Colorwave: Die Alternative-Rockband im Interview

Moin, wo erwischen wir euch gerade?
Colorwave: Wir sind grade über NRW verstreut und daher erwischt ihr uns mitten in einem Videocall. Es ist ein paar Wochen her seit wir uns das letzte Mal gedrückt haben.

Für alle, die euch noch nicht kennen, stellt euch doch kurz vor.
Colorwave: Wir sind Ginny, Jan und Flo und gemeinsam mit all den Leuten, die uns supporten, sind wir COLORWAVE – eine Alternative Rock und Post-Punk Band aus Köln und London. Als “boundless and borderless, havoc and harmony” hat es ein Magazin mal beschrieben – da haben wir uns sehr gesehen gefühlt. COLORWAVE ist Offenheit, Tough Love und das Gefühl gemeinsam alles Erlebte tragen zu können. Wir halten einander fest und möchten jedem die Möglichkeit geben ein Teil von diesem Zusammenhalt zu sein.

Colorwave gibt es seit 2015 und man kann „Rock Trio aus London mit deutschen Wurzeln“ lesen – was darf man sich darunter vorstellen? Seid ihr ausgewandert?
Colorwave: Zu diesem speziellen Zeitpunkt ist diese Frage gar nicht mal so kurz und bündig zu beantworten.

Ja, Jan und Gin sind in 2018 nach London ausgewandert, Flo ist Mitte letzten Jahres gefolgt. Aber Pandemie und Brexit heizen unseren individuellen Lebenssituationen ganz schön ein. Daher ist Flo im Moment zurück in Köln. Aber wir haben das mit dem “festen Standort” der Band von Anfang an nicht so wichtig genommen. Als wir angefangen haben lebten wir in den Niederlanden und Deutschland. Man könnte sagen wir sind unserem Motto “boundless and borderless” treu geblieben.

Wie ist damals der Bandname entstanden und welche Bedeutung hat er?
Colorwave: Es hat echt Monate gedauert bis wir einen Namen für unsere Gruppe gefunden haben.
Wir wollten etwas, was uns auch noch weit in der Zukunft erlaubt zu kreieren was immer sich für uns richtig anfühlt. Der Name sollte uns also nicht an eine bestimmte Nische innerhalb des Alternative Rock Genres binden. Und dabei sollte er natürlich auch die Werte ausdrücken, für die wir stehen: synergy, openness, defiance.
Irgendwann waren wir so verzweifelt, dass wir angefangen haben gedankenlos Songtexte zu überfliegen. In der Hoffnung, dass die Augen vielleicht von selbst an interessanten Worten hängen bleiben. “Wave” kommt tatsächlich von der Zeile “I’m not a chance but a heatwave in your pants.” aus Fall Out Boy’s “I Don’t Care”.

Es mag total cheesy klingen, aber das Wort COLORWAVE fühlte sich genau wie das an was wir kreieren wollten (undhaben): Eine Community aus der verschiedensten Leuten mit den unterschiedlichsten Backgrounds, die einander bedingungslos akzeptieren. Man stellt sich gemeinsam den Herausforderungen des Lebens und all den Veränderungen und Brüchen, die so passieren. Ein bisschen wie Wassertropfen, die nur gemeinsam eine ungehorsame, wilde und gewaltige Welle bilden können und so selbst die hartnäckigsten Hindernisse einfach wegspülen.

Mit „Pressure“, „Thirst“ und „Boundaries (are hard to establish if you’ve never had any)“ habt ihr drei Songs veröffentlicht, die miteinander verbunden sind – warum ist das so? Erzählt uns die Geschichte dazu.
Colorwave: Die drei Songs sind tatsächlich aus mehreren Gründen besonders miteinander und mit uns verbunden.

Zum Einen sind sie ein Teil der ersten Songs, die nach der Trennung von zwei ehemaligen Bandmitgliedern entstanden sind. Nach der Produktion und Veröffentlichung unseres Debut Albums fühlte sich das Schreiben dieser Tracks absolut befreiend an. Da war auf einmal so viel Raum und Mut in unseren Köpfen. Wir alle konnten auf ganz individuelle Weise äußerliche sowie innerliche Erwartungshaltungen loslassen und haben uns selbst und einander im Prozess des Schreibens viel intensiver gefunden.

Zum anderen haben wir diese Tracks gemeinsam mit Mathias Bloech aufgenommen.
Wir hatten die Songs schon eine Weile fertig und haben über Monate hinweg immer wieder versucht alle Bandmitglieder an einen Ort zu kommen, um sie in Eigenregie aufnehmen zu können. Aber das frühe 2020 hat uns natürlich immer wieder einen Strich durch die Rechnung gemacht. Im April bekam Jan dann einen Anruf und am Telefon war Mathias. Der fand unser Album geil und hatte eine Vision für unseren nächsten Schritt. Und nachdem wir dann unsere Demos mit ihm geteilt haben, rief er wieder an und sagte “GENAU DAS! Das hatte ich im Kopf! Lasst uns das zusammen machen!” Ein paar Wochen später saßen wir dank einiger Corona-bedingter Ausfälle mit unserem absoluten Dreamteam im Studio in Osnabrück und hatten die Woche unseres Lebens. Die vielen Ausfälle zu Beginn des Jahres waren also doch für etwas viel Größeres gut.

Es sind auch die ersten Songs, die wir live eingespielt haben.

Wie hat Corona eure Pläne durchkreuzt? Hattet ihr für 2020/2021 noch was anderes geplant?
Colorwave: Schmerzhaft konfrontierende Fragen stellt ihr. Eigentlich probieren wir grade wieder nach vorn zu schauen.
2020 sollte das Jahr sein, in dem wir alle 6 bis 8 Wochen einen neuen Song raushauen und die UK Live Szene im Sturm erobern. Solche Pläne sind natürlich schon ein Jahr im Voraus in der Mache.
Mehrere abgesagte Studio Sessions, viele, viele abgesagte Gigs – darunter unsere erste Tour, die am Stück durch drei Länder gehen sollte und unsere erste nicht komplett allein gebuchte Tour in der UK. Viele Ressourcen wurden in den Sand gesetzt. Auf einem erfolgreichen Club Show Jahr 2020 sollte die Festival Saison 2021 aufbauen und für uns sehr groß werden.
Auf den ersten Blick war es also – wie für so viele – eine Katastrophe. Aber unsere Recording Session letzten Sommer wäre auf diese Weise (mit unserem Lieblings-Drummer, einem wahnsinnig tollen Team und eben Mathias) wahrscheinlich nicht zu Stande gekommen. Und das war ehrlich gesagt eine der besten Wochen unseres Lebens bisher. Wir zehren noch immer von der Energie, die wir aus diesen Tagen schöpfen konnten.

Wie geht ihr damit um? Was und wie plant ihr aktuell?
Colorwave: Wir geben uns Raum alles zu fühlen was mit den Verlusten aber auch den Gewinnen der letzten 1,5 Jahre so kommt und versuchen endgültig die Illusion von Kontrolle loszulassen. Die Pandemie lässt uns wohl alle spüren was uns wirklich wichtig ist – wenn auch auf schmerzhafte Weise. Es ist okay, sich eine ganze Weile verloren und ausgelaugt zu fühlen.

Einige Pläne sind gegessen, andere Sachen wie beispielsweise die Reihe neuer Singles finden noch immer statt.
Unsere COLORWAVE Family und auch neue Fans haben uns bei der Veröffentlichung dieser ersten drei Songs super viel Energie zurück gegeben.
Was uns zeigt: Das ganze Drumherum ist Nebensache. Wir sind hier, wir machen wofür wir gemacht sind. Und die Musik macht was mit den Leuten. Das ist doch worum es geht.
Ob das nun über die Distanz ist oder einen Moment länger dauert als geplant ist nebensächlich.
Wir sind wandelbar, wir mögen eine Weile müde sein, aber in all dem steckt ein Sound. Selbst oder vielleicht vor allem in Leere und Einschränkung steckt so viel Möglichkeit, steckt Kreativität.
Dass wir all das grade nicht hautnah mit unserer Community in einem Raum springend, schreiend und schwitzend feiern/erleben können tut natürlich weh.

Die Zeit gibt auch jedem von uns in gewisser Weise die Möglichkeit durchzuatmen, zu reflektieren und vielleicht Türen aufzustoßen, die man sonst eher gemieden hat. Es fällt natürlich nicht leicht, wenn man auf all die abgesagten und verschobenen Termine schaut, aber wir sind auch überzeugt davon, dass diese Situation was mit uns macht und man daraus etwas schöpfen kann. Was das für jeden Einzelnen ist, ist total individuell und man kann gemeinsam wachsen.

So haben wir mit vereinten Kräften bei allem doch ein paar Türen auftreten können:
Mit unserer #TakeOffThePressure – Merch with an Impact Kampagne unterstützen wir gemeinnützige Organisationen und haben Kontakte mit wundervoll inspirierenden Aktivisten knüpfen dürfen. Ohne Lockdown hätten wir wohl gar nicht die Zeit gehabt unseren in liebevoller Handarbeit vollendeten Merch für die Aktion fertigzustellen.
Die besonderen Umstände haben auch dafür gesorgt, dass wir mal mit zwei wunderbar kreativen Freunden von uns und normalerweise “Weltenbummlern” lange genug in einem Land festgesessen haben, um endlich gemeinsam ein Musikvideo zu drehen. Das haben wir uns schon seit Jahren gewünscht und endlich in Realität umsetzen können. Das Ergebnis ist letzte Woche erschienen in Form unseres Musikvideos zu “BOUNDARIES (are hard to establish if you’ve never had any)”.
Und unsere nächsten Tracks produzieren wir im Mai gemeinsam mit Mathias Bloech und Flo von Van Holzen in deren heimeligen Studio – das können wir gar nicht erwarten! Die Single Serie geht also weiter, die Gigs werden kommen. Alles ist weniger planbar und passiert etwas spontaner – aber es findet statt!

Wie darf man sich eine Live-Show von euch vorstellen?
Colorwave: Stürmisch, emotional, schweißgetränkt, persönlich.
Unsere Show ist fürs Publikum und uns selbst wie ein befreiendes Ritual.
Im trüben Licht und der dröhnenden Atmosphäre können sich alle ganz der Musik hingeben und sie selbst sein. Ob stehend, tanzend, singend, schreiend, lachend, weinend – jeder ganz für sich und doch alle gemeinsam. Am besten kommt man einfach mal rum, wenn es wieder geht und erlebt das hautnah für sich.

Was ist der entscheidende Unterschied zwischen Deutschland und England?
Colorwave: Da würde sicherlich jeder von uns etwas anderes sagen, denn wir haben uns alle aus anderen Gründen für einen Ort entschieden. Was übrigens nicht bedeutet, dass wir uns damit gegen den anderen entscheiden. Dazu kommt, dass unsere Meinungen dazu sind im Moment extrem im Wandel. Vor allem momentan mit so vielen Fragezeichen und verrückten Stories kann man nicht wirklich festlegen, was jetzt Unterschiede sind oder warum man grade an einem bestimmten Ort ist. Es wird spannend zu sehen was in den nächsten Monaten passiert und wie sich die Länder entwickeln.

Bitte beendet folgende Sätze.
Wir wären gerne Support für… Marmozets, Van Holzen, Now, Now.
Würden wir nicht Colorwave heißen, hätten wir uns…. hätte, könnte, wäre, so denken wir nicht.
Die Kooperation mit Mathias Bloech (Heisskalt) war für uns… nach Hause kommen.
In zehn Jahren… sieht die Welt schon wieder anders aus und haben wir viele schöne Geschichten zu erzählen.

Was verbindet ihr mit folgenden Wörtern?
Familie
Colorwave: COLORWAVE

Freunde
Colorwave: Familie

London
Colorwave: Fühlt sich grade weit weg an.

Studio
Colorwave: Kreatives Wohnzimmer.

Bühne
Colorwave: Lebenselixier.

Neues Album
Colorwave: Wenn es sich richtig anfühlt.

Vielen lieben Dank, die letzten Worte gehören euch!
Colorwave: Wir möchten einfach mal ein Danke aussprechen an alle Leute, die Bands wie uns jetzt grad immer noch so crazy unterstützen trotz Pandemie, obwohl es keine Konzerte gibt und irgendwie alles stillt steht. Sowas trägt uns ja und gibt uns die Kraft nicht komplett durchzudrehen. Also: DANKE!

Interview von Florian im April 2021

Dieser Artikel wurde am: 14. April 2021 veröffentlicht.

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