Helmut Zerlett: Ein tastenreiches Interview

Ich würde behaupten wollen, dass es niemanden in Deutschland gibt, der noch nicht von Helmut Zerlett gehört hat. „Oh doch ich“ sagt jetzt vielleicht irgendwo irgendjemand. Gut, dann schreiben wir den Satz etwas um! Ich würde behaupten wollen, dass es niemanden in Deutschland gibt, der noch nichts von Helmut Zerlett gehört hat. Unterschied gefunden? Genau. Ein kleines „s“, dass irgendwie beschreibt, dass dieser Helmut Zerlett ein Mensch ist, der in unzähligen Projekten aktiv war. Oftmals im Bild – aber manchmal auch hinter den Kulissen aktiv. Man kennt ihn (auch durch sein Lachen) von der Harald Schmidt Show oder seinen Auftritten, in den größten Stadien Deutschlands, als Teil der Band von Westernhagen. Helmut Zerlett – ein Meister am Keyboard. Und dieses Wissen gibt er weiter. Kurse zum Online-lernen bietet er unter www.zerlett.de/workshops ab. Sicher nicht uninteressant für Nachwuchs-Keyboarder, da Helmut ja schon Preise wie den EMIL, Klavierspieler des Jahres, Bayerischer Filmpreis etc. gewonnen hat. Apropos Film. Manchmal nimmt man seinen Namen auch unbewusst wahr. Zum Beispiel im Abspann von Filmen wie Neues vom Wixxer, Die Mannschaft, Jerry Cotton, Der Vorname und viele mehr. Aber auch in TV-Produktionen ist Helmut Zerlett am Start: Tatort, Mord in bester Gesellschaft und viele mehr. In bester Gesellschaft fühlen wir uns auch, da Helmut sich bereit erklärt hat, uns einige Fragen zu seiner langen und großen Biografie zu beantworten. Seid gespannt auf Antworten zu Persönlichem, Harald Schmidt, Westernhagen, Bandprojekten, Filmmusik, Keyboard sowie Fragen deren Antworten mehr sind als „42“.

Hey Helmut. Schön, dass du dir Zeit nimmst. Wobei erwischen wir dich gerade?
Helmut: Ich bin gerade in der Vorbereitung für eine Schlagzeugsession, die ganz Corona-konform in München stattfindet. Während ich hier in Köln sitze (lacht). Ja nein, ich mache gerade die Filmmusik für einen Film von Detlev Buck. „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“. Eine Thomas Mann Verfilmung mit großem Musik-Anteil. Da war ich schon vorm Dreh involviert. Was immer super ist bei Kino Filmen. Ich habe da auch etwas Zeit und entwickle so die Melodien nach Absprachen mit Regisseur und Cutter. Der Film spielt um die Jahrhundertwende. Und da stellt sich die Frage welche Musik denn passt. Die Handlung spielt in einem Café in Paris. Da passt zu dieser Zeit und für diesen Ort unter Anderem als Instrument ein Akkordeon. Dafür habe ich viel geschrieben. Gespielt wird das schließlich von der Französin Lydie Auvray, der besten Musettespielerin in Deutschland. Ich freu mich da schon sehr drauf.

Viele kennen dich aus der Zeit in der Harald Schmidt Show und auch von der Zusammenarbeit mit Westernhagen. Gehen wir aber einen Schritt zurück. Du bist am Keyboard bekannt geworden. Doch wie hast du zum ersten Mal Bekanntschaft mit dem Keyboard gemacht? Seid wann spielst du dieses Instrument?
Helmut: Meine Schwester hatte in meiner Kindheit Orgelunterricht bekommen. Ich habe mit sieben angefangen, drauf rumzuklimpern und es stellte sich schnell heraus, dass ich etwas schneller war als meine Schwester. Und sie macht mich bis heute dafür verantwortlich, dass sie nie ein Instrument gespielt hat (lacht). Mit diesem Instrument hatte ich den ersten Kontakt mit Tasteninstrumenten. Und mit der Zeit habe ich mich da immer mehr in Richtung Keyboard bewegt.

Wenn man dich an dem Instrument sieht, erkennt man mehr Berufung als Beruf. Empfindest du das auch so?
Helmut: Auf jeden Fall. Irgendwann hat mein Vater eine „echte“ Hammond Orgel gekauft. Die war damals schon sehr teuer. Ich bin mit diesem Instrument groß geworden. Als mich Marius dann damals gefragt hatte, ob ich Lust hätte, mitzuspielen da war ich erst mal reserviert. Aber als ich dann im Proberaum eine B3 gesehen habe, da dachte ich „Wahnsinn“. Und irgendwie hatte ich dann auch richtig Lust drauf. Ich besitze selbst eine B3 / Baujahr 1957. Tatsächlich ist es mehr Berufung als Beruf. Ich spiele einfach super gerne. Ich habe auch eine Band mit Filmschaffenden, quasi Hobbymusikern. Da spielen wir manchmal auf unseren eigenen Geburtstagsfeiern und einmal im Jahr machen wir ein größeres Event: Die „X Mas Wrap“ Party für Filmschaffende und Freunde, die dieses Jahr aber leider aus bekannten Gründen ausfallen muss.

In deiner Biografie und Diskographie erscheinen wahnsinnig viele Projekte und somit auch viele Ideen, die du am Instrument entwickelt hast. Wie und wo komponierst du deine Melodien?
Helmut: (lacht) Das weiß ich selbst auch nicht so richtig. Meist finden die Melodien eher mich (lacht wieder). Am besten bin ich tatsächlich, wenn ich einen Auftrag habe. Ich habe schon lange ein Solo-Album hier rum liegen, aber da ist halt weniger Druck dahinter. Bei Aufträgen kommen dann direkt Ideen, wie man das Ganze angehen kann. Auch neue Instrumente, neue Plugins sind zum Teil inspirierend. Vor kurzem habe ich mir eine portugiesische Gitarre gekauft und dann kommen recht schnell Eingebungen, wie man denn bestimmte Themen angeht bzw. umsetzt.

Du bist in unzähligen Projekten mit vielen verschieden Musikstilen präsent. Welche Musikrichtung hörst du persönlich?
Helmut: Im Moment ist es Kindermusik (lacht). Persönlich höre ich viel klassische Musik. Am Klavier spiele ich Bach und Chopin. Klavierspielen ist für mich Gehirn-Sport.

Du bist auf vielen Rockplatten (Westernhagen, Wizo, Jule Neigel Band, Joachim Witt, Stephan legère (1999), Driving South (2000), Meant to be like this (2003), Orange (2008)) vertreten. Welche Veröffentlichungen bedeuten dir bis heute am meisten?
Helmut: Das ist sehr schwer zu sagen. Ich mag alle Sachen, bei denen ich mitgespielt habe, sehr gerne, denn sonst hätte ich die Sachen auch nicht gemacht. Für mich bedeutend waren auch die Veröffentlichungen mit Marius, da diese eine große Reichweite hatten. Aber es gibt auch sehr viele andere Dinge, die mir gefallen haben. Es gab mal eine Band, die hieß EAT. Die CD ging schlechter weg aber die Musik hat mir persönlich sehr viel bedeutet. „Ich liebe alle meine Kinder“, würde ich mal sagen (lacht). Sven Väth, Black Fööss, Kindermärchen, Marius. Du siehst – Es ist sehr vielfältig. Auch „Masimbabele“ ist für mich eine wichtige Nummer. Es war meine erste eigene Produktion und das Stück ist zu der damaligen Zeit tatsächlich ziemlich eingeschlagen und in vielen Clubs gelaufen.

Über welche Veröffentlichung musst du im Nachhinein schmunzeln? Und Warum?
Helmut: Ja es gibt viele lustige Dinge. Mit Stephan Remmler habe ich mal ein Album mit Cover Versionen von Freddy Quinn Songs gemacht („Auf der Suche nach dem Schatz der verlorenen Gefühle“). Das war schon lustig.

Du warst auch an Goldalben und Platinalben beteiligt. Was hast du bei der ersten „Gold“ Auszeichnung empfunden?
Helmut: Da war ich echt stolz. Vor kurzem habe ich dies Platten mal wieder ausgekramt. Etwas entstaubt. Auch mal wieder aufgehangen. Aber nicht so zur Schau gestellt. Ich habe viele Bilder von Künstlern im Studio. Ich habe da eine schöne Sammlung und die Platten dazu gehängt.

Gehen wir in deiner Karriere einen kleinen Schritt weiter. Lange hat man dich bei Harald Schmidt bewundern dürfen. Du warst für ihn ein ebenso wichtiger Partner wie Manuel Andrack. Als Bandleader der Helmut-Zerlett-Band und als Außenreporter im Einsatz. Erzähl, wie der erste Kontakt zu Harald Schmidt kam.
Helmut: Das war auch eine Sache, bei der ich anfangs etwas reserviert war. Ähnlich wie bei Marius auch. Bei Marius war ich anfangs mit der Musik nicht ganz vertraut und bei Harald Schmidt wusste ich auch nicht, was auf mich zukommt. Der erste Kontakt mit Harald Schmidt war nach einem Westernhagen Konzert. Da fragte mich ein Manager von Harald, ob ich nächstes Jahr für 250 Tage frei hätte. Das habe ich zuerst einmal verneint (lacht). Die Leute konnten aber meine Argumente entkräften und nach einer Zeit von zwei Wochen hat es bei mir dann auch „Klick“ gemacht. Auch weil ich die Musik mitbestimmen durfte. Die Jingles, die Einspieler und das alles. Da hatte ich richtig Freiheit, was sehr viel Spaß gemacht hat.

Welche Erinnerungen hast du an diese Zeit? Wenn es wieder ein solches Format geben würde, könntest du dir vorstellen, dabei zu sein? Oder sind Late-Night-Shows tot?
Helmut: Natürlich, da wäre ich sofort wieder mit dabei, wenn es mir genug Zeit ließe, weiter Filmmusik zu komponieren.

Welche drei Worte würdest du dieser intensiven Zeit zuordnen wollen und warum?
Helmut: Geil! Geil! Geil (lacht).

Wie groß ist der Kontakt heute zu der durchaus großen Harald-Schmidt-Show-Familie?
Helmut: Eigentlich weniger. Wir hatten damals beruflich unheimlich viel miteinander zu tun. Da hat man privat dann oft seltener Kontakt. Man braucht auch etwas Abstand auf der Arbeit und heute ist der Kontakt weniger. Nicht ganz weg, denn den ein oder anderen hört man oder sieht man mal. Aber es ist so, dass das eine schöne berufliche Sache war. Wenn man sich natürlich irgendwo trifft ist das immer schön. Harald und ich schreiben uns ab und zu ein paar SMS…

Neben Harald Schmidt kennen dich sicher viele von den Auftritten mit Westernhagen. Du warst an den großen Alben wie „Halleluja“, „Ja Ja“, „Affentheater“ aber auch den Live Produktionen beteiligt. Wie groß war hier der Einfluss auf die Songs?
Helmut: Marius hat sehr schnell erkannt, dass er eine gute Band hat. Er hat die Sachen vorgegeben und wir haben zum Teil etwas rumexperimentiert. So dass wir die Songs dann auch in einem gewissen Maße etwas mit gestaltet haben.

Welche Stücke waren persönlich deine Favoriten und welche waren live eher „lästig“?
Helmut: Anstrengend waren für mich die Balladen, weil man da so auf dem Präsentierteller ist. Bei „Freiheit“ zum Beispiel habe ich immer gehofft, mich nicht zu verspielen (lacht). Geliebt habe ich die Rock-Sachen.

Nach der „Nahaufnahme“ hast du sich anderen Projekten zugewandt. Was ist persönlich so ein Fazit aus dieser Zeit? Das gleiche wie bei Harald Schmidt?
Helmut: Definitiv das gleiche. Marius hat mich auf ein anderes Level gehievt. Auch habe ich erkannt, wie schön es sein kann, auch mal ein einfacheres Lied zu spielen. Marius verdanke ich sehr sehr viel. Nicht zuletzt die Harald Schmidt Show.

Wie ist der Kontakt heute?
Helmut: Wenn wir uns sehen ist der Kontakt sehr herzlich.

Neben Westernhagen hast und hattest du viele eigene Bandprojekte am Start. Wird es auch mal eine Helmut Zerlett Solo CD geben? Du hast eben schon sowas angedeutet.
Helmut: Ja, die kann es geben. Es ist aber auch so, dass man mit CDs an für sich kein Geld mehr verdienen kann. Man muss irgendwie andere Wege finde. Ich habe mit einem der Sänger des Solos-Albums ausgemacht, dass wir uns mal auf ein zwei Songs konzentrieren. Dazu wollen wir ein Video machen und dann mal sehen, wie es über Portale wie YouTube angenommen wird. Das läuft gerade.

Welche Vorbilder hast du? In welcher All-Star-Gruppe würdest du gerne mal spielen?
Helmut: Ich habe schon einige Träume verwirklicht. Viele Leute, die ich als Vorbilder sehe sind leider schon tot.

Sicher bist du für einige ein Vorbild. Und man kann auch von dir lernen. Auf deiner Seite kann man unter www.zerlett.de/workshops einen Online-Workshop besuchen. Sag, wie es zu dieser Idee kam.
Helmut: Diese Idee kam von einem Freund von mir. Von Michael Beckmann, der ja auch mal bei den Rainbirds gespielt hat und auch Filmkomponist ist. Er hat mir davon erzählt, dass er sowas für Bass macht. Und der Macher dieser Videos würde das auch für Keyboards machen. So kam der Kontakt. Da bin ich dann nach Bayern und wir haben dort die Videos aufgenommen. Der Workshop zeigt sowohl die Grundlagen aber auch Grooves, Melodie usw. Wie man einfach schnell zum Ziel kommt.

Gibt’s du neben den Online Workshops auch selbst Keyboard-Unterricht? Hast du schon mal daran gedacht, in einer Musikschule zu arbeiten?
Helmut: Schwer zu sagen. Ich sehe mich nicht als Lehrer. Aber vielleicht ist es auch einen Versuch wert. Es muss in ein Konzept passen. So dass ich weiter für Filme komponieren kann.

Filmmusik von dir ist weit verbreitet. Aktuelle Kinoproduktionen, TV-Produktionen. Auch Preise hast du hier schon erhalten. Auf welchen Preis bist du besonders stolz und warum?
Helmut: Vor kurzem habe ich einen Preis für mein Lebenswerk bekommen. Das war mir ein bisschen peinlich. Aber das hat mir schon was bedeutet, da mir die Filmmusik ans Herz gewachsen ist. Ich durfte da dann auch Sachen live aufführen. Es ist schön, wenn von Einem Notiz genommen wird und so habe ich mich auch über den Preis gefreut.

Wenn du eine Greatest Hits zusammenstellen solltest von Songs oder Melodien, an denen du beteiligt warst (egal von welcher CD / Film). Welche Titel würden da auf jeden Fall drauf landen?
Helmut: Ja „Masimbabele“ war ein Hit. Ein Meilenstein. /…../ Auch viele Filmmusiken sind mir persönlich wichtig. Ich würde aus dem Felix Krull Film vor allem auch das Hauptthema nehmen. Frankreich ist mir wichtig, da ich als Kind viel in Frankreich war.

Filme, an denen du beteiligst warst, sind oft Komödien (Wixxer, Vorname). Welcher der Filme, für die du Musik geschrieben hast, ist persönlich dein Favorit?
Helmut: Immer der aktuelle (lacht). Die Arbeiten mit Wolfgang Groos schätze ich sehr. Er ist mehr als ein Arbeitskollege für mich.

Grundsätzlich scheinst du eine Frohnatur zu sein. Was bringt dich in der heutigen Zeit eher zum Weinen statt zum Lachen?
Helmut: Ach ja, wenn ich sehe was Menschen oft für vereinfachte Sichtweisen auf unsere Mitmenschen haben, bin ich oft traurig. Ich kann nicht nachvollziehen, wenn Menschen schräg angeschaut werden. Diese Rattenfänger-Parteien machen mich traurig.

Was bedeuten dir die folgenden Begriffe:
Fatter Teresa
Helmut: Der war klasse. Guter Mann. Ich hoffe es geht ihm gut.

Musikbusiness
Helmut: Da muss man durch (lacht). Kein leichtes Geschäft. Gerade wenn man etwas liebt und dafür Geld nehmen muss. Das muss man lernen.

Tourleben
Helmut: Wirklich herrlich. Das habe ich bei Marius immer genossen.

Familie
Helmut: Das Wichtigste was es gibt. Wenn die Kinder da sind, weiß man warum man lebt.

Corona
Helmut: Durch meine Arbeit im Studio beeinträchtigt es mich nicht so. Aber ich kann nicht live spielen. Die wichtigen Branchen wie Gastronomie usw. werden geschlossen, die Schulbusse sind aber voll. Das verstehe ich nicht alles so ganz. Mal sehen, wie es weitergeht.

Lieber Helmut, wir denken dir für die Zeit, die du dir für uns genommen hast. Die letzten Worte gehören natürlich dir.
Helmut: Ja vielen Dank. Es hat Spaß gemacht, mal wieder zurückzublicken. Ich wünsche euch nur das Beste und freue mich auf ein Wiedersehen.

Wir bedanken uns bei Helmut Zerlett für ein interessantes Interview im Oktober 2020. Eine kleine Ehre und eine große Freude war es uns, mit ihm zu sprechen und wir sind sehr gespannt, wie diese außergewöhnliche Karriere weitergeht. Wer Näheres wissen möchte schaut nach unter: www.zerlett.de

Interview von Thorsten im Oktober 2020

Dieser Artikel wurde am: 5. Dezember 2020 veröffentlicht.

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