Wut, Zorn, Hass, Angst und Unsicherheit sind nicht nur die Pfade zur dunklen Seite der Macht, wie Meister Yoda sagen würde. Diese Gefühle sind wohl jedem bekannt und treten in unterschiedlichem Kontext regelmäßig zu Tage, grade in einer Gesellschaft, in der sie durch sämtliche Medien gepredigt werden. Auf gewisse Art und Weise versuchen vor allem die Künstler der metallischen Szene derlei Emotionen in Noten und Lyrics zu packen, doch selten gelang dieser Versuch so authentisch, so direkt, so glaubhaft wie im neusten Album des englischen Rockveteranen Ginger Wildheart. Runde frei für „Mutation – III: Dark Black“, Runde frei für eine Ladung Wahnsinn.
Der zwölf Songs umfassende Silberling aus dem Hause Undergroove eröffnet mit einer siebensekündigen Ansage, die trotz ihrer kurzen Dauer den folgenden Opus nicht treffender einleiten könnte: „Es ist die große Wolke, die über dich kommt und alle positiven Gedanken verschleiert.“
Danach bricht direkt die Hölle los. „Authenticity“ markiert einen harten Einstieg und wütet mit unübersichtlichen, kreischenden Gitarren und Screams, die sich bisweilen auch noch überlagern. Brachiale Tempowechsel und mehrstimmiger Gesang tun ihr übriges und erzeugen einen hasserfüllten und chaotischen Sound.
Das blanke Geschrammel bricht auch mit „Toxins“ nicht ab. Man ist geneigt zu vermuten, dass hier wohl so manches Schlagzeugfell sein Leben gelassen haben muss. Im hinteren Teil des Songs pfeift es zusätzlich zum wilden Trommelfeuer und den heftigen Screams auch noch unermüdlich im Hintergrund, als hätte man sich vor lauter Stress schon einen Tinnitus eingefangen. Ja, hier manifestiert sich der Hass auf alles und jeden in Form eines Liedes.
Beinahe melodisch kommt im Anschluss an dieses Massaker „Devolution“ daher. Ein Glockenspiel im Background, ehrlich? Man ist zurecht verwirrt. Es scheint als versuche die Platte einem gezielt emotional in die Irre zu führen. Sobald man sich in eine Stimmung versetzt hat, schwingt diese manisch und unkontrolliert um.
Reizstoffe bietet „Irritant“ tatsächlich in Hülle und Fülle. Der instrumentale Teil wirkt zwar berechenbarer als in den bisherigen Liedern, dafür überlagern sich die dekonstruktiven Lyrics und könnten von System Of A Down während eines Horrortrips verfasst worden sein.
„Skint“ ballert wieder richtig los und lässt den Hörer vergessen wo oben und unten ist. Schließt man im Sitzen die Augen und schwingt leicht mit dem Kopf erzeugt die Musik tatsächlich eine Art hypnotische Orientierungslosigkeit, was für eine verschobene künstlerische Glanzleistung (am besten zu testen mit ordentlichem 7.1 Soundsystem)!
Mit „Hate“ bohrt man sich unter kontinuierlicher Zugabe von Instrumenten in den Gehörgang, bevor die Lyrics hasserfüllt und elektronisch verzerrt loslegen und ein abstruses Trommelfeuer aus Geräuschen erzeugen. Noise Metal, nennt man diese Form des konfusen musischen Durcheinanders übrigens, das sich, wenn auch schwer erkennbar, um einen rhythmischen Kern dreht. Zu „Victim“ gibt es an dieser Stelle außer noch schnelleren Riffs und Drums wenig hinzuzufügen.
Das partiell behäbigere „Dogs“ begeistert durch seine facettenreichen Tempo- und Melodiewechsel. Hier darf man sehr gespannt sein ob die Musiker live tatsächlich jeden Akzent des Songs zum richtigen Zeitpunkt wiedergeben können oder ob einfach jeder frei Schnauze improvisiert.
Zugegeben, ich kam nicht umher „Deterioration“ erst einmal nachzuschlagen: Verschlechterung. Davon kann jedoch musikalisch nicht die Rede sein. Hasserfüllte Gitarren jagen wahnwitzig schnelle Drums mit polternden Riffs auf kreischenden Screams. Dass das Ganze so verrissen abgemischt wurde, unterstreicht nur den gewünschten Effekt.
Die letzten beiden Tracks wurden im Album bereits vorgestellt. Es handelt sich um sogenannte „Caravan Tapes“ von „Victim“ und „Toxins“. Hier wäre noch Platz für mehr gewesen.
Fazit: Wenn sich, wie auf „III: Dark Black“, so viele hochkarätige Musiker zusammentun, um ein derart zorniges Manifest zu kreieren, dann kann eigentlich kaum ein Tropfen danebengehen. Wir erleben hier nicht bloß einen Ginger Wildheart in Hochform, sondern auch Szenegrößen wie Scott Lee Andrews (Exit International), Phil Campbell (Motörhead), Jamie Oliver (UK Subs) oder Arthur Shepard (Primitive Weapons) gemeinsam auf einer Platte. So klingen die eingangs erwähnten Gefühle gepresst in ca. 30 Minuten Klang und Gloria. Für Fans von Residents, Ministry oder Napalm Death gibt es hier kein Halten mehr. Zart besaitete Musikfans tun sich hier allerdings sehr schwer, der Hass- Cocktail ist nämlich nicht gerade leicht verdaulich.
Review von Lucas
Mutation – Hate
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