Welch Überraschung. Und sicher kein Aprilscherz, wenn wir jetzt hier schreiben: „Die Dödelhaie sind zurück“. Lange Jahre haben uns die Haifische warten lassen aber jetzt tauchen sie wieder auf und durchschwimmen die Punkgewässer majestätisch wie eh und je. „Linksextreme Hassmusik“ heißt ihr Album und offenbart all das (und noch einiges mehr) was die Dödelhaie schon immer ausgezeichnet hat. Geradliniger, deutschsprachiger Punkrock mit dem Herz auf der Zunge. Ein Bomben-Album das natürlich einige Fragen aufwirft. Wir haben am Haifischbecken angeklopft und Antworten erhalten. Seid gespannt.
Hey ihr Lieben. Schön, dass ihr euch die Zeit für das Interview nimmt. Wobei erwischen wir euch gerade?
Dödelhaie: Hey zurück! Gerade sind wir sozusagen im „Dödelhaie Hauptquartier“ bei Impact Records, es ist ein Samstag und wir fahren gleich zur Bandprobe. In ein paar Tagen findet unser erstes Konzert seit über zwei Jahren (!) statt und da haben wir uns entschieden, auch mal die Wochenenden durch zu proben, um uns die alten Songs wieder drauf zu schaffen.
Die Dödelhaie sind zurück. Es war lange Zeit ruhig um euch. Was ist seit dem letzten Album passiert? Warum die lange Pause?
Dödelhaie: Das ist uns ehrlich gesagt gar nicht so lange vorgekommen. Wir haben mehr oder weniger regelmäßig live gespielt und geprobt, aber es gab eine Zeitspanne von ein paar Jahren, in der wir tatsächlich mit neuen Songs nicht vorwärtsgekommen sind. Ich habe gerade noch mal mit der WAYBACKMACHINE (Ein Internetarchiv mit älteren Versionen von Homepages) auf der Dödelhaie-Page nachgeschaut: Dort stand 2015: „2015 feiern eure kleinen HAIE ihr 30-jähriges Bandjubiläum! Das muss natürlich gefeiert werden und wir arbeiten mit Hochdruck im Proberaum an unserem neuen Album „Linksextreme Hassmusik“. Die ersten 5 Songs sind schon fertig und im Laufe diesen Jahres wird das schmucke Ding aufgenommen und dann in angemessener Form veröffentlicht.“ Hat dann doch noch sieben weitere Jahre gedauert, unglaublich!
Nun mit neuem Album am Start. „Linksextreme Hassmusik“. Ein krasser Titel für das Werk. Wie kam es zu diesem Titel?
Dödelhaie: Den Titel hat sich Dietmar Woidke, bis 2013 Innenminister von Brandenburg und heute Ministerpräsident, für uns ausgedacht. Angefangen hat alles damit, dass wir 2011 plötzlich unter „Linksextremismus“ im Verfassungsschutzbericht aufgetaucht sind. Herr Woidke gab dann in der Presse zahlreiche Interviews, in denen er betonte, dass die „Linksextreme Hassmusik von Bands wie den Dödelhaien aus Nordrhein-Westfalen keinen Deut besser wäre als Rechtsrock und er auch auf dem linken Auge nicht blind“ wäre und dass „solche Bands in seinem Bundesland nicht zu suchen“ hätten. Das schaukelte sich dann hoch, es wurden Festivals gegen Nazis, auf denen wir auftreten sollten, verboten und Herrn Woidkes Ministerium hat die Indizierung von fünf unserer Songs in die Wege geleitet. Wir mussten uns dann mit der „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien“ auseinandersetzen. Zum Glück ist unser Sänger rhetorisch recht versiert und bei einem Anhörungstermin bei der BPJM konnten wir alle Anschuldigungen widerlegen und unsere Scheiben sind jetzt offiziell „Kunst“.
Gerade weil ihr länger weg wart, stellt sich die Frage, aus welchen Jahren die Songs sind. Oder sind alle erst jetzt in den entsprechenden Studio-Sessions entstanden?
Dödelhaie: Der Titeltrack der neuen Scheibe dürfte jetzt schon ungefähr 10 Jahre alt sein, zumindest haben wir „Linksextreme Hassmusik“ schon beim „Punk im Pott“ 2012 live gespielt. Grob kann man sagen, dass die ersten 3-4 Songs zu dieser Zeit entstanden sind und dann klafft da eine riesige Kreativitätslücke von einigen Jahren. Dann ging es aber ab ca. Ende 2018/Anfang 2019 relativ zügig mit den restlichen Stücken vorwärts und nur „Der Punk tanzt allein“ haben wir mehr oder weniger erst im Studio zusammengebastelt.
Wenn ihr das Album mit den letzten Alben vergleicht. Was war diesmal anders? Was war neu für euch?
Dödelhaie: Zwei Umstände waren diesmal komplett anders: Zum einen war unser Haus- und Hofmischer & Produzent Uwe Golz (Ex-Daily Terror Gitarrist) vor ein paar Jahren in „Rente“ gegangen. Mit ihm hatten wir seit der „Spiegelbild“ Scheibe 1994 alle Dödelhaie Releases aufgenommen und konnten uns immer sicher sein, dass er weiß, wie sich unsere Platten anhören sollen. Da war schon eine gewisse Angst da, weil wir auch schon bei Tracks für Compilations in anderen Studios teils ganz fürchterliche Erfahrungen gemacht haben. Wir konnten aber zumindest im gleichen Studio, dem Whiteline Studio in Braunschweig aufnehmen und Benny, der „Neue“ hat sich als würdiger Nachfolger von Uwe erwiesen. Wir sind da total zufrieden.
Der andere Umstand war natürlich, dass wir „Linksextreme Hassmusik“ mitten in einer weltweiten Pandemie aufgenommen haben. Teilweise konnten wir 2020 wochenlang nicht zusammen proben, bzw. je nachdem wie streng die Maßnahmen jeweils waren, sind wir zu zweit (unser Sänger Andy und ich) in den Proberaum gefahren und haben dort die Grundtracks mit Schlagzeug und Bass aufgenommen, damit unsere Gitarristen sozusagen im „Homeoffice“ ihre Gitarrenparts üben konnten. Wir haben dann auch den Studiotermin mehrfach verschoben und haben das Zeitfenster der Maßnahmen-Lockerungen im August 2020 genutzt, um dann die Aufnahmen für die Platte zu machen.
Kommen wir zu den Songs. Wie immer starke Texte. Mal kritisch, mal lustig. „Der Server ist down“ beschreibt unter anderem die Probleme des Online-Shoppings. Aus welchem Anlass ist der Song entstanden?
Dödelhaie: Nicht so konkret das Onlineshopping an sich, sondern die Monopolisierung von molochartigen Großkonzernen ist schon ein Problem und auch bei Sozialen Medien ist ja einiges im Argen. Ich glaube, jeder, der mal länger durch die Kommentarspalten von Facebook oder Twitter scrollt hatte schon mal den Gedanken „Am besten wäre, den ganzen Scheiß in die Luft zu sprengen“. So etwas Ähnliches äußerte dann auch mal ein Kumpel von uns und daraus entstand später das Stück.
Und welchen Server würdet ihr gerne mal vom Netz nehmen?
Dödelhaie: Im Moment auf jeden Fall die Serverfarmen, über die die russische Trollarmee Fake News verbreitet. Zudem natürlich noch alle Kanäle, die viel zu lange solchen Deppen wie Xavier Naidoo, Attila Hildmann, dem Wendler und allen anderen Querdenkern in den letzten zwei, drei Jahren eine Plattform geboten haben.
„Papa macht jetzt Revolution“ ist ein Knaller. Wem ist der Song gewidmet? Steckt hier eine eigene Geschichte dahinter?
Dödelhaie: Der Song ist auf jeden Fall dem Sohn unseres Gitarristen Axel gewidmet. Mittlerweile ist er fast erwachsen, aber als er noch ein kleines Kind war, gab es vor Dödelhaie Konzerten immer die Situation, dass wir mit unserem schwarzen Bandmobil am Wochenende vor dem Haus vorgefahren sind und dann Papa mit seinem „großen schwarzen Koffer“ bis Sonntag Abend einfach auf mysteriöse Art und Weise verschwunden war. Da kam dann 1:1 diese Frage, die auch im Text zitiert wird, wo „Papa denn immer mit dem Koffer hingeht und ob da eine Geige drin“ ist.
Ein großes Problem unserer aber vor allem der kommenden Generationen ist der Klimawandel. „Manchmal denke ich an Holland“ beschreibt dieses Problem ein wenig. Welche Dinge verbindet ihr mit Holland?
Dödelhaie: Es gibt ja viele wissenschaftlich berechnete Szenarien, die davon ausgehen, dass die Niederlande so ungefähr zwischen den Jahren 2050 und 2100 teilweise oder auch vollständig überschwemmt sein werden, wenn der Klimawandel nicht endlich effektiv gestoppt wird. Uns verbindet tatsächlich einiges mit Holland: Wir leben hier an der Grenze vom Ruhrgebiet zum Niederrhein, Venlo ist nur knapp 40 Kilometer entfernt. Wir haben auch unsere ersten beiden LPs im legendären KLANK Studio in Tegelen (bei Venlo) aufgenommen. Fun Fact: Etwas später hat dann dort Dee Dee Ramone nicht nur seine Solosachen produziert, sondern auch zeitweise über dem Studio gewohnt.
„Fuckedifuck 2020“ beschreibt das Jahr 2020 ganz gut. Aber auch die Aluhüte werden in einem weiteren Song separat betrachtet? Was empfindet ihr bei Diskussionen übers Impfen, Aluhüte, Verschwörungen etc.?
Dödelhaie: Wut, Unverständnis und manchmal ehrlich gesagt einfach nur eine große Müdigkeit. Das fing ja schon vor 2020 an, so kurz vor der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten und hat sich dann kontinuierlich gesteigert. Seitdem denkt man immer „So blöd können die Menschen doch nicht sein!“ und wird dann eines Besseren belehrt. Trump als Präsident, der Brexit, Klimawandel wird geleugnet & ignoriert, ab 2020 die Corona Pandemie und als sich da die Situation ganz, ganz langsam etwas entspannt: Zack, Krieg in Europa! Alles schlimm genug, aber dann muss es auch noch diese Horden von Querdullies geben, die wirklich JEDEN Bezug zur Realität verloren haben und sich gefühlt in jede Krise drängeln, um wenigstens irgendeine Aufmerksamkeit für ihre armseligen Theorien zu bekommen.
Auch „Einer muss den Job ja machen“ bleibt im Ohr. Ihr wart so lange weg. Wen empfandet ihr denn persönlich als guter Stellvertreter in dieser Zeit, der dann halt den „Job gemacht hat“?
Dödelhaie: Es gibt schon eine ganze Menge jüngerer Bands, die „den Job“ gut machen. Vor Corona haben wir des Öfteren mit unseren Freunden von Abbruch und den Dorks gespielt, da habe ich schon das Gefühl, dass die Fahne da anständig hochgehalten wurde. Beide Bands haben ja auch regelmäßig sehr coole Platten rausgebracht.
„Hailand“ ist eine ganz große Nummer. Wenn der Hai an Land kommt, wen knöpft er sich denn in der jetzigen Lage als ersten vor und warum?Und was befiehlt der Hai den Dödelhaien für die nächsten Jahre?
Dödelhaie: In der jetzigen Lage würden auf jeden Fall im Kreml ein paar Posten frei, wenn der Hai dort mal mit eiserner Flosse durchfegt, sinnlose Angriffskriege machen ihn nämlich ziemlich sauer. Zudem lässt Erdogan wieder kurdische Gebiete bombardieren, solange die Welt nicht hinschaut, auch da gäbe es unangenehme Konsequenzen. Ach, die Liste ist lang … Unser Marschbefehl ist klar: Durch häufigere Konzerte und regelmäßigere Plattenveröffentlichungen den Ruhm des mächtigen Haifischs mehren.
Mit „Der Punk tanzt allein“ beendet ihr das Album gut gelaunt. Eine großartige Nummer, die etwas anders ist als die anderen Songs? Welche Geschichte hat dieser Song? Und wer singt hier mit?
Dödelhaie: Bei „Der Punk tanzt allein“ singt unsere Freundin Eva, eine Sängerin aus Hamburg, die auch schon auf der „Hai Alarm!“ Scheibe bei „Memmen“ zu hören war. Außerdem hat sie zusammen mit unserer Merchandiserin die Idee zu dem Song gehabt.
Nach dem Album ist… Mit was werdet ihr eure Fans in den nächsten Monaten / Jahren überraschen? Darf man auf eine Tour hoffen?
Dödelhaie: Eine richtige Tour, also mehrere Wochen am Stück unterwegs sein, haben wir tatsächlich nur ein einziges Mal geschafft. Das war zur „Spiegelbild“ Scheibe zusammen mit Dritte Wahl, die gerade „Auge um Auge“ veröffentlicht hatten. Aber wir wollen 2022 auf jeden Fall verstärkt Konzerte oder zwei, drei Gigs verteilt über Wochenenden spielen. Außerdem steht schon das Konzept für eine 4 oder 5 Track EP, die dann nicht erst in einem Jahrzehnt erscheinen soll.
Was bedeuten euch die folgenden Begriffe:
Musik-Business
Dödelhaie: Immer lieber Szene als Business.
Hohe See
Dödelhaie: Die Heimat des mächtigen Haifischs!
Rhein
Dödelhaie: Perfekter Ort um mit ein paar Freunden und einem Kasten Bier am Ufer zu sitzen und Pläne für die Weltherrschaft zu schmieden.
Legenden
Dödelhaie: Rudi Carrell
Corona Vs. Fortuna
Dödelhaie: Arschloch vs. Egal
Hai-Alarm Vs. Linksextreme Hassmusik
Dödelhaie: Konsequente Fortsetzung.
Mitternacht Vs Spiegelbild
Dödelhaie: Experimentell vs. Klassiker.
Tough Magazine
Dödelhaie: Stabiles Onlinezine, der Redakteur hat einen exquisiten Musikgeschmack.
Wir bedanken uns bei euch für die Zeit, die ihr euch genommen habt? Natürlich gehören die letzten Worte dir. Also los :)…
Dödelhaie: Danke euch für die Interviewanfrage. Wir hoffen, dass die Zeiten langsam wieder besser werden, obwohl es im Moment nicht danach aussieht. Keiner von uns hat Lust, unseren Song „Fuckedifuck 2020“ jetzt jedes Jahr mir aktualisiertem Text neu einzuspielen.
Tatsächlich haben wir uns sehr gefreut, dass die Dödelhaie sich die Zeit genommen haben. Ein Album, dass die Dödelhaie zurückbringt. So darf das weiter gehen. Viel Spaß mit dem Album. Bekommt ihr (auch als klasse Box) unter anderem beim Impact Mailorder.
Foto:
Joerg Parsick Mathieu
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