In Extremo: Dr.Pymonte im großen „Kunstraub“-Interview
Das neue Album der Mittelalter-Rockband In Extremo heisst „Kunstraub“ und ist am 27.09.2013 erschienen. Tough Magazine sprach mit Dr.Pymonte über die Songs, die anstehende Tour und weitere Themen rund um die Band!
 
Mit „Kunstraub“ erscheint am 27.09.2013 das neue Album von In Extremo. Der Albumtitel ist mehr oder weniger aus einem Zufall heraus entstanden, richtig?
Dr.Pymonte: Ja, richtig – kann man so sagen. Wir haben von dem sensationellen Ding gehört, was sie da in Rotterdam abgezogen haben und haben wirklich gedacht, das hätten wir sein können! Es geht ja nicht darum, dass man die ganzen Werke verschwinden lässt, sondern dass man in dem ganzen Hochsicherheits-Wahn und Panzertüren einfach Olsen-Bande-like in zwei-drei Minuten das Ding klar gemacht. Und ich glaube, da waren auch richtig dicke Dinger dabei – Rembrandt und so weiter…ja, so Ganovenstücke bzw Raub, das steht in meiner Kriminalliste ganz oben. Finde ich hervorragend, wenn man eine Umverteilung vornimmt.
 
Das Album wird es in acht verschieden Varianten geben, warum so viele?
Dr.Pymonte: Das weiss ich nicht. Ich denke mal, das wird so ein Marketing-Griff sein. Aber es ist in dem Sinne auch ganz gut, denn so gibt es für jedes Budget etwas. Wer nur auf das Album Bock hat, kauft sich eben nur das normale Album. Wer jetzt ein richtiger Hardcore-Fan ist oder zum verschenken, der kann sich die ganz große Box nehmen – mit DVD, Making-Of und T-Shirt; ich weiss gar nicht ganz genau, was da alles drin ist. Das ist ja regulär mittlerweile bei vielen Bands so. Und ich denke, es geht auch darum, sich die Fanbase so ein bisschen zu halten. So kann man mit einem T-Shirt herumlaufen, interessiert sich vielleicht für die Entstehung des Albums – ist vielleicht also gar nicht so schlecht.
 
Wie liefen die Arbeiten im Studio?
Dr.Pymonte: Die liefen gut, eigentlich so wie immer. Wir haben nun fast ein Vierteljahr mit Unterbrechungen zusammen verbracht und ja, es ist natürlich auch ein sehr intensiver Prozess. Alle hängen da auf einem Haufen rum und die Band muss sich mit sich selbst auseinandersetzen – da rappelt es dann manchmal auch! Da knallen die Meinungen aufeinander und das zeigt ja auch, dass es ein sehr kreativer Prozess ist. Wo sich Energien reiben, wenn man auf etwas beharrt und mit Herzblut für eine Sache einsteht – das ist ein Zeichen, dass man mit Herz und Emotionen dabei ist. Und so war die Arbeit am Album auch! Wir haben ein sehr erfahrenes Produzenten-Team, mit dem wir schon Jahre lang zusammen arbeiten und da ist auch schon eine Basis von Vertrauen da. Die wissen genau, was wir wollen und von daher wissen wir, wie man sich nehmen muss. Wir arbeiten ja in mehreren Studios und teilen uns die Arbeiten auch etwas ein – in der einen Ecke wird etwas mehr an den Texten gearbeitet und in der anderen mehr an den Bläsersätzen. Ich finde auch, dass man die Detailverliebtheit da raushört. Gerade beim Schlagzeug; wir als Mittelalter-Band sitzen da und fragen uns, warum die sich Gedanken über ein Schlagzeug-Break machen. Aber wenn man dann das Gesamtkonzept hört, muss das schon so sein.
 
Bitte gib uns einen kleinen Einblick in die Songs!
Dr.Pymonte: Das Album beschreibt schon so das aktuelle Lebensgefühl von uns, will ich mal so ganz global sagen. „Der die Sonne schlafen schickt“ beschreibt das verschobene Urteilsvermögen von Säufern – sehr lyrisch umschrieben. Jeder kennt bestimmt diese Menschen, die nachts stundenlang rumpalabern und alles schönreden und morgens dann die Dinge in Schieflage rechtfertigen. „Lebemann“ – kennt auch jeder, diese Sorte Mensch. Erzählen den Leuten immer, was sie geleistet haben und lügen denen die Taschen voll; aber im wahren Leben sind es einfach Knallkpöpfe, die nicht einmal ihre Wasserrechnung bezahlen können. „Doof“ soll musikalisch jeden küssen, der den zielsichern Schritt in den Scheisshaufen hat. Es gibt ja diese Menschen, die immer zur falschen Zeit am falschen Ort sind. Ausserdem soll der Song aufzeigen, dass diese Form von Dummheit eigentlich schon lustig und liebenswürdig ist und nicht gefährlich! Nicht so wie eben echte, gemeine Menschen, die einen hinterm Rücken anschwärzen – das machen dumme Menschen nicht. Das ist teilweise eher amüsant; von den Vibrations her so wie Dick&Doof! „Kunstraub“ ist klar, der soll unseren Respekt zu dem Rotterdam-Coup bezeugen. „Wege ohne Namen“ soll sagen, dass der Weg für uns das Ziel ist – ohne Rast und Ruh zu sein. Das haben wir auch selber gemerkt; wenn man sich ne Weile nicht sieht oder sich ne Auszeit nimmt, dann schreit das Herz doch wieder nach der Bühne! „Himmel und Hölle“ stellt den Zuhörer vor die Alternativwahl – also oben oder unten. Es kommt auch aus dem Text gut heraus; wir als Band haben uns ganz klar für unten entschieden. Erstens kann man da nicht tiefer fallen und zweitens ist es da unten immer schön warm – das passt schon ganz gut zu In Extremo. Der Song „Feuertaufe“ soll eine Hommage an eine echt, tiefe Freundschaft sein. Sei dahingestellt, in welcher Konstellation; das Gefühl sollte jedem innewohnen, um einen Menschen zu wissen, dem er blind an Lebensabgründen vertrauen kann. „Belladonna“ ist ein Lied für alle Mädchen, an die man sonst eher selten denkt. „Gaukler“ soll eigentlich allen Menschen ein Denkmal setzen, nicht nur dem Clown, der dort beschrieben wird. Alle Schausteller, alle Trickbetrüger, Rummelboxer – alle, die dafür da sind, anderen eine Freude zu machen. Es soll ein Denkmal bis an diese Zeit setzen, wo Drecks-Werbung, beschissene Fernseh-Sendungen und Shopping-Wahn verschwunden sind. Es soll ein bisschen aufzeigen, dass es Zeiten gab, in der man mit ganz wenig Freude erzeugen konnte. Es hat gereicht, wenn ein Kind mit einem Stück Zuckerwatte eine Runde auf dem Riesenrad dreht. Heute kannst du damit keinen mehr hinter dem Ofen herlocken; wenn man heute sieht, was da im Fernsehen gezeigt wird, kriegt man das Kotzen. Dementsprechend gerät die Menschheit in Schieflage, mental gesehen – behaupte ich mal so. Das wäre mal so ein grober Überblick der Songs.
 
In Extremo – Feuertaufe
 
Die große „Kunstraub“-Tour startet am 19.10. in Polen. Wie bereitet ihr euch auf so eine lange Tour vor?
Dr.Pymonte: Wir haben uns schon vor zwei Wochen getroffen; in Norddeutschland hatten wir so ein ganz einsames Gutshaus, das ist wunderschön gelegen in Mecklenburg-Vorpommern. Da wohnt unser Pyro-Techniker und der hat in diesem Gutshaus auch so einen ehemaligen Tanzsaal. Das ist schwer zu beschreiben, aber es ist unglaublich schön. Dort haben wir uns einfach eine Woche lang eingemietet, haben unseren ganzen Kram in einen LKW gepackt, alles hochgefahren, aufgebaut und haben dann dort eine Woche als Band verbracht. In dieser Zeit haben wir täglich, vergleichbar mit einem Arbeitstag, zusammen die neuen Stücke gespielt. Der Pyro-Techniker war immer in der Nähe, wir konnte über dieses in jenes sprechen und uns auch mal den ein oder anderen Effekt anschauen. Wir konnten die Show ganz in Ruhe durchprobieren, ohne dass wir Stress hatten. Nebenbei haben wir gegrillt, Fussball gespielt, geangelt – das war schon schön da in der Natur. Ich sag mal, da kommt man schon gut aufgestellt an.
 
Was können die Fans auf der Tour erwarten?
Dr.Pymonte: Eigentlich klassisch und typisch: In Extremo! Wir haben nicht versucht, uns stilistisch in eine neue Richtung zu verbiegen um auf Teufel komm raus irgendwas zu erreichen. Wir wollen auf unsere Art Dankbarkeit zeigen für die Leute, die uns mögen, die auch unsere Tonträger kaufen. Wir sind ja weniger eine Band, die in dem Download-Bereich stattfindet; unsere Fans kaufen eher physische Tonträger! Das hat noch was von Zeiten, in denen es noch Vinylplatten gab. Als die Leute sich noch Tonträger kauften, um es im Regal stehen zu haben. Dieser ganze Pullover-Rock findet weitesgehend im Download-Bereich statt. Da zieht man sich 1-2 Songs runter, die im Radio laufen und setzt sich nachher gar nicht mehr mit dem Interpreten und seiner Massage auseinander. Und deswegen sind wir so geblieben, wie wir immer waren und versuchen auch den Leuten das zu geben, was sie an uns mögen.
 
Passend zum Album erstrahlt auch die Homepage im „Kunstraub“-Style. Wie ist es, sich selbst auf einem Gemälde zu sehen?
Dr.Pymonte: Das war ganz krass! Die Idee stammt von unserer Plattenfirma, die drei Posin-Brüder wurden da zusammengezogen. Das sind schon fast Kunstfälscher auf Weltniveau! Was heisst Fälscher, die Werke sind ja frei und können adaptiert werden. Alle Bilder, die dort zu sehen sind, sind Originale von van Gogh oder Rembrandt. Die haben da als Portrait unseren Kopf in Öl reingemalt. Wir haben die im Original gesehen und es ist unfassbar, sich so zu sehen! Und das sind auch richtige Künstler, da braucht man nicht vor 20 Uhr anrufen, die arbeiten die ganze Nacht durch, so wie man sich das vorstellt; mit einem Glas Wein und einer Zigarre. So richtig klassische Malertypen, die pennen den ganzen Tag und das hat irgendwie zu uns gepasst. Das ist so ein Meilenstein im Leben, so ein Adelsschlag – von uns existieren echt Posins! Bei Universal hängen die auf der Etage, das sieht schon richtig klasse aus! Und ich denke, da steckt auch richtig viel Geld drin, so ein Gemälde ist sehr teuer! Aber nur zu empfehlen, die drei Posin-Brüder. Die haben auf der Kunstakademie in St.Petersburg studiert, das sind schon richtige Könner.
 
Danke, die letzen Worte gehören dir!
Dr.Pymonte: Ja, wir freuen uns über jeden, der uns auf unseren Konzerten besuchen kommt. Wir begrüßen jeden herzlich! Danke nochmal an alle, für die Treue in all den Jahren. Herzlich Willkommen auf der „Kunstraub“-Tour!
 
Interview von Florian Puschke im September 2013
 
Dieser Artikel wurde am: 28. September 2013 veröffentlicht.

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