„Eskalation ja klar“. So hieß im letzten Jahr die Debüt CD der Band aus dem Ruhrgebiet. Für den Sänger und Gitarristen der Band, Uwe Umbruch, jedoch sicher kein Debüt in der Punk-Szene, da dieser schon vielfältig aktiv war. Bekannt unter anderem durch die großartigen Bands Public Toys, Hotel Energieball, The Revolvers, uvm. Und mit Kommando Marlies zieht Uwe wieder einmal alle Register, um großartige deutschsprachige Punkrocksongs, alten als auch neuen Hörer*innen um die Ohren zu hauen. Dass diese auch mal „Außer Kontrolle“ sein können beweisen die Jungs von Kommando Marlies in der neuen EP, die (in der CD-Version) neben den vier neuen Songs als Zugabe noch die „Schön Modern“ EP beinhaltet. Ein Anlass für uns, bei Uwe anzuklopfen und nachzufragen, ob er denn Zeit für ein „Außer Kontrolle“ Interview hat. Sehr erfreut waren wir, dass dieser die Zeit gefunden hat uns sicher kontrolliert-unkontrollierte Fragen zur „Außer Kontrolle“ Veröffentlichung zu beantworten.
Hey Uwe, schön dass du dir die Zeit fürs Tough Magazine nimmst. Wobei erwischen wir dich gerade?
Uwe: Bei nix bestimmtem. Tochter zockt mit ihrer Freundin und ich sitz am PC und mach Bandkram!!
Als Musiker aus dem Ruhrgebiet bist du praktisch schon eine Punkrock-Ikone. Gerade mit Kommando Marlies zurück am Start. Welche Projekte sind dir (neben deiner neuen Band) die wichtigsten? Bei welchen hast du dich am meisten entwickelt?
Uwe: Also zunächst mal: Das Wort Ikone nervt :-) …ich kann mich noch erinnern wie wir früher die ganzen Punkpäpste gehasst haben die uns erzählen wollten wos langgeht. Am wichtigsten ist mir immer das was ich gerade mache. Ich hab keine Zeit um mich zu lange in der Vergangenheit aufzuhalten und darüber nachzudenken „was wäre wenn gewesen“…Ich glaube nicht, dass ich mich besonders weiterentwickelt habe, jedenfalls nicht musikalisch. Eher im Gegenteil, imMoment versuch ich wieder viel reduzierter Musik zu machen, also eher simpler zu werden. Textlich hab ich mich eventuell weiterentwickelt, aber auch hier überlasse ich die Beurteilung gerne anderen.
Wenn man sich deine Musik-Karriere anschaut, kann man auf viele Veröffentlichungen blicken. Welche deiner Tonträger hörst du selbst immer wieder gerne?
Uwe: Puh, von Zeit zu Zeit krame ich eigentlich alle Platten mal wieder raus und hör mir das an. Am liebsten aber tatsächlich den Kram von Kommando Marlies.
Und welche legst du lieber zur Seite?
Uwe: Also richtig schlimm finde ich tatsächlich nur einen einzigen Song bei dem ich mitgewirkt habe und der heisst „ANALVERKEHR“ und ist gottseidank auch nur auf einem Sampler erschienen. Die Band dazu waren die Public Toys und textlich ist das richtig schlimm.
Nun ist jetzt die EP „Außer Kontrolle“ mit Kommando Marlies am Start. Kannst du einige Worte zur Band sagen? Was erwartet den Zuhörer bei Kommando Marlies – Veröffentlichungen?
Uwe: Nun, wir spielen als klassisches Trio zusammen, Gitarre, Bass und Schlagzeug…je weniger Leute mitspielen desto weniger Streit. Matthes spielt den Bass, kommt eigentlich von der Gitarre aber fand 4 Saiten zu spielen letzten Endes wohl ganz gut. Ansonsten kümmert er sich um alles was mit der geschäftlichen Seite zu tun hat. Sandro trägt Vollbart und spielt Schlagzeug. Er hat keinen Führerschein und das wohl aus gutem Grund. Beide schreiben mitunter auch mal den ein oder anderen Text, überlassen das aber auch gerne mir…obwohl ich manchmal traurig gucke und hoffe….
Wie entstehen Kommando Marlies-Songs?
Uwe: Meistens bei mir zuhause. Alles fängt in meinem Kopf an. Entweder hab ich eine Melodie oder eine Textzeile und im besten Fall hab ich dann Zeit dem nachzugehn. Wenn nicht, such ich mir ein stilles Örtchen und summe oder spreche die Melodie oder Textzeile in mein Handy. Das meiste lösche ich iwann wieder und das was übrig bleibt kommt eigentlich immer auf Vinyl. Mit der fertigen Idee komm ich dann in den Proberaum, spiel den anderen beiden das vor und entweder sie finden die Idee gut-dann arbeiten wir den Song komplett aus oder sie finden den Song scheisse-dann pack ich meine Sachen und geh wieder nach Hause … haha. Manchmal ist es auch so, dass einer von den beiden eine Idee hat, dann gehen wir der natürlich auch nach.
Letztes Jahr die „Eskalation Ja Klar“. Und nun ein Nachschlag in Form der „Außer Kontrolle“. Sind dies Songs aus der Corona -Zeit oder noch aus der „Eskalation Ja Klar“ Session?
Uwe: Das sind komplett neue Nummern und in der Coronaära entstanden.“Ausser Kontrolle“ ist da ein Paradebesispiel für. Unfassbar wie wir im Moment mit uns umgehen lassen. Unsere Rechte werden beschnitten und das alles unter dem Deckmantel, dass man uns beschützen will vor dem Virus. Und ja, ich glaube daran, dass es Corona gibt und das es extrem gefährlich ist. Und nein, ich bin kein Querdenker…also im klassischen Sinne schon, aber nicht auf Corona bezogen. Ich verstehe nur vieles einfach nicht was gerade passiert und warum es beispielsweise eine Ausgangssperre gibt zwischen 22 – 5 Uhr. Kann ich mich davor etwa nicht anstecken??? Manches erscheint mir schon ziemlich albern.
„Ein bisschen Liebe“ hat einen grandiosen Text der aber auch ein Spielraum lässt, um wen es sich in der Geschichte handelt? Welche Geschichte beschreibt dieses Stück?
Uwe: Ich kann nur sagen um was es dabei für mich geht: Kindesmissbrauch!
Vielleicht das wichtigste Stück ist „Selbstmordmädchen aus Beirut“. Wie kam es zu diesem Song?
Uwe: Wenn ich das mal noch so genau wüsste….ich hab ziemlich viel Powerpop und Modsound zu der Zeit gehört, Sachen wie The Movement, Stunde X etc, daher auf jeden Fall die Musik. Den Text hab ich mir selbst gestohlen, das war im Original ein englisch-sprachiges Stück und ich habs einfach ins deutsche übersetzt. Wobei es im Originaltext um Suicide Girls und nicht um Selbstmordmädchen aus Beirut ging.
Das abschließende „Mittelfinger im Arsch“ ist schon vom Titel her groß. Auch wieder ein Kracher. „Tausend Anarchisten können sich doch nicht irren“ singst du hier. Aber auch die „Blumen auf dem Balkon“ werden erwähnt. Was bewegte dich zu diesem Text?
Uwe: Musikalisch ja eher so ein 77er-Rotzpunkstück, eine von diesem Nummern, die auf meinem Handy waren. Es gab so einen Tag, da musste ich mir aus irgendeinem Grund unsäglichen Deutschrock anhören und in zwei Songs kam der berühmte Mittelfinger vor, ich glaube sogar eine der Bands hat ein Album wo das Wort vorkommt. Ich fand das richtig schlimm, musikalisch wie auch textlich und dementsprechend gut gelaunt hab ich dann einen eigenen Text verfasst in dem das Wort eine Rolle spielt.
Neben den neuen Songs befinden sich (auf der CD-Version) noch die Songs der Debüt EP. Welche Stücke sind dir hier besonders wichtig und warum?
Uwe: ALLE!!! Das war unsere erste Veröffentlichung und sollte ursprünglich nur als Demo dienen. Ist dann aber Gottseidank auf Vinyl erschienen und wir fanden es jetzt passend das noch als Anhängsel mit auf die CD zu packen, damit diejenigen die nur einen CD-Player haben auch endlich in den Genuss dieser wunderschönen Lieder kommen.
Beschreibt man den Sound von Kommando Marlies (gerade auf dieser EP) so kann man dies sicher mit Begriffen wie „geradlinig“, „rotzig“, „deutschsprachig“, „druckvoll“, „emotional“ „auf die Zwölf“ uvm. beschreiben. Mit welchen Begriffen würdest du eure Musik beschreiben wollen?
Uwe: Äh, ich finde du hast das schon ganz gut gemacht :-)
Wenn du dir die heutige (Punk-)Musiklandschaft anschaust. Was erfreut dich? Was überrascht dich und was findest du völlig „Außer Kontrolle“?
Uwe: Puh, im Moment finde ich Punk absolut bedeutungslos wenn ich ganz ehrlich bin. Als Musik schlichtweg nur noch Mainstream oder in kleinen Nischen zuhause. Ich lass mir davon aber nicht meinen eigenen kleinen Punk der immer noch in mir wohnt wegnehmen. Punk hat mir iwann mal sehr geholfen einen Weg zu finden und der ist (was mich angeht jedenfalls) immer mit dem Kopf durch die Wand. Ich habe weder Lust noch Zeit auf jemand anderen zu hören als auf mich selbst. Gerade in merküwrdigen Zeiten wie diesen stelle ich fest, dass die Punkszene auch nix anderes ist als die Naziszene oder Rockerszene etc. Wenn du nicht gerade auf Kurs bleibst und das sagst was die (Punk)gesellschaft will, wirst du schnell Zielscheibe….
Irgendwie ist in der Corona Krise doch einiges kaputt gegangen. Gerade in der Veranstaltungsbranche. Wie sehr hat euch persönlich, aber auch musikalisch, die Krise getroffen?
Uwe: Naja ich arbeite in der Gastronomie und das erste was passiert ist, das ich meinen Job verloren habe. Dann ist uns eine komplette Tour weggebrochen, da wir ja im April letzten Jahres unsere LP veröffentlicht hatten, die wir natürlich auch promoten wollten. Da hat uns Corona einen schönen Strich durch die Rechnung gemacht.
Was waren deine Lichtblicke in dieser Zeit?
Uwe: Am Anfang gabs dieses Zauberwort namens ENTSCHLEUNIGUNG – aber mittlwerweile bin ich auch echt entschleunigt genug, ich will wieder laute Musik, mich mit Menschen treffen, Menschen umarmen, also das was wir doch eigentlich alle wollen.
Früher oder später werden hoffentlich die Clubs wieder aufgehen. Habt ihr schon Pläne für eine Tour?
Uwe: NEIN!
Sicher ist in dieser Zeit auch der ein oder andere neue Song entstanden. Plant ihr eine weitere Veröffentlichung?
Uwe: Ja logo, wir haben jetzt im Moment bereits wieder 4 neue Songs vertig und hoffen das wir Ende der Jahres mit den Aufnahmen für unser neues Album beginnen können!
Du wirst bestimmt hier und da nach deinen alten Bands gefragt. Es gab sogar schon eine kurze Reunion von The Revolvers. Aber auch mit Pascal Briggs habt ihr unter anderem Public Toys Songs unplugged dargeboten. Wird es da in Zukunft wieder etwas geben? Worauf hättest du persönlich Lust?
Uwe: Also ich persönlich hätte nach über 20 Jahren durchaus mal wieder Lust mit den restlichen Public Toys auf einer Bühne zu stehen, ob das allerdings wirklich jemals stattfindet ist eher fraglich. Die Revolverszeit ist meiner Meinung nach aber wirklich vorbei aber andererseits: was interessiert mich morgen mein Geschwätz von gestern!!!
Kommen wir zum Schluss des Interviews zu Gedankenblitzen. Was bedeuten dir die folgenden Begriffe?
Punkrock 2021
Uwe: Nix
Kontrolle
Uwe: Geben wir in letzter zeit zu sehr in die Hände von anderen.
Wortwitz
Uwe: Mag ich sehr gerne, Torsten Sträter kann das meiner Meinung nach sehr gut.
Song des Jahres
Uwe: Puh, zuviele.
Freiheit & Benzin
Uwe: Song des Jahres?
Der letzte Vorhang
Uwe: Fällt für jeden irgendwann.
Interviews in Corona Zeiten
Uwe: Ein schöner zeitvertreib wie auch in allen anderen Zeiten.
Tough Magazine?
Uwe: Daumen hoch, I like mucho!!!!
Wir bedanken uns bei dir für die Zeit, die du dir genommen hast? Natürlich gehören die letzten Worte dir. Also los :)
Uwe: Vielen Dank ans euch für die Unterstützung, ohne Zines, egal ob Print oder Online wäre es für kleinere Bands noch schnwieriger!!! Bleibt dran!!!!
Tatsächlich haben wir uns sehr gefreut, dass Uwe sich die Zeit genommen hat. Wir sind gespannt, wie es mit Kommando Marlies weitergeht und können jedem, der auf gute deutschsprachige Punkmusik steht, die Veröffentlichungen der Jungs nur ans Herz legen. Coole Typen. Coole Band. Und einfach geile Songs. Wer mehr wissen möchte, der schaut auf der Facebook-Seite nach.
Interview von Thorsten im April 2021
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