Als ich vor vielen Jahren zum ersten Mal „100.000 Fragen“ von den Blutjungs hörte, dachte ich zuerst an eine Band aus Berlin (aus Berlin!!!). Doch ich wurde getäuscht. Aber nicht enttäuscht. Dafür sind die Blutjungs einfach zu gut. Nach und nach legte ich mir die Alben der Blutjungs zu und immer wieder laufen diese bei mir durch die Anlage. Doch die Blutjungs sind nicht die einzige Band des Frontmanns Martin Gossmann. Auf seinem Label Phonowerke Luna veröffentlicht er auch Scheiben seiner weiteren Projekte wie Carlos Mogutseu aber auch Dee Anderen. Da es derzeit etwas ruhig um die Bands geworden ist, haben wir es gewagt, bei Martin anzuklopfen. Wir haben uns sehr gefreut, dass dieser sich für einige Fragen zur Verfügung gestellt hat. 100.000 Fragen sind es nicht geworden, aber wir hätten sicher noch mehr stellen dürfen. Das aber dann vielleicht beim Release einer weiteren CD. Seid gespannt auf die Antworten von Martin zu unterschiedlichen Fragen, die einen Bruchteil von 100.000 Themen abdecken.
Hey Martin, schön dass du dir die Zeit fürs Tough Magazine nimmst. Wobei erwischen wir dich gerade?
Martin: Coronabedingt liege ich gerade faul rum und lese, hab also eigentlich keine Zeit für Euch.
Nicht jeder unserer Leser*innen wird all deine Projekte kennen. Vielleicht sind die Blutjungs die bekannteste deiner Bands? Möchtest du uns kurz deine vielfältige musikalische Aktivität beschreiben?
Martin: Neben den Blutjungs, die aber den größten Teil meiner Arbeit einnehmen, gibt es noch „Carlos Mogutseu“, meine älteste Band, die auch gerade wieder an einem Album basteln. Und natürlich noch „Dee Andern“, die streng genommen auch aufnehmen wollen. Und dazu ein paar halbe Projekte, die aber noch nicht spruchreif sind.
Wenn du nicht gerade mit einer Band was unternimmst. Was machst du privat und beruflich?
Martin: Da bleibt im Normalfall nicht mehr viel Zeit, aber in der Pandemie natürlich leider mehr als genug. Ist aber unspektakulär, Familie, 40 Stunden-Job usw. weil man ja von Splatterpop nicht leben kann (Punkrock zahlt die Miete nicht).
Veröffentlichen tut ihr all eure Sachen auf den Phonowerken Luna. Erzähl etwas zur Geschichte der Phonowerke.
Martin: In den Anfangstagen der Blutjungs war das Ziel ein Label zu finden. Allerdings waren die Deals, die uns angeboten wurden so durchwachsen, dass ich schon früh der Meinung war, dass ich das genauso schlecht auch selbst machen kann. Stimmt übrigens auch. Um Labelarbeit für andere Bands zu machen fehlt mir schlichtweg die Zeit, daher erscheinen fast nur unsere Sachen auf Phonowerke. Wenn ich mal in Bühnenrente gehe ändert sich das vielleicht, wer weiß. Mittlerweile sind wir alle heilfroh, dass wir den Kram selbst veröffentlichen und somit auch alle Rechte behalten.
Wer, außer deinen eigenen Bands, veröffentlicht dort noch?
Martin: Es gibt nur eine Ausnahme, nämlich das Debut-Album der Skate-Crossover-Könige von Panicdrive, leider vergriffen. Und da die Kapelle sich schon lange aufgelöst hat, wird’s wohl auch keinen Nachfolger mehr geben. Es ist also noch Platz im Regal.
Mit welcher Band würdest du gerne ein Release auf deinem Label realisieren?
Martin: Mit keiner, ich hab keine Helden. Wenn muss ichs schon selbst einsingen.
Blutjungs / Carlos Mogutseu aber auch Dee Anderen. Erzähl uns, wie die Songs zu den Bands entstehen.
Martin: Ah, jetzt kommen die schweren Fragen. Eigentlich entwickelt sich das erst während des Entstehungsprozesses der Lieder. Ich weiß also am Anfang nicht, für wen das Lied ist. Ich setz mich auch nicht hin und sage „jetzt schreib ich ein Lied für Band A“. Ich merke das erst, wenn die Nummer halbwegs fertig ist.
Wie entscheidest du, wenn du einen Song schreibst, für welche Band dieser am besten geeignet ist?
Martin: Nach Gefühl. Ich kanns nicht anders sagen.
Beginnen wir mit den Blutjungs. Ihr habt hier einige Hammerscheiben am Start. Welche ist deine Lieblings-CD der Blutjungs und warum?
Martin: Das kann ich nicht beantworten, wäre als Labelchef ja auch unklug, eine Scheibe herauszustellen. Tatsächlich werte ich alle fünf Blutjungsscheiben gleich hoch, jede hat was Eigenes.
Und welche Songs sind deine Favoriten?
Martin: Am liebsten sind mir die, mit dem höchsten Gemaerlös. Im Ernst, welches deiner Babys hast du am liebsten, das kann doch keiner beantworten.
Das letzte Release „Saufpferdchen“ ist schon vier Jahre her. Dürfen wir uns auf was Neues der Blutjungs freuen?
Martin: Davon darfst Du ausgehen, wenn wir nicht im Moment nicht proben dürften wären wir evt. schon am Release-Party planen. Allerdings sind vier Jahre für uns auch ne ganz gute Zeit.
Damals war bei der Erstauflage der CD ein herrliches Saufpferdchen-Patch für die Badehose dabei. Hast du jemals jemanden gesehen, der es aufgenäht hat? Auf ner Badehose?
Martin: Tatsächlich hab ichs mal auf ´nem Bikini gesehen, ansonsten nur auf Jacken und Kutten. Reicht ja aber auch. Und auf Badehosenstoff nähen ist auch nicht einfach, kann ich als Spross einer Schneiderfamilie bestätigen.
Ihr habt mit den Blutjungs einen eigenen Fanclub. Ist dieser derzeit aktiv?
Martin: Jo, auch wenn die natürlich wenig Möglichkeiten haben im Moment. Fanclub von ner Band, die nicht auftreten und nicht ins Studio gehen kann ist ja auch kein leichter Job.
In der Corona Zeit ist es sicher schwer, mit der Band aktiv zu sein. Wie kommt ihr durch die Krise?
Martin: Das hat nicht nur Nachteile. So lange Treffen mit vier Personen in Bayern möglich waren sind wir bei den Arbeiten fürs neue Album gut vorangekommen, seither bleiben nur logistische Sachen, Lieder schreiben, Grafik überlegen usw.
Sind Auftritte derzeit geplant?
Martin: Es stehen ein paar Termine im Kalender, allerdings werden wir die erst bewerben oder veröffentlichen, wenn´s auch spruchreif ist. Niemand weiß ja, wann es wieder los geht.
Beschreibt den Zuschauern, die die Blutjungs noch nicht gesehen haben, was sie erwartet?
Martin: Am Besten nicht zu viel erwarten, das ist ja eh ein guter Ratschlag für fast alles.
Was haben die Blutjungs mit Katzen vor?
Martin: Da gibt es keinen Masterplan, der Katzenbezug hat sich immer einfach so ergeben. Aber wenn die alten Ägypter Recht behalten und es tatsächlich eine Katzengöttin gibt, kann das mal ein Problem für uns werden…Also Bastet, falls Du das liest, war nur Spaß, ok?
Und was ist mit Harry Potter passiert, nachdem ihr in getroffen habt?
Martin: Wir beantworten die Frage, warum es keinen 8. Band mehr geben wird ja sehr deutlich.
Kannst du uns auch noch sagen, was Fred der Metzger macht? Gerade da sich derzeit ja immer mehr Menschen vegan ernähren.
Martin: Ich glaube nicht, dass sich das Metzgerhandwerk um einbrechende Umsätze sorgen muss.
Eine weitere große Band ist natürlich Carlos Mogutseu. Was ist hier Neues geplant?
Martin: Carlos basteln ja schon seit langem am nächsten Album, da geht’s aber nur in Trippelschrittchen voran. Ich würde mir wünschen, dass wir in diesem Jahr noch ins Studio gehen, mal schauen.
Welche Veröffentlichungen und Songs würdest du hier Neueinsteigern ans Herz legen wollen?
Martin: Am Besten gleich alle Scheiben kaufen, da geht man auf Nummer sicher.
Unter anderem habt ihr den Regenwald besungen. Kannst du hier kurz erklären was so schön/unschön am Regenwald ist?
Martin: Warum das kein Monsterhit geworden ist, bleibt unerklärlich. So viele Menschen handeln nach der Liedzeile „Regenwald leck mich am Arsch“, das müsste eigentlich das Lieblingslied von Millionen sein.
Auch „St. Pauli hat verloren“ ist ein Song, der die Gemüter sicher spalten kann. Was bedeutet dir Fußball?
Martin: Ich interessiere mich schon für Fußball, bin aber kein Nerd mit Vereinsbettwäsche. Hier geht’s ja eher drumm diesem ewigen „mein Verein ist der Beste und Tollste -Lied“ etwas entgegen zu setzen.
Mit den Dee Anderen hast du mit „The World of Parking“ vor einigen Jahren ein kleines Statement abgeliefert. Wo würdest du denn mit den Dee Anderen gerne zum Parken hinfahren?
Martin: Das Schild ist ja tatsächlich echt und deshalb so unglaublich toll. Eine Firma, die sich den Claim „The World of Parking“ gibt? Das ist einfach nicht zu toppen. Das kann sich kein Satiriker ausdenken…
Ist hier was Neues geplant?
Martin: Dee Andern planen ja nicht so sehr. Wenn ein paar Ideen da sind kommen wir zusammen und basteln, machen vielleicht was und tauchen dann wieder für Jahre ab. Ein paar Ideen sind da, bleibt abzuwarten.
Wenn du ein Best Of all deiner Veröffentlichungen auf einer CD machen würdest. Wie würdest du vorgehen? Welcher Anteil hätten Blutjungs / Carlos an dieser Zusammenstellung?
Martin: Warum sollte ich das tun? Best-Of ist ja immer Rip-Off, genau wie die Live-DVD usw. Das macht man, um Verträge zu erfüllen oder um zu kaschieren, dass einem nichts mehr einfällt. Wenn wir so was machen, dann natürlich Lo-Fi und niederpreisig, so wie die kleine MC-Serie, die eher als Späßchen angelegt war.
Kommen wir zum Schluss des Interviews zu Gedankenblitzen. Was bedeuten dir die folgenden Begriffe?
Punkrock 2021
Martin: Wenn Punkrock heißt, einfach machen, egal was die anderen sagen, dann ist Punk immer noch richtig und wichtig. Wenn Punkrock heißt mit Bierdose und Hund vorm Bahnhof die Passanten anschnorren dann eher nicht so.
Lasterfahrer
Martin: Wer soll sonst all die Truckstop-Platten kaufen?
Godzilla
Martin: Keiner macht den Japanern bei Monster-Trash-Filmen was vor!
Bela B
Martin: Ob der oft drauf angesprochen wird, dass er an guten Tagen wie ich klingt?
Kay ab Mai
Martin: Das perfekte Liebeslied. Kaufen!
Verschossen in die Blutjungs
Martin: Wer ist das nicht? Auch kaufen!
Hessen
Martin: Ich verrate ein Geheimnis: Das Lied heißt im Original „Niedersachsen“.
Gammastrahlen
Martin: Es gibt zu wenig Lieder über Gammastrahlen. Und zu viele gebrannte CD.
Merkel
Martin: Liedtexte über real existierende Politiker sind immer schwierig. Ich rate: Finger weg (auch wenn wir bei Roland Koch mal eine Ausnahme gemacht haben).
Interviews in Corona Zeiten
Martin: Was sonst?
Tough Magazine?
Martin: Immer lieber Print!
Wir bedanken uns bei dir für die Zeit, die du dir genommen hast? Natürlich gehören die letzten Worte dir. Also los :)
Martin: Ach Quatsch, reicht doch auch so..
0 Kommentare