Brütal Legend
Normalerweise kennt man als Videospieler so ziemlich alle möglichen Szenarien die man vorgesetzt bekommt. In der Regel spielt man sich durch klassische Fantasywelten, düstere Zukunftsvisionen oder realistische Weltkriegsschauplätze. Ganz selten wird man aber wirklich überrascht und bekommt ein völlig unverbrauchtes Konzept präsentiert. Genau in diese Kerbe schlägt Brütal Legend, das aus der Feder von keinem Geringeren als Tim Schäfer stammt. Dem Einen oder Anderen wird der Name etwas sagen, denn Schäfer ist der kreative Kopf hinter Titeln wie Monkey Island und Day of the Tentacle. Doch worum genau geht es nun in Brütal Legend?!
 
Das Spiel erzählt die Geschichte von Eddie Riggs. Eddie ist der beste Roadie aller Zeiten, doch leider aktuell mit einer Band auf Tour, dessen Vorstellung von Heavy Metal so gar nicht in sein Weltbild passt. Während eines Konzerts der Band, stürzt der Gitarrist von einer von Eddie erbauten Kulisse. Eddie kann den Musiker zwar retten, wird aber von herabstürzenden Trümmern begraben. Als Blut auf seine Gürtelschnalle tropft, erwacht der Feuergott Ormagöden zum Leben und bringt Eddie in eine Parallelwelt voller Heavy Metal Klischees. Dort angekommen schließt er sich dem heroischen Lars Halford, seiner Schwester Lita und der schönen Ophelia an, um der Tyrannei des bösen General Lionwhyte ein Ende zu bereiten. Klingt völlig schräg? Ist es auch!
 
Zu Beginn stellt sich Brütal Legend als waschechtes Action-Adventure mit einer teilweise offenen Spielwelt heraus. Wir steuern Eddie in der typischen Verfolgerperspektive und haben allerlei Aktionsmöglichkeiten. Eddie ist bewaffnet mit einer riesigen Metallaxt und seiner treuen Klampfe. Mit der Axt können wir schnelle und harte Schläge zu tödlichen Kombos aneinanderreihen, auf der Gitarre spielen wir und lassen damit tödliche Blitze auf die Gegner nieder regnen. Rücken uns die Gegner doch mal zu nah auf die Pelle, kann Eddie blocken oder sich mit einer Seitwärtsrolle in Sicherheit bringen. Etwas undynamisch und nicht ganz zeitgemäß ist die Tatsache, dass Eddie nicht springen kann. Hat man sich mit der grundlegenden Steuerung vertraut gemacht, geht es auch schon los. Entweder man hält sich stur an die Handlung und verfolgt die Aufgaben, die die Story vorantreibt, oder man erledigt Nebenaufgaben, die man überall in der Spielwelt findet.
 
Auch wenn es von den Entwicklern sicherlich gut gemeint war, die relativ große Spielwelt mit etlichen Nebenaufgaben zu füllen, so haben sie dennoch einen großen Fehler gemacht. Denn leider sind die zusätzlichen Missionen, bis auf wenige Ausnahmen, total uninspiriert und
wiederholen sich außerdem viel zu oft.
 
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Im Prinzip läuft es immer darauf hinaus, eine bestimme Anzahl von Gegnerwellen auszuschalten. Am Anfang schnetzelt man die Gegner noch ganz klassisch zu Fuß, später nimmt man dann auf einem Geschützturm (Bühne genannt) platz oder man sagt einem mörserwerfenden Handlanger, welche Gegnermassen er wegbomben soll. Bis auf die coolen Autorennen spielen sich die Nebenmissionen sehr ähnlich und werden schnell langweillig. Lediglich eine handvoll Aufträge weichen von diesem Schema ab und sind unterhaltsam. In einer Mission muss man zum Beispiel das gekühlte Bier zu einer Strandparty bringen, bevor es warm wird und in einer anderen Mission muss man die Behausung einer Fledermausfamilie (die frappierend an die Osbournes erinnert) von Gegnern säubern. Für das Erledigen von Nebenmissionen bekommt man sogenannte „Feuer Tribute“. Sobald Eddie seinen fahrbaren Untersatz mit Namen „Teufel“ zusammengebaut hat, kann er nämlich die Motorenschmiede betreten. Hier trifft er auf den „Hüter des Metal“, kein anderer als Ozzy Osbourne selbst und kann für die eroberten Feuer-Tribute seine Ausrüstung, seine Waffen oder sein Fahrzeug verbessern. Neben den praktischen Verbesserungen, gibt es auch allerlei kosmetischen Schnickschnack, wie alternative Outfits oder andere Lackierungen für den Teufel.
Auch wenn die Nebenmissionen also nur bedingt Spaß machen, klappert man sie dennoch ab, denn der Jäger und Sammler in uns möchte natürlich alle Upgrades sein Eigen nennen.
 
Während der Hauptstory trifft man immer wieder auf fette Bossgegner, die eine besondere Taktik verlangen. Direkt als erstes muss man zum Beispiel gegen eine gewaltige, metallische Spinne antreten, die uns mit Netzen beschießt und uns immer wieder kleinere Exemplare von sich selbst auf den Hals hetzt. Mit ein bisschen Köpfchen und einer guten Kombination aus Axthieben und Gitarrenblitzen wird man aber auch hier schnell Herr der Lage. Auch wenn sie relativ leicht zu durchschauen sind, zählen die Bossgegner zu den klaren Highlights in Brütal Legend.
 
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Im Verlauf der Story hilft man Lars Halford die Ränge der unterdrückten Metaller aufzustocken. So befreit man die versklavten Männer aus den Steinbrüchen von General Lionwhyte. Durch stetiges Headbangen, mussten die Jungs den harten Stein abbauen und haben somit überdimensionierte Nackenmuskeln aufgebaut. Als nächstes sind die Mädels dran, die wir aus dem Turm der Lüste befreien. Wir wissen glaube ich Alle, was sie dort gemacht haben. Nach und nach scharen wir also immer mehr unterschiedliche Einheiten um uns und das ist auch dringend nötig, denn nach dem ersten Drittel wird ein neues Spielelement eingeführt. Anstatt sich alleine durch die Gegnerhorden zu schnetzeln, führt Eddie ab sofort eine ganze Armee von Mitstreitern an. Das ganze wird wie ein taktisches Strategiespiel präsentiert. So haben sowohl Eddie als auch seine Gegner eine Bühne (dient als Hauptquartier), wo Einheiten produziert werden. Um mehr Einheiten zu bauen, muss Eddie Geysire erobern, aus denen geisterhafte Fans (Ressource) strömen. Mit dem richtigen Mix an Einheiten, versucht man nun die gegnerische Bühne zu vernichten. Eddie kann dabei verschiedene, rudimentäre Befehle geben wie z.B. „Folgen“, „Sammeln“ oder ein bestimmtes Ziel „Angreifen“. Das Einführen der taktischen Elemente bringt frischen Wind und Abwechslung in das Spiel, aber auch hier verstecken sich die Macken im Detail. Die KI der eigenen Einheiten ist schlichtweg strunzdumm und nur selten machen sie wirklich das, was Eddie von ihnen möchte. Und trotz der Fähigkeit zu Fliegen, die Eddie später bekommt, geht nicht selten der Überblick über das Schlachtfeld flöten.  Es braucht schon etwas Übung und Frusttoleranz, um die taktischen Schlachten wirklich zu meistern.
 
Auf der technischen Seite kann Brütal Legend vor allem mit dem brachialen Soundtrack überzeugen, sowie mit der gelungenen englischen Synchronisation. Die deutsche Synchronisation ist ziemlich grottig, wenn man einmal von Tobias Meister (dem deutschen Sprecher von Jack Black) absieht. Die Grafik von Brütal Legend ist in sich stimmig, man merkt jedoch, dass das Spiel erstmal für die Konsolen erschienen ist und auch hier schon einige Jahre auf dem Buckel hat. Die Charaktermodelle könnten etwas detailreicher sein und die Texturen der Umgebung etwas knackiger. Ansonsten geht die Grafik aber in Ordnung.
 
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Die ganz große Stärke von Brütal Legend ist die Spielwelt und die unzähligen Querverweise auf den Heavy Metal und die damit verbundenen Klischees (begründet oder unbegründet). In der Spielwelt prangern Felsen in der Form von riesigen Schwertern oder eisernen Kreuzen. Die umherstreifenden Tiere haben metallene Reißzähne oder gar Räder mit überdimensionierten Auspuffrohren. Nahezu alle Charaktere, denen man über den Weg läuft sind in Jeans und Leder gekleidet und tragen prachtvolle Nietenarmbänder zur schau. Die Hintergrundgeschichte hat klare Ähnlichkeiten zur nordischen Mythologie und generell geht es immer wieder um die Kraft der Musik und des Heavy Metals. Auf die Spitze getrieben wird das Ganze, in dem einige Größen des Metals im Spiel ihren Auftritt haben. Eddie Riggs selber wird im Intro des Spiels von Jack Black verkörpert und er leiht im auch seine Stimme. Als Spielfiguren tauchen außerdem noch Ozzy Osbourne als Hüter des Metals und Lemmy Kilmister als legendärer Heiler auf. General Lionwhyte ist zwar keiner direkten Person nachempfunden, aber es wird schnell klar, das er eine Hommage (oder Persiflage) an die Glam Metaller der 70er und 80er Jahre darstellen soll (Bret Michaels lässt grüßen). Auch Lars Halford und Lita Halford sind natürlich ganz deutliche Verweise auf echte Personen, nämlich Rob Halford und Lita Ford. Beide leihen auch noch anderen Charakteren im Spiel ihre Stimme. Perfekt abgerundet wird diese tolle Atmosphäre von dem grandiosen Soundtrack, der ein wahres Sammelsurium an klassischen Metal Hymnen ist. Um Nur mal einige aufzuzählen:
 
Angel Witch – Angel Witch
Cremation – King Diamond
Dawn of Battle – Manowar
Dr. Feelgood – Mötley Crüe
Mr. Crowley – Ozzy Osbourne
The Metal – Tenacious D
Through Fire and Flames – Dragonforce
Wheels of Steel – Saxon
 
Und das ist nur eine kleine Auswahl, denn insgesamt besteht der Soundtrack aus über 100 Songs von insgesamt 75 unterschiedlichen Bands. Doch anstatt diese einfach nur wahllos runterzuspielen, werden sie punktuell und immer passend zum aktuellen Geschehen eingespielt. Klasse!
 
Als Fazit bleibt mir zu sagen, dass Brütal Legend leider nur ein durchschnittliches Adventure geworden ist. Die Nebenmissionen sind lahm und die taktischen Gefechte spielen sich zu unübersichtlich. Außerdem stören kleiner technische Macken das Gesamtbild. Trotzdem ist Brütal Legend vor allem für Heavy Metal Fans mehr als nur einen Blick wert. Die gesamte Atmosphäre, die hier aufgebaut wird, die tolle Spielwelt und die schrägen Charaktere mit ihren witzigen Sprüchen und vor allem der grandiose Soundtrack können auf ganzer Linie überzeugen. So wird man trotz der kleineren und größeren Schwächen bis zum Ende hervorragend unterhalten. Für Metal Fans ein echter Geheimtipp!
 
Review von Patrick Kamminga
 
Publisher: Electronic Arts
Release: 23. Februar 2013 (PC)
Plattform: Windows PC, Playstation 3 und Xbox 360
Preis:  ca. 10 €
Genre: Action-Adventure
 
Dieser Artikel wurde am: 26. April 2014 veröffentlicht.

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