„Jenseits der Stille“: Odeville im Interview

Mit „Jenseits der Stille“ ist das neue Album der Rockband Odeville erschienen. Wir hatten die Möglichkeit, uns mit den Musikern zu unterhalten. Es geht um die neuen Songs, die Entstehung derselbigen und viele weitere Themen.

Moin, wo erwischen wir euch gerade?
Hauke: Wir sind im Moment in der Hebebühne Hamburg. Das ist nicht nur unser subkulturelles Homebase, sondern auch gleichzeitig unser Proberaum und Lager. Quasi das Wohnzimmer der Band, in dem wir grade etliche Vorbestellungen von JDS für den Versand fertig machen.
David: Hier packen die Chefs noch selbst.
Sascha: 15 Jahre DIY lässt grüßen.
David: Wir brauchen endlich einen Praktikanten.
Hauke: Oder einen Bassisten.

Mit „Jenseits der Stille“ erscheint euer sechstes Album. Zunächst mal die Frage, wie es zu dem Artwork mit dem Bison gekommen ist? Was hat es damit auf sich?
Sascha: Gideon Rothmann ist nicht nur Gitarrist bei einer befreundeten Band namens GR:MM aus Braunschweig – er ist auch ein begnadeter Fotograf.
Hauke: Wir haben seinen kompletten Urlaubstrip in unser Artwork verwurstet.
David: Echt. Das wusste ich nicht. Ich dachte das wäre alles Stock Footage aus dem Netz.
Hauke: Alter! Die Bilder sind alle aus dem Yellowstone Natiolpark
David: Gideon war so dicht an dem Bison dran. Ist der Irre?
Sascha: Sag das bloß nicht zu laut. Nachher will er noch mehr für die Bilder haben als eine signierte Vinyl.

Erzählt uns was zur Entstehung der Songs – lief alles so „wie immer“ oder was hat sich verändert?
David: Von der ersten Note für´s Demo, bis zur fertigen Platte sind fast 3 Jahre vergangen.
Hauke: Naja dazwischen war ja auch noch ein wenig Pandemie.
Sascha: Ehrlich – 2019 haben wir schon angefangen – Wo ist denn die Zeit hin?
David: Soll heißen: Es war nicht so wie immer.
Hauke: Stimmt – bei der letzten Pandemie waren wir deutlich schneller.
Sascha: Hauke! Nimm das jetzt mal bitte ernst.
Hauke: Haben wir im Studio unseren Sinn für Humor verloren?
David: Nein. Nur die besten Jahre unseres Lebens.

Wie liefen die Aufnahmen ab? Könnt ihr uns einen Tag im Studio beschreiben?
David: Sascha ist gefühlt nur eine Stunde am Recorden, während die anderen Wochen daraus bestehen, dass ich meine Ruhe haben will und unseren Sänger in die Kunsthalle schicke, wenn er mir in meine Sounds grätschen möchte.
Hauke: Oder ins Broncos. Das ist die beste Bar, die Hannover zu bieten hat.
Sascha: Könntet ihr auch mal unseren Produzenten erwähnen?
Hauke: Du meinst Professor Dr. Arne Neurand. (lacht)
Sascha: Ja, Arne. Das ist die dritte Platte, die wir mit ihm im Horus Sound Studio aufgenommen haben und langsam haben wir ein echt erschreckendes Talent Songs zu schreiben, ohne auch nur ein einziges Wort zu sagen.
David: Wir reden kaum noch miteinander. Wir summen uns nur noch an.
Hauke: Was willst du auch nach 15 Jahren erwarten?

Neben emotionalen, tiefgängigen Songs sprecht ihr dieses Mal auch direkt Themen und Dinge an, die euch nerven – kann man das so sagen? Wie wichtig sind gerade heute Songs wie „Liebe, Freiheit, Sehnsucht, Alles“ oder „Stille“?
Hauke: Uns sind sie wichtig. Ich möchte mich selbst mögen – Als Mensch aber auch als Künstler. Die anderen Bands interessieren mich da nicht. Es ist für uns nicht „Vogoue“, dass sich JDS mit politischen Themen beschäftigt – Es kommt aus uns und das reicht mir. Wir haben unseren Wertecodex über die Jahre weiterwachsen lassen und kein Management der Welt, könnte uns so verbiegen, dass wir einfach unsere Fresse halten, wenn dieser Codex vom Business angegriffen wird.
Sascha: Finde ich kompliziert. Erklär mal!
Hauke: Naja, ganz einfach. Als „Sing meinen Song“ Mainstream Künstlermensch, würde ich jetzt nicht in diesem Interview sagen dürfen, dass ich finde, dass die AFD ein rassistischer Haufen von Rechst konservativen Bauernfängern ist!
David: Dann sag das doch.
Hauke: Habe ich doch grade!

In „Untertage“ beschreibt ihr, dass sich viele Menschen verstellen. Obwohl es ihnen nicht gut geht, setzen sich ein Lächeln auf. Welche Geschichte steckt hinter dem Song?
David: Stimmungskillerfrage! Ich wollte nur nen Song schreiben, der die Magie von Coldplays „Fix you“ hat.
Hauke: Und dann ist der blöde Sänger gekommen und hat einen Text, der sich mit Depressionen beschäftigt über das Playback gesungen.
Sascha: Was der blöde Sänger aber auch ganz gut gemacht hat. Arne hat in der Regie noch gesagt, dass dieser Song ganz vielen von unseren Fans etwas bedeuten wird.
Hauke: Hat er – Warum sagt er mir das dann nicht selbst?
Sascha: Der wollte die gute Energie nicht kaputt machen. Wenn man dich lobt, bist du nur noch halb so gut am Mikrofon. Dann bist du nicht mehr so ehrlich und willst uns nur noch gefallen. Ist damit die Frage beantwortet?
David: Ich glaube…ja.

Mit „Ein Zwischenspiel“ gibt es einen kleinen Break, bevor es mit „Lila“ weitergeht – was hat es damit auf sich? Oder dient es als Intro?
David: Das war als Intro gedacht. Arne und Hauke haben „Lila“ irgendwann in der Nacht aufgenommen.
Hauke: Sagen wir so: Es war „Gin-Donnerstag“ und ich wollte nur Sounds mit meinem Mund machen. Da war ich in so einer komischen James Blake Phase.
David: Von wegen James Blake – das klang beim ersten Mal hören wie ein Intro von Soulfly.
Hauke: Was ja auch nicht das Schlechteste ist.
Sascha: Übrigens hat mir keiner hat mir Bescheid gesagt.
Hauke: Das wir das Intro drin lassen.
Sascha: Nein, dass wir einen „Gin-Donnerstag haben“

Außerdem habt ihr „Won’t Forget These Days“ gecovert und ihm einen deutschen Text verpasst – wie kam es dazu? Und wie kann es sein, dass die Stimme (Hauke) einfach so gut passt?
David: Im ersten Lookdown haben wir recht viel gecovert.
Hauke: Japp – Bosse, Matze Rossi, A-ha und dann…
Sascha: Hat Hauke an einem Abend seine 90er Playlist laufen lassen und zack…
David: War auch schon die Demo drin.
Sascha: Etwa auch auf einem „Gin-Donnerstag“…
Hauke: Naja – du bist halt gefahren und ich musste mich mit dem englischen Text abquälen.
David: „Butter bei de Fische“ – Arne als Urhannoveraner, war nicht so begeistert. Wir haben ihm versprochen, dass wir uns so weit wie möglich vom Original entfernen.
Hauke: Und dazu gehörten auch die Lyriks. Ich habe versucht das Kerngefühl von Fury zu treffen. Die Refrain Hook musste aber auf englisch bleiben – Sonst hätte man auf plötzlich „Auf der Straße nach Süden“ von Tony Marshall gehabt.
Sascha: Und wir wollten den Sound in etwas Modernes umwandeln und haben uns an Sam Fender orientiert.
David: Wie so oft eigentlich.
Hauke: Tja und irgendwie hat das alles so gepasst, dass Fury uns den Spaß erlaubt haben.
Sascha: Laut Flur-Funk wohl das beste Cover eines Fury Songs seit langem. Zitat: Fury.

Mein Highlight ist „Seifenblasentraumfabrik“ – „Für immer der bleiben wollen, der man nie gewesen ist“. Toller Text – welche Geschichte hier dahinter?
Hauke: Generation TikTok Vs. Generation Instagram…
David: Wie? Kämpfen die miteinander?
Hauke: Ja. Wie ein Krieger mit einem Drachen, auf einem Berg…Natürlich nicht!
Sascha: Ich liebe diese Leute mit Airbrush Motiven auf der Motorhaube.
Hauke: Vor allem wenn auf der Heckscheibe noch ein fetter Sticker mit „Böse Opels“ klebt.
David: Das gibt´s noch? Ich dachte der neunte Teil von „Fast and The Furious“ hätte den Tunning-Kult begraben.
Hauke: Das hat ja nicht mal im Ansatz mit diesem Song zu tun…
Sascha: Ich dachte es geht um deine gescheiterte Beziehung mit dieser Influencerin?
Hauke: Können wir uns nicht wieder über tiefergelegte Autos unterhalten?
David: Ich bin immer nur Schrottkarren gefahren.
Sascha: Ich auch.
Hauke: Dito. Jetzt stellt euch vor, ihr müsstet aber nach außen so tun, als wenn das tiefer gelegte Sport Coupe euer Leben wäre. Bäm. Das ist der Song.
David: Ich will, dass du wieder über Drachen singst.

Mit „Welle“ beendet ihr das Album und hier mal wirklich kurz die Frage. Wie sehr wünscht ihr euch manchmal diese „Welle“?
Hauke: Ich glaube diese Welle hatten wir jetzt schon. Vier Mal !!!
Sascha: Self-fulfilling Prophecy.
David: Komisch und merkwürdig zu gleich, dass dieser Song schon 2019 musikalisch und textlich stand.
Sascha: Ich hasse es, dass Hauke immer recht behalten muss.
David: Und ich enthalte mich. Da sind zwanzig Gitarrenspuren auf dem Track und das genügt mir fürs erste. Klingt wie David Bowie in seiner Metal-Phase.
Hauke: Bowie hatte nie so eine Phase.

Was bedeuten euch folgende Wörter?
Musik: L wie Lebensunterhalt und Leidenschaft.
Miteinander: D wie Diplomatie und Dürrezeit.
Zuhause: B wie Backstage, Bandbus, Bar und Bier.
Gefühle: S wie Sehnsucht, Schmerz und Sauftour.
15 Jahre Odeville (2021): W wie wann ist das denn passiert?
Freiheit: K wie Kampf, Kraftaufwendig und Kollidieren.

Vielen Dank, die letzten Worte gehören natürlich euch.
Odeville: Wir danken allen Menschen, die für uns in die Bresche springen. Wir danken allen Menschen, die sich tagtäglich für uns aufopfern. Wir senden fette digitale Liebesbekenntnisse, an die Personen, die jetzt in diesem Moment: „Ich! Hier! Ich will!“ schreien und widmen „Jenseits der Stille“ dem einzig wahren Clown auf der Welt, der es Woche für Woche schafft, den Menschen in seinem Land Hoffnung zu geben: Wolodymyr Selenskyj.
Lang leben die Clowns

Interview von Florian P. im März 2022

Dieser Artikel wurde am: 29. März 2022 veröffentlicht.

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