Broilers – Noir
Eine Rezension sollte ja immer Objektiv daherkommen. Ich habe diese Rezension mehrfach gelöscht und wieder von Neuem begonnen. Weil sie immer in einer Art Liebesbrief endete. Diese Platte zwingt mich immer wieder dazu. Als ich mich selbst darüber beschwert habe wie schwer es mir fällt sagte ein Kollege: „Rezensionen dürfen doch verliebt sein, wenn man es ist?“ Meine Güte wie Recht er hat. Dennoch versuche ich mich beim X-ten Versuch etwas zurück zu halten.
 
Als die erste Single „Ist da Jemand?“ veröffentlicht wurde tönte ich ganz mutig „Vertonte Seele“ in einem großen sozialen Netzwerk. Ich tat dies, weil es der erste Gedanke war, den ich nachdem hören hatte. Obwohl die Single rein musikalisch ganz anders daherkam als erwartet. Vielleicht kam der Song für mich zur richtigen Zeit. Er ließ mich mit großer Spannung auf das Album warten. Und nun liegen 52 Minuten musikalischer Weiterentwicklung hinter mir.
 
Sie scheinen angekommen. 20 Jahre nach Gründung der Broilers. Unabhängig und dennoch direkt gibt es 16 Songs – einzuordnen zwischen Punkrock und (ja!) Singersongwriter. Bedeutungsschwangere Texte, Melodien die den Kopf nie wieder verlassen möchten und ein Gefühl im Herz das die Broilers drei Jahre nach „Santa Muerte“ ein ganz großes Studioalbum nachgelegt haben. Man muss kein „Die Hard“ sein, um sich getroffen zu fühlen. Um sich zu ertappen, wie einen „Noir“ im Alltag begleitet und  Szenen des Lebens musikalisch vertont wurden. Gemeinsam mit Produzent Vincent Sorg (u.a. „Ballast der Republik“/Die Toten Hosen) haben die Düsseldorfer um Frontmann Sammy Amara ein Album aufgenommen, welches deutlich reifer, offener und mit einem breiterem Spektrum daherkommt. Sowohl musikalisch als auch textlich.
 
Den Opener macht die schon bekannte Single „Ist da jemand?“. Auf selbiger gab es schon recht früh ein paar Hinweise in der WDR Show Backstage aus dem Rockpalast-Format. Eine Single die gleich klarstellt, wo die Reise hingeht. Worte wie „Hört auf allein zu sein Ihr wisst genau, dass da noch jemand ist“ regen schon mal zum denken an. „Wenn es niemand erwartet, zurück in Schwarz“ – eine Zeile aus dem gleichnamigen Titel, die wohl das gesamte Album ganz gut rezensiert. Ich habe mit einem solchen Album nicht gerechnet, habe es  so nicht erwartet. Aber das ist gut so. Überrascht. Positiv. Sowohl der Song als auch das Album. Mit „Wo es hingeht“ folgt ein Song, der die derzeitigen Generationen sehr direkt beschreibt. Niemand weiss wo es hingeht, hauptsache es geht weiter. So vertont bieten Amaras Worte keine wirkliche Eingeninterpretation. Aber das ist bei diesen Worten auch nicht nötig. Jeder kennt diese Worte und Gedanken aus seinem eigenen leben.
 
Dennoch kommt die musikalische Antwort auch gleich postwendend mit „Nur nach Vorne gehen“. „Niemand kann mir diktieren, Wohin es für mich geht. Niemand über den Wolken. Und niemand, der hier unten lebt. Ich wollte nie wie all die anderen sein. Ich weiß besser, was ich will“. Ein Song der Mut macht. Mut auch mal auf sich selbst zu hören und sich nicht führen zu lassen. Verloren in Gedanken. Träumend von einer besseren Zukunft. Jeder kennt es. Vertonte Sehnsucht. Ein Song der Live zum Mitmachen verpflichtet – „Ich hol dich da raus“. „Die Hoffnung stirbt zuletzt – NEIN – die Hoffnung stirbt nie.“ Es ist alles möglich wenn man sich vertraut. Mehr kann ich dazu nicht schreiben – ohne ins private abzuschweifen – „Die Hoffnung stirbt nie“.
 
Eben wollte ich nicht ins private abschweifen. Nun werde ich quasi schon dazu gezwungen. „Wo bist du – du fehlst“. Ich brauche nur an diesen Song denken und bekomme Gänsehaut am ganzen Körper. Das Schlucken fällt mir schwer und die Tränendrüsen explodieren. Mir fallen spontan ein halbes dutzend Menschen ein, denen ich diesen Song gerne einmal vorspielen würde. Wenn ich könnte. Doch ich kann nicht. Aber die Gedanken die dieser Song auslöst nehmen sie mit auf diese Reise. Mit „Ich Brenn“ kommt ein weiterer Titel daher der zum Nachdenken anregt. Es lässt sich nicht vermeiden seine eigene Definition dieser Zeilen vorzunehmen. Kann man aber auch ruhig machen. „Nanana (Ich krieg das hin)“ – Für mich eine Liebeserklärung der ganz besonderen Art. Gesungene Situationen, die die Meisten von uns schon durch haben. Ganz typisch Broilers und dennoch anders. Hin- und Hergerissen. Ganz tief aus uns geholt. Zur rechten Zeit am falschen Ort. Oder wie die Broilers es nennen „Ich will hier nicht sein“. Mit Blick auf das, was uns gerade in diesen Tagen widerfährt ein Lied das auch ein Denkanstoß sein kann. Vielleicht auch sein soll. Für mich ist er es.
 
Wo nimmt Sammy Amara diese Worte her – war mein erster Gedanke nach „Die Letzten (an der Bar)“. Zeilen die schmerzen und zugleich Mut machen. Ruhige Gitarren, Sonne und Tränen in einem Glas. Sitzend an der Bar. Seine Geschichte aufschreibend und sie hinterher verbrennen. Lachen und weinen. Noch was trinken. „Grau, Grau, Grau“ – ein Stück auf den ich mich live besonders freue.
Zusammen finden, verlieben und verlieren, sich die Herzen rausreißen. Wer denkt da an grau, grau, grau? Anhören und die Antwort ist klar. „Vollgepisste Jogginghose vor brennendem Haus. Dieser Mensch ist verloren, dieser Typ ist ein Schwein. Dieses Schwein ist blind.“ Bilder aus Rostock-Lichtenhagen schwirren durch meinen  Kopf. Politische Meinung einmal in andere Worte verpackt in „Der Rest und ich“. Zwischen ewigem Suchen und Vermissen. Erschrocken vor eigenen Träumen. Die große Stadt im Rücken oder zu Füßen. Halt „Irgendwo dazwischen“.
 
„Das da oben (nur in dir)“. Es soll, wenn man diversen Büchern glauben mag,  jemanden geben, der über Leben und Tot entscheidet. Doch ist da oben irgendwer? Auch jetzt schon wo wir noch hier unten sind? Auf sich selbst hören. Das ist die Message die bei bei mir ankam. Leider schon der letzte Titel der Platte. „Gutes Leben“ ein Resümee über die vergangen Jahre? Möglich. Das ganze mal von außen betrachtet. War doch bisher ein ganz gutes Leben. Kann man glaube ich so stehen lassen.
 
Was mir zu sagen bleibt? Chapeau liebe Broilers! Besser kann man sich nicht zurück melden.
Und das war sie auch schon, meine Sicht auf die 16 Songs der am 07.02. erscheinenden „Noir“ der Broilers. Die Musikalische Reise, die mit jedem Longplayer weiter ging, komplexer und interessanter wurde, hat man auch hier fortgesetzt. Doch keineswegs in eine falsche Richtung. Es klingt erwachsener, moderner und dennoch nach alten Wurzeln. Das geht nicht? Überzeugt euch selbst!
 
Review von Steffen Giering
 
Broilers – Ist da Jemand?
 
 
Dieser Artikel wurde am: 6. Februar 2014 veröffentlicht.

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3 Kommentare

  1. Sehr geiles Review und das beste was ich bis jetzt gelesen habe !!!! 10 von 5 Sterne

    Deine Gedankengänge zu den Songs kann ich komplett unterstreichen!!

    Soweit ich weiss ist es auch der erste Longplayer der im Winter veröffentlcht wurde.
    Noir passt einfach wunderbar in diese kalte dunkle Zeit.

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  2. Das ist mal ein toller Bericht.
    Nicht so trocken. Freue ich mich gleich viel mehr auf die Platte.

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  3. Cooles Review. Ich kann es kaum noch erwarten, bis es endlich morgen ist! :-)

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