„Peter Hogart, übernehmen Sie“: Andreas Gruber im Interview

„Peter Hogart, übernehmen Sie – wieder!“. Schon vor einiger Zeit durften wir mit dem österreichischen Autor Andreas Gruber ein Interview über Musik führen. Dabei haben wir auch kurz über seine Bücher gesprochen. Ganz neu ist derzeit, der dritte Teil der Peter Hogart Reihe erschienen. „Die Knochennadel“ ist ein spannendes drittes Kapitel, das der Figur Peter Hogart sehr zusetzt. Zu dieser Reihe haben wir ein zweites Mal bei Andreas Gruber nachgefragt und waren froh, dass er sich wieder Zeit nahm. Auch einige Fan-Fragen haben wir (zum Teil leicht abgeändert) mit ins Interview aufgenommen. Danke an euch für die Fragen und die Anregungen. Aber jetzt: Seid gespannt auf die Antworten rund um den Kosmos von Hogart.

Hallo Andreas, schön dass du dir die Zeit für den zweiten Teil des Interviews nimmst. Gerade eine stressige Zeit für dich, oder? „Die Knochennadel“ auf dem Markt, eine kleine Lesereise und auch schon ein neues Buch kurz vor der Fertigstellung. Wie geht es dir gerade?
Andreas: Überraschenderweise bin ich sehr entspannt. Corona hat da natürlich auch einen Teil dazu beigetragen, damit sich mein Leben ein bisschen entschleunigt hat. Langsam läuft jetzt aber wieder alles an: Lesereisen, Interviews, Buchtermine und die Arbeit am nächsten Buch. In der Corona-Zeit habe ich die Arbeit an vielen Projekten zeitlich vorgezogen, weil ich mehr Zeit hatte, daher habe ich jetzt ein gutes Polster und komme nicht ins Trudeln.

Die Lesungen drehen sich natürlich um das aktuelle Werk „Die Knochennadel“. Nach langer Zeit hast du wieder einen Peter Hogart Fall am Start. Ein herrliches Buch. Warum hast du dir hier nach dem Vorgänger „Die Engelsmühle“ so lange Zeit gelassen?
Andreas: Das lag daran, dass ich mit dem Verlag neue Reihen entwickelt habe: Die „Rache-Reihe“ mit Walter Pulaski und Evelyn Meyers, und die „Todes-Reihe“ mit BKA-Profiler Maarten S. Sneijder und Sabine Nemez, und die Jugendbuch-Reihe „Code Genesis“. Da war einfach keine Zeit für einen dritten Peter Hogart, obwohl die Idee zur „Knochennadel“ schon viele Jahre in meiner Schreibtischschublade geschlummert hat. Aber jetzt war dann die Zeit reif und ich bekam einen Vertrag für diesen dritten Teil.

Der Ermittler Peter Hogart ist ein komplett anderer Typ als dein bekanntester Ermittler Sneijder. Ist es für dich auch beim Schreiben anders, je nachdem in welcher Reihe du dich gerade befindest?
Andreas: Ja, natürlich, ich muss mich bei jedem Roman wieder neu in die Figuren hineinfinden. Obwohl zwischen Hogart Teil 2 „Die Engelsmühle“ und Teil 3 „Die Knochennadel“ zwölf Jahre vergingen, fiel es mir aber nicht schwer, erneut in die Figur des Privatdetektivs Peter Hogart zu schlüpfen, weil er die älteste, und damit auch autobiografischste Figur ist, die ich erfunden habe. Wir teilen so viel gemeinsame Ansichten und Hobbies, dass es für mich eine Art Nach-Hause-Kommen war, wieder über Hogart zu schreiben.

Das Buch „Die Knochennadel“ ist deutlich komplexer und auch umfangreicher als die beiden Vorgänger. Bedeutet dir dieser Band auch mehr?
Andreas: Mein Stil, Geschichten zu erzählen, hat sich seit den ersten beiden Hogart-Bänden „Die schwarze Dame“ und „Die Engelsmühle“ etwas verändert. Mittlerweile sind die Handlungen mit zwei Handlungssträngen und Rückblenden viel komplexer geworden, als die linear erzählten ersten beiden Hogart-Bände. Genauso sind die Locations, die in den Romanen vorkommen, breiter gestreut, als die ersten beiden, einem Kammerspiel ähnlichen Hogart-Bände. Dennoch würde ich diese beiden Bücher heute wieder genauso schreiben wie damals. Es war der Auftakt dieser Reihe, der den Detektiv, sein familiäres Umfeld mit Bruder, Mutter und Nichte Tatjana, sowie seinen Lebensraum Wien einführt. In Teil 3 „Die Knochennadel“ durfte Hogart dann schon weiter reisen, bis nach Paris, in die Normandie und die Côte d’Azur.

Nach so langer Zeit hast du die Sneijder Reihe unterbrochen, um wieder über Hogart zu schreiben. Wie sind die folgenden Monate geplant? Sneijder klopft schon leise an die Tür aber wirst du auch Hogart weiterführen oder bleibt es bei der Trilogie?
Andreas: Vorerst wird es bei dieser Hogart-Trilogie bleiben. Als nächstes erscheint im September 2021 Teil 6 der Sneijder-Reihe „Todesschmerz“ und für September 2022 ist ein großer Überraschungs-Roman geplant, über den ich jetzt noch nichts verraten möchte. Aber der Vorhang wird noch in diesem Herbst gelüftet werden. Auf jeden Fall werden sich die Sneijder und Pulaski Fans sehr freuen, davon bin ich überzeugt.

Kommen wir zu den Inhalten. Hogart ermittelt an verschiedenen Orten. Prag im ersten Band. Wien im zweiten Band. Paris im dritten Band. Welchen Bezug hast du zu den Städten, über die du schreibst?
Andreas: Wien ist meine Heimatstadt, in der ich die ersten siebzehn Jahre meines Lebens verbracht und dort sozusagen meine Kindheit und Teeangerjahre verbracht habe. Das prägt einen Menschen. Es ist die Stadt, die ich auch am besten kenne. Von daher war es klar, dass ich als Heimatort meiner ersten Kriminal-Figur Wien wähle. Nach Prag habe ich eine Städtereise mit meiner Frau unternommen, um die Schauplätze zu recherchieren, wobei sich Wien und Prag sehr ähneln, da es beide ehemalige k.u.k. Kaiserstädte sind.
Der 3. Teil hätte ja ursprünglich in Budapest spielen sollen, doch dann habe ich mich für Paris entschieden. Dort war ich schon zweimal im Rahmen ausgedehnter Städtereisen, und als großer Fan des Films „Die fabelhafte Welt der Amélie“ war es dann für mich klar, dass dieser Teil dann doch dort spielen sollte.


Credit: Michael Adam

Was unterscheidet für dich persönlich „Die Knochennadel“ von den Vorgängerwerken „Die schwarze Dame“ und „Die Engelmühle“?
Andreas: Chronologisch ist da nicht viel Unterschied, weil die Handlung von Teil 3 genau ein Jahr nach Teil 2 spielt, obwohl dazwischen 12 Jahre vergangen sind, in denen ich an anderen Büchern gearbeitet habe. Aber stilistisch und erzähltechnisch hat sich einiges geändert:
– Ich denke, mein Stil ist knapper geworden und nicht so ausufernd, wie früher
– Die Handlung ist vielleicht eine Spur härter geworden, weil ich mittlerweile mit liebgewonnenen Figuren nicht mehr so zimperlich umgehe wie früher
– Durch einen zweiten Handlungsstrang kommen mehr Figuren ins Spiel, wodurch die Handlung deutlich komplexer, abwechslungs- und facettenreicher wird
– Durch meine Vorliebe für Rückblenden kann ich Storys im größeren Zeitrahmen erfinden, d.h. die Geschichte kann schon mal mitunter weit zurück in die Vergangenheit reichen, was es für mich leichter macht, bestimmten Figuren mehr Tiefe zu verleihen.
– Auch bin ich draufgekommen, dass meine Kapitel im Lauf der Zeit kürzer werden
– Tja, und der Roman ist einfach um 150 Seiten länger, wodurch sich deutlich mehr erzählen lässt

Dieses Mal widmest du dein Buch einer Pokerlegende. 😊 Denkt Andreas Gruber nach, einen Western zu schreiben? 😉
Andreas: Ha, ha, nein … obwohl ich habe tatsächlich schon mal einen Western geschrieben. Die Kurzgeschichte „Schießerei am O. K. Corral“ in meiner Storysammlung „Northern Gothic“ aus dem Luzifer-Verlag ist ein Western. Darin habe ich meine Liebe zum Thema Wyatt Earp verarbeitet. Ich lese ja heute immer noch gern die Western-Taschenbücher von G. F. Unger, weil er einfach einen großartigen Stil hatte, aber einen Western-Roman selbst würde ich nicht schreiben.
Ja, und was die Pokerlegende Robert Froihofer betrifft, der das Buch gewidmet ist, das ist mein Nachbar, mit dem ich gerne Texas-Hold-Poker spiele, mit Blind-Erhöhung in jeder Runde. Meistens gewinnt er, weil er einfach besser bluffen kann und ich ein Feigling bin.

„Die Knochennadel“ startet mit einem Prolog, der fünfzehn Jahre vor der eigentlichen Handlung spielt. Ein harter Einstieg, der einem den Kaffee aus der Hand fallen lässt. Fühlst du mit den Figuren mit, wenn du solche tragischen Ereignisse beschreibst?
Andreas: Ja, ja, natürlich fühle ich mit. Manchmal zerreißt es mir sogar das Herz, wenn ich mich in Figuren hineindenke und tragische Momente aus deren Leben beschreibe. Um kurz aus dem Nähkästchen zu plaudern: Meine Texte sind ja nicht aus der Sicht eines allwissenden Erzählers geschrieben, der die Szenen objektiv beschreibt, sondern immer aus der Erzählperspektive einer Figur erzählt. Das heißt, die Leserinnen bekommen mit, was die Figur denkt und fühlt. Und tragische Momente ziehen nun mal tragische Gefühle mit sich. Besonders hart wird es dann für ein Kind, wenn es zusehen muss, wie ein Elternteil stirbt, wie beispielsweise zu Beginn der „Knochennadel“.

Du hast es ja schon im ersten Teil des Interviews angedeutet, wie du mit zwei verschiedenen Handlungssträngen umgehst. In diesem Fall hast du in der „Nebenhandlung“ Zeitsprünge, in denen sich die Figuren entwickeln. Denkst du über diese Figuren auch in deiner Freizeit nach? Zum Beispiel über Gründe, warum diese sich innerhalb einer Zeitspanne in eine bestimmte Richtung entwickeln?
Andreas: Ich schreibe etwa ein Jahr lang an einem 600 Seiten Buch – beginnend mit dem Entwurf der Handlung bis zum finalen Endlektorat – und in dieser Zeit begleiten mich die Figuren ständig. Immer wieder begleiten mich die Fragen: Was muss passieren, damit eine Figur so reagiert? Wie waren die Kindheit und Jugend dieser Figur? Wie hat sie sich entwickelt? Warum hat sie sich so entwickelt? Was will sie vom Leben? Wie weit würde sie gehen, um ihr Ziel zu erreichen?
Je besser man seine Figuren kennt, umso zielgenauer, pointierter und überzeugender kann man eine fesselnde Geschichte erzählen. Darum habe ich – um jetzt mal ein Beispiel zu nennen – die Geschichte des Geschwisterpaars Aimée und David aus der „Knochennadel“ gemeinsam mit einer Psychologin entwickelt. Das ist für mich ein wichtiger Schritt, denn Handlung und Charaktere müssen immer stimmig zusammenpassen.

Bei dem ersten Hogart Buch dachte ich, dass Hogart der typische Einzelgänger und Einzelkämpfer ist. Doch getäuscht. In „Die Knochennadel“ funktioniert er auch im Team wieder super. Hast du Hogart für dich somit neu erfunden?
Andreas: Es stimmt, Peter Hogart ist ein Eigenbrötler, aber ich stoße ihn immer wieder gern in Situationen, wo er gezwungenermaßen im Team mit einer anderen Person zusammenarbeiten muss, weil sie den Fall nur gemeinsam lösen können. In „Die schwarze Dame“ ist es die Prager Privatdetektivin Ivona Markovic, in „Die Engelsmühle“ ist es Hogarts Nichte Tatjana und in „Die Knochennadel“ sind es die Pariser Security-Dame Chloé Rousseau und die französische Polizistin Liv Sabatier. Mir war es immer wichtig, Hogart einen weiblichen Part zur Seite zu stellen.
Und ja, richtig beobachtet, in „Die Knochennadel“ arbeitet Hogart zum ersten Mal auch mit Helmut Rast und Kohlschmied von der Versicherung Medeen & Lloyd zusammen – auch gezwungenermaßen – aber das wollte ich ihm in diesem dritten Teil nicht ersparen .

Auch ist die Verwandtschaft wieder eingebunden. Tatjana bekommt etwas Spielraum, den sie gut ausfüllt. Für dich eine Heldin mit Zukunft?
Andreas: Vorerst ist die Hogart-Trilogie mit „Die Knochennadel“ einmal zu Ende erzählt. Sollte es aber doch noch einen vierten Teil geben, so ist Tatjana bestimmt wieder mit an Bord. Ein paar Jahre älter, aber genauso bockig.

Wieder einmal muss Hogart in diesem Buch einen Verlust hinnehmen. Welcher das ist, verraten wir natürlich nicht. Wie fühlst du dich persönlich, wenn du Figuren sterben lässt? Ist es für dich nicht so, dass du damit auch eine Chance aus der Hand gibst, diese Figur weiterzuentwickeln?
Andreas: Jein! Erstens öffnet sich dort, wo eine Tür geschlossen wird, eine andere, was heißen soll, dass nach dem Tod einer Figur wieder Platz für neue Figuren geschaffen wurde. Das hält eine Serie in meinen Augen in Bewegung und lässt sie nicht in vorgegebenen Strukturen erstarren. Außerdem heißt es in der Schriftstellerei so schön: „Kill your Darlings“, was wiederum bedeutet, dass man sich von Liebgewonnenem trennen muss, um Neues auf die Bühne bringen zu können. Dadurch können sich die Leserinnen auch nie sicher sein, was als nächstes passieren wird, was – wie ich hoffe – wiederum die Spannung steigert.

Im Buch geht es nicht nur um ein unbezahlbares Artefakt. Es steckt mehr hinter der „Knochennadel“ als man ursprünglich denkt. Auch viele Kunsthändler sind davon betroffen. Die Jagd durch Paris scheint so etwas wie eine „Schnitzeljagd des Schreckens“ zu werden. Welche Szene hat dir hier am meisten Spaß gemacht, zu schreiben?
Andreas: Es sind oft die Todesszenen, wenn jemand stirbt, die mir besonders Spaß machen, sofern es mir gelingt, damit etwas Neues und Originelles zu kreieren. Ich bin sicher nicht pervers veranlagt, aber so etwas zu schreiben macht mir einfach tierisch Spaß. Und Fluchtszenen, wenn jemand irgendwo versucht, abzuhauen, schreibe ich auch gern. Konkret sind das bei „Die Knochennadel“ die Szene mit dem Säurebecken und der anschließende Kampf auf der Holzplattform in der Bucht.


Credit: Barbara Wirl

Und an welcher Szene hast du am längsten gesessen?
Andreas: Tatsächlich an der Szene mit dem Säurebecken. Erstens brauchte ich viele Anläufe und Überarbeitungen bis ich Hogarts Gefühlswelt passend getroffen habe und die richtige Mischung aus Trauer, Rache, Wut und Verzweiflung auf dem Papier hatte. Und zweitens musste ich meine Recherchen so abspecken, damit die Szene nicht über-recherchiert wirkt aber trotzdem noch alle wichtigen Informationen beinhaltet, die der Leser braucht, um zu verstehen, was da gerade passiert.

Nicht immer ist ein gutes Ende auch ein komplettes Happy End. Auch hier gibt es etwas zu betrauern. Hast du dir auch alternative Enden überlegt oder war es für dich von Anfang an klar, dieses Buch so enden zu lassen?
Andreas: Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, dass ein komplettes Happy End kein gutes Ende ist. Zumindest für einen Thriller. Damit meine ich, dass ein komplettes Friede-Freude-Eierkuchen-Happy End für einen Thriller zu kitschig ist und damit total unrealistisch wirkt. In meinen Augen hallen Enden bei den Lesern auch noch Wochen später nach, wenn sie nicht nur einen zufriedenstellend Abschluss bilden, die alle bisher ungelösten Fragen lösen und die offenen Enden zusammenführen, sondern den Leserinnen auch noch einen Dämpfer in die Magengrube versetzen. Eine Wendung, mit der niemand gerechnet hat und einiges in einem anderen Licht darstellt. Das Ende von „Rachewinter“ ist da, denke ich, ein gutes Beispiel. Oder das Ende von „Todesmärchen“.
Aber um deine Frage zu beantworten: Ja, das Ende der „Knochennadel“ hat für mich schon von Anfang an so festgestanden.

Bleiben wir bei dem Ende einer Geschichte. Bücher von dir wurden schon verfilmt. Auch „Die Knochennadel“ würde ein guter Thriller werden. Manchmal ändern Regisseure das Ende von Büchern (Stephen King ist da ein gutes Beispiel). Würdest du da mitgehen, wenn ein Regisseur hier anders agiert als im Buch beschrieben?
Andreas: Ja, auf jeden Fall. Vorausgesetzt der Regisseur und die Drehbuchautorin sind Profis. Und zwar deshalb, weil für mich klar ist, dass Buch und Film zwei unterschiedliche Medien sind, die nach unterschiedlichen Regeln funktionieren müssen. Was bei Büchern toll wirkt, würde im Film nicht funktionieren – und umgekehrt. Ein Beispiel ist der Beginn des Buches „Todesfrist“ und die filmische Umsetzung: Im Buch stirbt Sabine Nemez’ Mutter und Sabine versucht, diesen Mord aufzuklären. Im Film dagegen stirbt die beste Freundin der Mutter, und zwar deshalb weil ich im Buch auf 500 Seiten ausreichend Zeit habe, Sabines Trauerarbeit zu zeigen. Im Film stehen uns jedoch nur 90 Filmminuten zur Verfügung, und weil die Handlung ohnehin schon so komplex ist, wollten wir diese Trauerminuten einsparen, um mehr vom restlichen Plot zeigen zu können. Das hat natürlich nicht allen Lesern gefallen, die den Film gesehen haben, aber es war ein notwendiger Schritt, um die Handlung zu komprimieren. Drehbücher funktionieren einfach anders als Bücher, weil die Sehgewohnheiten der Zuschauer anders sind als die Gewohnheiten der Leser, die sich in ihrer Fantasie bestimmte Szenen und Figuren ganz anders ausmalen als dann auf der Leinwand gezeigt. Figuren und Locations müssen anders eingeführt werden – und daher sind für mich Änderungen nachvollziehbar. Darum sollte man meines Erachtens Filme und Bücher nie miteinander vergleichen und als separate Medien betrachten.

In manchen (vielleicht auch diesem, aber das verraten wir nicht 😊) Büchern sterben ja die Bösewichte. Könntest du dir vorstellen, einen Bösewicht wieder auftauchen zu lassen? Vielleicht auch aus anderen Romanen? Wenn ja, welcher könnte uns wieder beehren?
Andreas: Es gibt tatsächlich einen Bösewicht in der Todes-Reihe von Maarten S. Sneijder, der in einem der weiteren Bände wieder auftauchen wird. Deshalb habe ich die „Sterbeszene“ so angelegt, dass man nicht sicher sein kann, ober er/sie tatsächlich tot ist. Aber um welche Figur es sich handelt, will ich hier noch nicht verraten, da es noch einige Jahre dauert, bis sie auf dem Papier ihr großes Comeback feiern und Sneijder in die Verzweiflung stürzen wird.

Eine Frage, die sich mir schon länger stellt, da ich beide Charaktere so gut finde. Könnte es mal in einem Buch ein Treffen deiner Ermittlerteams kommen? Peter Hogart und Maarten S. Sneijder die einen Fall aus verschiedenen Blickwinkeln aufklären wollen. Ein interessanter Ansatz?
Andreas: Ja, durchaus. So ein Crossover, in dem sich Figuren aus verschiedenen Reihen über den Weg laufen, finde ich sehr reizvoll und habe ich in den nächsten Romanen tatsächlich schon eingeplant. Allerdings möchte ich hier noch nicht verraten, um wen es sich dabei handelt. Jedoch wird es nicht so sein, dass derselbe Fall aus zwei verschiedenen Blickwinkeln erzählt wird – das fände ich langweilig –, sondern es wird so sein, dass es sich anfangs um zwei verschiedene Fälle handelt, die dann zusammenlaufen, wobei sich herausstellt, dass es sich in Wahrheit um einen (!) gemeinsamen Fall handelt, hinter dem ein viel größeres Geheimnis steckt.


Fanfragen

Welches ist deine Lieblings-Nebenfigur aus den Hogart Romanen und warum?
Andreas: Die in Würde gealterte Pariser Bühnenschauspielerin Mimi Trebitsch aus „Die Knochennadel“ ist mir spontan ans Herz gewachsen, als ich die ersten Absätze aus ihrer Erzählperspektive geschrieben habe. Ich habe mich sogar in diese Figur verliebt, was umso tragischer ist, da sie nach nur einem Kapitel wieder von uns geht. Kill your Darlings!

Mit welchem Tatort Kommissar vergleichst du Peter Hogart und könntest du ihn dir in einem Tatort-Team vorstellen?
Andreas: Ohje, dadurch, dass ich keinen „Tatort“ schaue, kann ich diese Frage leider nicht beantworten.

In „Die Knochennadel“ geht es um Kunst. Für welche Künstler interessierst du dich?
Andreas: Eher moderne. Für Musiker, dieses Thema hatten wir ja schon im ersten Teil des Interviews. Für Comic-Zeichner und Cartoonisten, wobei mir vor allem die franko-belgischen Comicmaler der 60er, 70er und 80er Jahre am besten gefallen. Ich habe so meine Lieblingsschauspieler wie Louis de Funés oder Lieblingsregisseure wie J. J. Abrams oder David Fincher. In der Bildhauerkunst kenne ich mich dagegen überhaupt nicht aus.

Hast du eine Lieblings-Kunst-Epoche?
Andreas: Ich würde sagen die Film-Noir-Ära der 40er und 50er Jahre, sowie die Popart-Epoche seit den 70er Jahren was Musik, Comics und Film betrifft.
Ansonsten kenne ich mich mit Kunst leider gar nicht aus. Da geht es mir wie Peter Hogart, ich kann ein Renaissance-Gemälde nicht von einem U-Bahn-Graffiti unterscheiden.

Peter Hogart vertreibt sich die Zeit auf Flohmärkten. Was würdest du gerne auf einem Flohmarkt finden?
Andreas: Eine von Stephen King handsignierte Ausgabe von „Misery“, eine von J. J. Abrams signierte Directors Cut DVD-Box von LOST mit einem alternativen Ende, signierte Filmplakate von Cary Grant, Audrey Hepburn oder Ingrid Bergmann, eine alte Schreibmaschine, auf der Mark Twain „Huckleberry Finn“ geschrieben hat oder ein bisher unveröffentlichtes Sherlock Holmes Manuskript von Sir Arthur Conan Doyle. Du siehst also, ich bin durchaus sehr bescheiden.

Welche größte Kritik hast du bisher über deinen Figuren und Bücher hören müssen? Hat es dich bedrückt?
Andreas: Am meisten getroffen hat mich die Kritik zur Verfilmung von „Todesfrist“, den Constantin Film gemacht hat, von Hardcore-Sneijder-Fans, weil Sneijder im Film nicht so aussieht, wie ich ihn in den Büchern beschrieben habe. Dazu muss ich sagen, dass mir Raymond Thiery als Sneijder sehr gut gefällt, aber ich habe es schon akzeptiert, dass diese Darstellung nicht jedermanns Sache ist. Was meine Bücher betrifft, so finde ich es schade, dass meine Jugendbuch-Trilogie „Code Genesis“ nicht den Erfolg gebracht hat, den ich mir gern gewünscht hätte, weil ich sehr viel Herzblut in diese Abenteuerbücher gesteckt habe und noch sehr gern weitere Jugendbücher schreiben würde.


Credit: fotowerk aichner

Was sagen deine ehemaligen Arbeitskollegen zu deinem Job als Schriftsteller?
Andreas: Die meisten wussten ja schon sehr lange, dass ich immer mit dem Wunsch geliebäugelt habe, eines Tages von der Schriftstellerei leben zu können. Und daher sind meine ehemaligen Kolleginnen – was ich bisher so gehört habe – allesamt sehr stolz auf mich, dass ich letztendlich den Sprung gewagt habe, den Job zu kündigen, um hauptberuflich Schriftsteller zu werden, und sich der Erfolg auch tatsächlich einstellt hat. Immer wieder bekomme ich E-Mails, in denen sie schreiben: „Du, ich habe dich gestern in dieser Talk-Show oder diesem Zeitungsartikel gesehen. Toll!“ In Wahrheit sind sie aber wahrscheinlich nur froh, dass sie mich nicht mehr als Kollegen erdulden müssen.

Schaust du im Fernsehen auch Krimis? Wenn ja, welche?
Andreas: Ich habe mir mit meiner Frau die gesamte Columbo-Film-Reihe angesehen, weil wir Peter Falk als Columbo so sehr lieben, und „Die Zwei“ mit Roger Moore und Tony Curtis haben wir schon mehrmals gesehen. Im Moment schauen wir die Agatha Christie Poirot-Reihe mit David Suchet, den ich tatsächlich besser finde als Peter Ustinov als Poirot. Und einer meiner Lieblingskrimis ist die köstliche Krimi-Persiflage „Eine Leiche zum Dessert“ mit den großartigen Schauspielern David Niven, Peter Falk, Maggie Smith, Peter Sellers, Alec Guinness und Truman Capote.

Fühlst du dich als Promi? Wirst du auf der Straße auch mal angesprochen?
Andreas: Bisher wurde ich tatsächlich insgesamt dreimal angesprochen, zweimal sogar wegen eines Autogramms. Aber als Promi fühle ich mich nicht und werde mich auch nie fühlen. Im Gegenteil. Es berührt mich sogar jedes Mal immer peinlich, wenn mich Veranstalter vor einer Lesung ankündigen als: „Begrüßen Sie bitte mit mir den Bestseller-Autor Andreas Gruber!“
Ja, stimmt, meine Bücher sind Bestseller, regelmäßig auf hohen Platzierungen der Spiegel-Bestsellerliste, aber ich fühle mich nicht als Bestseller-Autor. Im Grunde meines Herzens bin ich immer noch der kleine Junge, der tierischen Spaß hat, wenn er Geschichten erfinden darf.

Welchen Schriftsteller würdest du gerne mal treffen wollen?
Andreas: Einige Wünsche sind sogar schon in Erfüllung gegangen, so habe ich beispielsweise Marc Elsberg, Sebastian Fitzek, Arno Strobel und Charlotte Link kennenlernen dürfen. Sehr gern hätte ich den deutschen Western-Schriftsteller G.F. Unger und den deutschen Thriller-Autor C.H. Guenter kennengelernt, und gern würde ich auch noch einmal im Leben Dean Koontz treffen, David Morrell, Joe R. Lansdale, einfach nur, um ihnen zu sagen, wie gut mir ihre Bücher gefallen.

Hast du dich gefreut, dass die ersten beiden Teile der Peter Hogart Reihe auch bei Goldmann ins Programm genommen wurden?
Andreas: Ja, sehr. Denn davor waren sie ja vergriffen, da der Festa Verlag sie aus dem Programm genommen hat. Außerdem hatte ich die Möglichkeit, sie stilistisch ein wenig aufzumöbeln, ein Vorwort zu schreiben, ein Ermittlerprofil für die Buchklappe zu verfassen und die Bücher mit einer Prag- bzw. Wien-Karte zu versehen.

Welche Sätze würdet du gerne über Peter Hogart lesen? Welche über Maarten S. Sneijder und welche über Walter Pulaski?
Andreas: Peter Hogart ist ein wirklich sympathischer und cleverer Privatdetektiv, der bisher leider immer Pech mit Frauen hatte, jetzt aber endlich seine große Liebe gefunden hat. Walter Pulaski hat es endlich geschafft, sein Asthma loszuwerden, das ihn bisher immer beim Ermitteln seiner Fälle gehandicapt hat. Maarten S. Sneijder ist im hohen Alter von 97 Jahren seiner Marihuana-Sucht erlegen, und somit blickt er auf ein erfülltes Leben als BKA-Ermittler zurück, in dem er unzählige Fälle gelöst und zahlreiche Killer zur Strecke gebracht hat.

Wird es noch einen „Rachefrühling“ geben?
Andreas: Definitiv, ja!

Welche deiner Bücher sind dir die liebsten? Liest du deine Bücher nach einer Zeit selbst wieder? Falls ja, überrascht dich dann etwas?
Andreas: Um „Die Knochennadel“ zu schreiben, musste ich nochmals „Die schwarze Dame“ und „Die Engelsmühle“ lesen. Um die Fortsetzung von „Rachesommer“ zu schreiben, habe ich auch dieses Buch nochmal gelesen, um in die Figuren hineinzukommen. Und da dachte ich tatsächlich: So schlecht waren die doch eigentlich gar nicht. Sonst jedoch lese ich meine Bücher nicht nochmal, nachdem sie erschienen sind. Allerdings steht eine Sache ganz groß auf meinem zukünftigen Lebensplan: Wenn ich eines Tages sehr alt und weise im Ruhestand bin, und im Sommer auf meiner Terrasse sitze, werde ich ganz bestimmt noch einmal die siebenbändige Kurzgeschichten-Werkausgabe aus dem Luzifer-Verlag lesen. Schon allein wegen der autobiografischen Vorwörter zu den einzelnen Storys.

Ende Fanfragen


Lieber Andreas. Wieder einmal hast du dir die Zeit für uns genommen. Wir bedanken uns bei dir! Es hat großen Spaß gemacht. Wir hoffen, dass irgendwann (ist doch bei einer Trilogie so … 😊) wir wieder ein Interview machen dürfen. Bis dahin gehören die letzten Worte dir.
Andreas: Auf diesen dritten Teil der Interview-Reihe freue ich mich jetzt schon sehr – und dann werde ich mich wiederum nicht an Maarten S. Sneijders Rat halten, mit dem er jeden nervt: Antworten Sie bitte in drei knappen und präzisen Sätzen! Nein, tue ich nicht. Ich liebe es, lange Geschichten zu erzählen.

Andreas Gruber – Ein Schriftsteller, der mir mit seinen Büchern in den letzten Wochen viele spannende Stunden beschert hat. Mit „Die Knochennadel“ hat er einen Band abgeliefert, der sicher einen besonderen Stellenwert hat. Nicht nur, dass es der dritte Teil der Hogart.Reihe ist, nein, das umfangreiche Buch überzeugt von der ersten bis zur letzten Seite. Ein Buch, das sich sicher auf eine Fortsetzung freuen würde. Es bleibt (im wahrsten Sinne des Wortes) spannend. Auch wir freuen uns über weitere Thriller aus dem Hause Gruber. Ich ändere mal die Danksagung von Andreas Gruber aus „Die Knochennadel“ leicht ab. „Schön, dass du ein weiteres Mal für uns gemordet hast“ 😊. Bis bald.

Interview von Thorsten im Juni 2021

Titelfoto: Barbara Wirl

Dieser Artikel wurde am: 22. Juni 2021 veröffentlicht.

Ähnliche Beiträge

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert