielmehr fragen, wieviele Nazis eigentlich gerade im Publikum sitzen. Die Bedrohung von Rechts war zwar nie weg, aber sie ist wieder viel offensichtlicher geworden. Im ersten Zehntel des Jahrhunderts war das Thema einfach nicht so präsent. Schade, dass das Lied heute aktueller ist als zu seiner Entstehung!
Du hattest mit „Pudding mit Frisur“ und hast mit „Tiere streicheln Menschen“ eigene Programme (unter anderem im Radio). Was war hier für dich das Besondere an diesen Konzepten?
Sven: Für „Pudding mit Frisur“ habe ich über zwei Jahre hinweg wöchentlich neues Lied für radioeins geschrieben und produziert. Das war eine heftige Aufgabe, irgendwelche Themen zu verwursten, die gerade in dem Medien besprochen werden – ob Politik, Gossip oder auch alberne Kuriositäten. Es war eine krasse Fleißarbeit, aber der kreative Part daran – also das schreiben der Texte – was sicherlich der anstrengendere Teil. Spaß hat es eigentlich meistens dann gemacht, wenn ich zu der Zeit kein Live-Programm schreiben oder absolvieren musste. Das war jedoch sehr oft nicht der Fall, weil ich mit „Tiere streicheln Menschen“ vor Corona sehr viel unterwegs war. Ich bin froh über einige Lieder, die daraus entstanden sind – z.B.: „Bud Spencers Faust“ oder „Das Jahr, in dem Manfred Krug starb“ – aber nach mehr als 80 Beiträgen war’s dann auch mal gut. Das Schöne an Tiere streicheln Menschen ist für mich die Energie, die Gotti und ich zu zweit auf der Bühne entwickeln. Gotti ist einfach der lustigste Mensch, den ich kenne. Zudem machen wir das jetzt alles schon so lange, dass es einfach läuft wie eine gutgeölte Maschine – bis auf unseren ersten Auftritt nach den ganzen Lockdowns: anderthalb Jahre hatten wir uns nicht gesehen und standen nun endlich wieder gemeinsam auf der Bühne. Das war die unbeholfenste und schwerfälligste Tiere-Show ever. Die armen Leipziger! Aber schon beim nächsten Auftritt war es, als hätte es die Corona-Pause nie gegeben. Das war schön.
Sind solche Dinge weiterhin geplant?
Sven: Unsere Radiorubrik läuft ja die ganze Zeit weiter. Im Herbst sind noch etliche Live-Nachholtermine vom letzten Jahr geplant. Mal sehen, ob wir die auch alle durchziehen können.
Kommen wir zu den aktuellen CDs. „Liebe & Depression“ aber auch „Spuckepack“ stehen im Laden. In „Liebe & Depression“ widmest du dich Ausnahmesituationen. Ein (für deine Verhältnisse) unglaublich ernstes Album. Welche Songs sind dir hier besonders wichtig?
Sven: Mein Favorit ist der letzte Track, „Sie ist immer noch hier“, weshalb ich dafür auch ein Video gemacht habe, das ich sehr mag. Für mich gehört es eher zur Kategorie „Liebe“, aber Leute hören darin auch etwas, das zur „Depression“ passt.
Bei mir bleibt „Verlieb dich bloß nicht in mich“ im Ohr. Hammer Song. Hammer Text. Wie waren die Reaktionen von Freunden und Fans auf solch ein Nummer?
Sven: Ich habe ein paar Male gehört, dass das Lied ein guter erster Track für diese Platte sei. Und das deckt sich auch mit meinem Empfinden, obwohl es musikalisch ein so zurückhaltendes Stück ist. Der Text führt ganz gut in die beiden Hauptthemen des Albums ein.
Nach dem Ernst des Lebens, hören wir sicher mit der nun erschienenen „Spuckepack“ viel Kinderlachen. Wann hast du dich entschieden „Tanz den Spatz“ fortzusetzen?
Sven: Ich habe vor gut zwei Jahren beim Verlag Oetinger angefragt, ob sie Lust hätten, ein zweites Kinderlieder-Album von mir herauszubringen. Da die Antwort sofort ein freudiges Ja war, stand dem nicht mehr viel im Weg, außer der ganzen Arbeit, die dann auf mich wartete, haha! Ich sehe da keinen Unterschied.
Das Album ist als Figur für die Tonie-Box anvisiert. Gibt es da schon Neuigkeiten?
Sven: Also, ich würde mir natürlich wünschen, dass es das Album auch als Tonie-Figur gäbe. Ob die Tonies darauf auch Lust haben, weiß ich noch nicht. Daumen drücken!
Wie gehst du an so Songs ran? Kinderlieder, die gleichzeitig Erwachsenen gefallen dürften. Sind die Texte da schwerer zu schreiben für dich?
Sven: Nein, eigentlich nicht. Vielleicht sogar im Gegenteil: Wenn erst einmal ein Thema gefunden ist, schreibt sich so ein Lied fast von allein. Thematisch eröffnet sich mit dem Kinderlied ja oft eine ganz neue Welt, in der ich mich austoben kann. Und die Freude ist umso größer, wenn ich dann vielleicht kleine Wortspiele oder Gags mit einflechten kann, die eventuell nur die Erwachsenen verstehen.
Ein Knaller ist natürlich „Dein Papa kann nicht kochen“. Gab es schon Beschwerden von Vätern?
Sven: Ja, ein guter Freund meinte, es wäre in Zeiten von Gendergerechtigkeit, bzw. dem Kampf darum, doch nicht mehr zeitgemäß zu behaupten, dass nun gerade der Mann im Haushalt nicht kochen könne – als würde ich damit ein altes Klischee bedienen, dass es die Frau ist, die in die Küche gehört. Ich weiß nicht, ob er Recht damit hat. Meine Tendenz geht eher zu: Nein, hat er nicht.
„Wenn du Schluckauf hast“ ist ebenso ein großer Lacher. Bist du dir sicher, dass du mit diesem Text im Hintergrund den Schluckauf vertreiben kannst? Aber die Idee mit dem Keller ist gut…😊
Sven: Ich bin mir sicher, dass das Rezept wirkt. Wenn man alle Tipps im Refrain befolgt, ist man nämlich unter Umständen mehrere Stunden lang beschäftigt – da wird der Schluckauf doch wohl irgendwann weggehen! Haha!
„Heute bade ich mich schrumplig“ ist natürlich die Hymne für Badefreunde. Singst du das Lied auch beim Baden?
Sven: Gewiss! Allerdings bade ich viel zu selten. Das Lied singt sich aber auch gut beim Duschen.
Sicher wird die CD gut ankommen. Kannst du dir auch mal ein Live-Event für Kinder vorstellen?
Sven: Ich habe vor zwei Jahren ja schon eine Handvoll Kinderkonzerte gespielt. Sogar mit dreiköpfiger Begleitband. Das würde ich auch gerne wieder machen. Vermutlich wird’s aber erstmal eher im kleineren Rahmen passieren – vielleicht als Duo. Mal sehen!
Wo wird man dich denn in nächster Zeit bewundern können?
Sven: Ich bin Anfang Oktober 2021 bei zwei „Unter meinem Bett“-Liveshows dabei. Einmal in Bremen und dann noch in Frankfurt. Das sind Kinderkonzerte, bei denen ich nur ein kleiner Teil eines großen Ganzen bin. Aber es wird erfahrungsgemäß ein großer Spaß.
Nach der CD ist vor… Was erwartet uns als nächstes von Sven van Thom?
Sven: Ich sitze seit Monaten daran, die nächste CD für „Tiere streicheln Menschen“ zu mischen und Material dafür auszuwählen. Ich hoffe, dass ich bald fertig werde und wir das Album auch noch in diesem Jahr veröffentlichen können. Leider kommen mir ständig andere Sachen in die Quere. Aber das wird schon!
Kommen wir zum Schluss des Interviews zu Gedankenblitzen. Was bedeuten dir die folgenden Begriffe?
Kindergarten
Sven: Der Ort, wo man noch Faschingskostüme tragen kann, wegen derer man später in der Schule einmal ausgelacht wird. Ich spreche aus Erfahrung.
Pop-Star
Sven: Wollte ich mal werden. Aber heute würde ich mit Billie Eilish nicht tauschen wollen.
Superhelden
Sven: Haben mich nie dolle interessiert. „Wir sind Helden“ schon eher.
Song des Jahres
Sven: „Solar Power“ von Lorde – da musste ich nicht lange überlegen.
Große Bühne
Sven: Ist schön, wenn auch entsprechend viele Leute davor stehen oder sitzen.
Einhörner
Sven: Alltag im Taunus – die fallen mir schon gar nicht mehr auf!
Interviews in Corona-Zeiten
Sven: Darüber werden wir später mal sagen: „Wir hatten ja sonst nix!“
Tough Magazine?
Sven: Sehr viel sympathischer als die Fernsehsendung „Taff“, bei der ich 2001 mal zu Gast war.
Wir bedanken uns bei dir für die Zeit, die du dir genommen hast? Natürlich gehören die letzten Worte dir. Also los :)…
Sven: Ich habe zu danken für die Einladung. Meine letzten Worte: Mir fallen gerade nur Aufrufe zum Impfen ein, aber ich glaube, den Shitstorm erspare ich mir lieber!
Tatsächlich haben wir uns sehr gefreut, dass Sven van Thom sich die Zeit genommen hat. Ein Musiker, den man im Auge behalten sollte. Dazu eignet sich natürlich die Homepage bestens. Schaut einfach mal auf der Homepage vorbei. Großes Kino. Wir wünschen nur das Beste und freuen uns auf weitere Projekte von und mit Sven van Thom.
0 Kommentare