„Das Buch Ä“: Autor Stefan Üblacker im Interview

Stefan Üblacker kennen viele, die in den letzten 20 Jahren nach den Ärzten (der besten Band der Welt) im Internet gesucht haben. Stefan hat 1998 eine der meistbesuchten Ärzte Fanpages ins Netz gestellt. Mit News, Interviews aber auch unglaublich ausführlichen Discografien, die nicht nur normale Veröffentlichungen, sondern auch Bootlegs enthielten. Auch ein Songtextarchiv ist vorhanden und einfach eine Seite zum Wohlfühlen. Hätte Stefan auch die Konzertberichte von den Konzerten, die er besucht hat, online gestellt, hätte er sicher Probleme mit dem Provider bekommen. Neben der Homepage gründete er einen Ärzte Fanclub und schuf mit „Das Buch Ä“ eine von der Band autorisierte Biografie. Nicht nur eine Seite – nun auch ein Buch zum Wohlfühlen. Sowohl für Fans als auch für Gelegenheitsleser ein Hammer Werk. Mir persönlich hat es von den ersten Seiten an mega Spaß gemacht, drin zu lesen, oder einfach in den unzähligen Interviews mit BelaFarinRod usw. zu schmökern. Auch die Bilder zeigen den Verlauf der Band über die Jahre weg und man bekommt tatsächlich Lust, doch die Beste Band der Welt wieder live zu sehen. Wir haben uns mit Stefan über das Buch aber auch über die derzeitige Situation unterhalten. Natürlich auch mit der ein oder anderen HELLen Frage. Viel Spaß mit dem Interview.

Hey Stefan. Schön, dass du dir die Zeit nimmst. Wobei erwische ich dich gerade?
Stefan: Im Wochenende. Ich habe gerade Sport gemacht, gefrühstückt, aufgeräumt. Samstag-Morgen-Corona-Style eben.

Du hast uns dein Buch über die beste Band der Welt zur Verfügung gestellt. Ein wahnsinniges Werk, das sicher bei vielen Fans im Regal steht. Das Werk ist schon ein paar Tage alt aber irgendwie immer noch frisch. Wie fühlst du dich, wenn du das Buch aus dem Schrank nimmst?
Stefan: Danke erstmal für das Kompliment. Ich nehme es ehrlich gesagt eher selten aus dem Regal, aber ich sehe es oft, wenn ich auf der Couch sitze und es fühlt sich noch immer gut an, es dort stehen zu sehen. Es erinnert mich an eine unglaublich schöne und spannende Zeit und ein klein wenig stolz ist man natürlich auch so einen Klopper verzapft zu haben.

Du bist ja nicht nur Autor und Konzertbesucher. Wie läuft dein alltägliches Leben. Möchtest du uns was drüber erzählen?
Stefan: Das ist ja alles nur Privatvergnügen. In Wirklichkeit bin ich ein glücklicher Ehemann und Vater zweier toller Kinder. Darüber hinaus arbeite ich in der IT im Gesundheitswesen und helfe Menschen, die Menschen helfen. Ich habe ein sehr erfülltes Leben, wofür ich sehr dankbar bin.

Du hast ja mit einer Homepage angefangen. Wie kam es damals zu dieser Idee? Es gab ja einige Ärzte Seiten im Netz.
Stefan: Das Internet war ja damals wirklich Neuland. Wir reden so von 1998 rum. Mich hat es einfach interessiert, wie man solche Seiten in „dieses Internet“ stellt. Da ich es langweilig fand über mein Privatleben zu berichten (Social Media gab es ja damals noch nicht), habe ich angefangen eine Ärzte Fanpage ins Leben zu rufen. Und so viele Seiten gab es damals noch nicht. Mark Rickers tolle Pogophil-Seite war schon da, die von Tobi Braun, von zwei Mädels aus den USA (Stacy und Geneva hießen die, glaube ich) und das wars auch schon. DÄ hatten ja auch gerade erst ihre eigene Seite gelauncht, die noch nicht mal bademeister.com hieß. So habe ich dann angefangen und einfach gemacht.

Was denkst du. Warum gibt es heute keine Fanseiten mehr?
Stefan: Social Media hat in dieser Hinsicht vieles obsolet gemacht – vor allem, was News und Gerüchte betrifft. Ich denke, wenn dann machen Fanpages nur noch als Archive Sinn oder mit einem Inhalt, der über reine News-Berichterstattung hinaus geht.

Auch warst du auf unzähligen Konzerten der Band. Kannst du sagen, wie viele Konzerte du besucht hast?
Stefan: Ich hätte letztes Jahr in Köln mein 100. DÄ-Konzert besucht. Das wäre ein schöner Ort gewesen, wo ich von tollen Menschen umgeben gewesen wäre. So muss ich noch etwas warten. Dazu kommen natürlich aber noch etliche Soloshows der Drei.

Welches Konzert war für dich das absolut fantastischste?
Stefan: Da gab es viele, viele Highlights. Wenn man sich auf wenige beschränken möchte, dann würde ich das „15 Jahre netto“- und „Ärzte statt Böller“-Konzert sowie fast alle Shows der Miles&More-Clubtour wählen. Bei letzterem vor allem Zagreb und Mailand.

Du kennst die Band ja persönlich. Wie nennen sie dich?
Stefan: Ganz kreativ: Stefan.

Es gab ja vor deiner Biografie schon eine Bio, die auch vom damaligen Fanclubleiter geschrieben wurde. Wie haben die Ärzte reagiert, als du mit der Idee um die Ecke kamst?
Stefan: Ich wusste von Farin schon, dass es diese Idee schon mal gab bzw. sie im Raum stand. Ich hatte dann ein Angebot von einem Verlag vorliegen, der unbedingt eine DÄ Biografie machen wollte und mich gerne dafür gehabt hätte. Allerdings hatte der großes Interesse am Privatleben der Band und wollte da gerne pikante Details haben. Das war für mich ein No-Go und dann habe ich den Verlag gesagt, dass ich da raus bin. Da mir aber klar war, dass der Verlag das trotzdem durchziehen würde, wollte ich das DÄ Management darüber informieren. Meine kluge Frau meinte dann, dass ich in einem Nebensatz doch erwähnen könnte, dass es ja an der Zeit für eine neue Biografie wäre und ob sie das nicht selber mal machen wollen. Nun ja, es war das Jahr 2014 und die Band sprach zu diesem Zeitpunkt noch nicht wieder miteinander. Ich hatte mir davon nichts erwartet. Innerhalb von wenigen Tagen kam dann aber der Vorschlag der Band, dass ich das doch machen sollte und zwar in schön und groß. Yippie!

Wo wir gerade den Fanclub erwähnt haben. Auch hier warst du Leiter, aber den DÄOF gibt es nicht mehr. Wie und warum kam das aus?
Stefan: Auch das hängt unter anderem wieder mit Social Media zusammen. Dagegen konnten wir mit dem Fanclub oft nicht mehr mithalten. Zudem war bei mir nach vier intensiven Jahren 2011 die Luft raus, zudem bin ich auch Vater geworden und wollte mehr Zeit für meine Familie haben. Hinzu kam auch noch, dass es Unstimmigkeiten mit der Band gab, was in deren offiziellen Namen von unserer Seite veröffentlicht wurde. Da lag man irgendwann nicht mehr auf einer Wellenlänge. Das alles zusammen führte dann zum Aus. Aber ich möchte an dieser Stelle auch noch mal Danke an das FC-Team sagen, dass das damals alles so toll und würdig zu Ende gebracht worden ist.

Die Ärzte Fanbase war ja früher extrem hoch. Ich erinnere mich gerne an die Geheimkonzerte. Wie viele Freundschaften hast du in dieser Zeit geschlossen?
Stefan: Sehr viele und viele davon haben bis heute noch Bestand, was mich sehr freut. Ich freue mich immer sehr, wenn ich einige Gesichter von früher wieder sehe und es ist auch schön zu sehen, was aus so manchen geworden ist und wie sie ihren Weg gegangen sind. DÄ haben da mit ihrer Attitüde den Weg von vielen Leuten beeinflusst. Viele von ihnen waren auch bei meinen Lesungen und das waren immer schöne Abende, wo man gemeinsam in Erinnerungen geschwelgt hat.

Was ist für dich das besondere als Ärzte Fan und was war von 20 Jahren anders?
Stefan: Ich weiß nicht, ob es unbedingt besonders ist DÄ Fan zu sein – im Vergleich zu jemanden, der auf Billie Ellish steht oder sonstwen. Die Band selbst ist halt speziell, aber das Fantum unterscheidet sich nicht groß von anderen Künstlern. Im Vergleich zu früher ist es aber so, dass man deutlich merkt, dass DÄ eine richtig große Mainstream-Band sind und das meine ich nicht despiktierlich, sondern in dem Sinne, dass sie von vielen gemocht wird. Als ich angefangen habe Ärzte-Fan zu werden, war ich damit an der Schule recht isoliert. Es war die Zeit von Eurodance und Boybands. Da waren DÄ eher am Rand. Das hat sich spätestens mit dem MTV Unplugged dann aber komplett geändert. Von da an wurde es immer größer und plötzlich haben einen die Leute wegen DÄ angesprochen, die dich früher genau deswegen belächelt haben. The times they are a-changin, wie Bob Dylan sagen würde.

Kommen wir zu dem Buch. In welchem Zeitraum hast du das Buch zusammengestellt und wann hast du dich entschlossen, es einem Verlag anzubieten?
Stefan: Von August 2014 bis August 2016. Ich hatte aber das große Glück das ich es keinem Verlag anbieten musste, sondern Die Ärzte den tollen Verlag Schwarzkopf&Schwarzkopf quasi vorgegeben haben.

Betrachtet man das Buch, so sieht man in verschiedenen Fotopassagen, wie stark sich die Band in den Jahren verändert hat. Wie haben die Ärzte aber dich über die Jahre verändert?
Stefan: Sie haben mich in jedem Fall immer begleitet – mal mehr, mal weniger stark. Ich habe mich durch sie aber nicht groß verändert, würde ich sagen. Meiner Liebe zu der Band habe ich aber viele tolle Begegnungen und Erinnerungen zu verdanken.

In dem Buch befinden sich unheimlich viele Anekdoten (z. B. das Treffen von Sahnie und Hagen). Woher hast du die Informationen über all die Jahre gesammelt? Im Internet?
Stefan: Nein, das Internet war eher selten eine Quelle. Ich habe einfach ein unglaublich großes Gedächtnis und merke mir bestimmte Dinge, die sie in Interviews, im TV erzählen oder die ich von Bekannten/Freunden von ihnen habe. Das alles habe ich dann in eine fortlaufende Geschichte zusammengefügt. Wichtig war immer, dass eine solche Anekdote auch etwas über die Band verrät bzw. einen Mehrwert hat. Man kommt sonst schnell vom Hölzchen aufs Stöckchen. Ihre Freunde und Wegbegleiter haben die Band ganz gut gespiegelt und haben durch diverse Aussage wiederum Aussagen der Band provoziert, die vielleicht sonst so nie geschehen werden. Wichtig ist dabei immer sehr offen und aufmerksam zu sein – dann erfährt man sehr viel. Ihr ehemaliger Manager und Fotograf, der große Jim Rakete, hat mir mal als Dankeschön geschrieben, dass er es gut findet, dass man merkt, dass ich sehr vieles über die Band weiß, aber nicht alles gedruckt habe. Das fande ich ein unglaublich schönes Kompliment.

Man kann das Buch ja am Stück durchlesen. Unglaublich viel insiderwissen, nette Anekdoten, aufgefrischt durch Bilder und Interview-Passagen. Welche Kapitel sind für dich persönlich die interessantesten?
Stefan: Interessant waren immer die Kapitel, wo die Band an einem Scheidepunkt stand (er hat Scheide gesagt, hihi) und für ihre Karriere wichtige Entscheidungen getroffen hat. Bspw. die Trennung von Hans, die Auflösung, die Reunion oder die „Krise“ in den Jahren seit der Veröffentlichung von Auch. Da wollte ich so ausführlich wie möglich sein und möglichst viele Parteien wiedergeben, damit der Leser sich selbst eine Meinung bilden kann. Das letzte Kapitel mit den schwierigen Jahren rund um die Ärztivals war aber schon das intensivste, einfach auch, weil man merkte, dass die Band darüber bislang noch nicht gesprochen hatte. Da musste ich schon teilweise etwas bohren und immer wieder ins Wespennest stechen, bis sich der gordische Knoten gelöst hatte. Als das dann passiert war, wusste ich aber, dass diese Band noch nicht am Ende war, wovon ich 2014 – als ich das Buch angefangen hatte – noch nicht überzeugt war.

Du gehst im Buch auch auf Varianten von Songs ein, wie zum Beispiel das Umtexten von Radio Brennt aber auch den „Schieb den Wal zurück ins Meer“ – Part. Welche Songvariante ist die persönlich die wichtigste von den Ärzten?
Stefan: Too many to mention. Ich fand es früher immer schön, wenn sie in Songs wie Ich ess Blumen, Schopenhauer oder eben Radio brennt immer wieder Coverversionen eingestreut haben. Im Nachhinein kann man so immer nachverfolgen, was damals so im Radio lief und angesagt war. Besonders gelungen fand ich den Tittenmaus-Medley, den sie 1993 und 1994 auf der Tour gespielt haben. Zu spät ist natürlich mit seinen Textanpassungen auch immer ein Highlight. Ich mag es aber auch, wenn einige Lieder nicht angetastet werden – wie Rebell oder Schrei nach Liebe bspw.

(Insiderfrage) Und wie viele „Rock Rendezvous“ – Variationen hast du gehört? Welche ist die beste?
Stefan: Boah, einige. Das Lied kann man auch einfach nicht originalgetreu wiedergeben. Das verliert dann seinen Witz. Mit der Zeit ging mir dieses Lied live aber auch auf die Nerven, da der Witz irgendwann breitgetreten war. Ich kann jetzt aber nicht aus dem Stehgreif sagen, dass die Version von Köln 2001 bspw. die beste war. Das kann selbst ich mir nicht merken.

Mir gefällt auch deine Erzählung über die XX und XY Konzerte. Wie hast du diese beiden Events erlebt? Warum gab es davon keine DVD?
Stefan: Haha, gar nicht. Ich war bei keinem der Konzerte. Ich fand es irgendwie doof, dass ich mit meiner Frau nicht auf ein Konzert gehen konnte und habe es dann boykottiert. Ärgert mich im Nachheinein aber auch nicht sehr. Meine Frau war aber auf dem Damen-Konzert und konnte mir vieles davon erzählen und natürlich habe ich viele Fanberichte gelesen und gehört und letztlich von den Protagonisten selbst, so dass man das gut wiedergeben konnte. Man muss dann nicht immer dabei gewesen sein. Ähnlich war es bei meiner Schilderung des West-Berlin Ende der Siebziger/Anfang der Achtziger Jahre. Auch da war nicht vor Ort. Gerrit Meijer, der Gitarrist von PVC, der leider schon von uns gegangen ist und dessen Buch ich jedem nur empfehlen kann, hatte mir geschrieben, dass es sich aber so liest, als ob ich mit ihm damals um die Häuser gezogen wäre. Ein tolles Kompliment. Zu der DVD noch: Stephan Remmler hat mal über eine verpasste Reunion von Trio gesagt: „Es wäre schön, wenn es schön gewesen wäre.“ Vielleicht trifft diese Aussage auch auf die DVD zu. Man muss sich auch mit den Sachen wohlfühlen, die man veröffentlicht und das war hier wohl nicht der Fall. Immerhin finden sich auf der Nacht der Dämonen-DVD ja zwei Songs davon wieder, wobei Omaboy wirklich der Hammer ist. Ich konnte mich gar nicht mehr einkriegen als ich das gesehen habe. Genau für so etwas liebe ich diese Band.

Im Buch schreibst du über ein anderes Buch. Das Buch von Hagen. Die Band fand das damals nicht so gut. Wie siehst du Hagens Werk heute?
Stefan: Es ist ein schönes Stück Zeitgeschichte über eine wilde und wichtige Phase der Band. Hagen war damals ein enorm wichtiger Stabilisator, der Bela und Farin geholfen hat den Fokus zu behalten. Man taucht bei seinem Buch ein in eine Zeit, die man sich heute gar nicht mehr vorstellen kann. Schon allein deshalb hat es seine historische Berechtigung. Dass Bela und Farin nicht über alles darin erfreut waren, kann ich auch nachvollziehen. Die Beziehung der Beiden zu Hagen war ingesamt nach der Reunion nicht gerade einfach, aber beide mochten ihn als Menschen immer sehr. Er fehlt auf jeden Fall sehr und es ist schön, wenn man über einen Menschen sagen kann, dass man über ihn nichts Böses sagen kann. So einer war Hagen.

In deinem Buch erzählst du auch sehr detailgetreu die Anekdoten, wie sich Harald Schmidt mit den Ärzte Zitaten in den Zeitungen befasste. Welche Ärzte Zitate in Zeitungen haben sich bei dir persönlich eingeprägt?
Stefan: Ich fand immer diese ganzen klinischen Headlines furchtbar. „Die Ärzte laden zur Sprechstunde“ oder „Sie operieren wieder“. Grausam. Hingegen haben viele Textstellen aus den Die Ärzte-Songs Einzug in den Alltag gehalten und das spiegeln dann auch solche Überschriften wie in der FAZ wieder.

Das Ende des Buchs ist natürlich mittlerweile verjährt, aber es ist ein würdiges Ende eines klasse Zeitdokuments. „Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehen“ steht da geschrieben. Wann wirst du denn die Ärzte sehen? Gerade recht schwierig in Corona – Zeiten, oder?
Stefan: Ich habe Bela jüngst bei einer Lesung in Hamburg gesehen, wo er mit Alexander Kühne aus dessem tollen Buch Kummer im Westen gelesen hat. Dieses Buch und den Vorgänger Düsterbusch City Lights kann ich wirklich nur empfehlen – by the way. Das war ein sehr schöner Abend in Corona-Zeiten. Ansonsten müssen wir einfach die Ruhe bewahren und abwarten. Wir werden uns wiedersehen und das wird dann richtig speziell.

Was erwartest du von der nächsten Tour?
Stefan: Eine bestens aufgelegte Band und ein enthusiastisches Publikum. Die ersten Konzerte nach der Pandemie werden für alle Beteiligten sicher ganz besonders. Mit Glück können diese großen Shows Ende des Jahres schon stattfinden. Für alles davor sehe ich indes leider schwarz. Was die Setlist betrifft, so hoffe ich auf viele Stücke von der Hell und dazu ein schönes Best Of, so wie sie es auf der Europatour hinbekommen haben.

Könntest du dir vorstellen, wenn die Ärzte irgendwann mal ihrer Karriere beenden, noch einige zusätzliche Zeilen zu schreiben? Ein Anhang?
Stefan: Na klar.

Als Fan hast du dich die Zeit zwischen 2012 und 2020 bestimmt öfters mal mit der Frage beschäftigt: „Wann kommen sie wieder?“ und „Wird das Album so gut wie früher?“. Wie würdest du dem Stefan im Jahr 2013 diese Frage beantworten, wenn du in der Vergangenheit deinem jüngeren Ich begegnest?
Stefan: Ich würde ihm sagen, dass man niemals „nie“ sagen sollte und das manches einfach seine Zeit braucht. Gut Ding will Weile haben. Ich hatte beim Schreiben des Buches stets gehofft, dass sie wiederkommen und ich noch einmal eine Show sehen darf. Dass ihr Comeback dann so großartig wird und die Band noch mal so eine tolle Zeit hat, hätte ich jedoch nicht unbedingt erwartet. Das ist ein schönes Happy End.

Würde dein jüngeres Ich diese Antwort glauben? Was würde ihn zweifeln lassen?
Stefan: Klar, denn bei dieser Band muss man einfach immer mit allem rechnen.

Du warst mit dem Buch auch auf Lese-Tour? Wie war die Erfahrung für dich? Was war schön? War es nervig?
Stefan: Nervig war eigentlich nur die anschließende Erklärung an das Finanzamt. Sonst war diese Tour eine unglaublich schöne Zeit für mich und meine Familie. Ich habe mir damit einen Traum erfüllt und ihn gelebt. Dass dies alles so gut geklappt hat, dafür bin ich sehr dankbar und die Erinnerungen daran sind tief in meinem Herzen gespeichert. Ein Highlight waren sicher die Lesung auf dem Open Flair in einem proppevollen Zirkuszelt oder im ausverkauften Columbia-Theater in Berlin oder Abschluss im Gloria in Köln. An sich war aber jeder Abend ein Highlight.

Wenn du heute daran denkst, wie du das Buch zusammengestellt hast. Was würdest du anders machen wollen?
Stefan: Gar nichts. Ich bin sehr zufrieden damit, wie es gelaufen ist. Vor allem habe ich mich sehr über das tolle Feedback gefreut, vor allem auch von den Leuten aus der Szene, befreundeten Bands usw.. Arnim von den Beatsteaks hat mir mal erzählt, dass er seiner Freundin daraus immer abends vorgelesen hat. Das ist doch wunderschön.

Neben dem Ärzte-Buch hast du auch andere kleinere literarische Projekte am Start. Erzähl, wie es dazu kam.
Stefan: Das waren immer so Herzenssachen, die von Freunden und Bekannten kamen. Ein Beitrag zu dem Buch Potzblitz bspw., dessen Einnahmen komplett an Amnesty gingen oder für die großartigen Jungs von Pascow.

Mit deinem Programm „Tausendmal berührt – An einem Abend durch tausend Jahre deutsche Popmusik“ bist du auf Bühnen unterwegs. Erzähl und was BesucherInnen hier erwartet?
Stefan: Das Programm entstand aus dem Corona-Frust heraus und der Absicht den Clubs zu helfen, die gerade echt leiden und einen Abend mit dem zu verbringen, was wir alle so sehr lieben – der Musik. Der entscheidende Impuls kam dann von Klaus Marschall, ein befreundeter Autor, der auch schon tolle Musikerbiografien geschrieben hat (u.a. gerade mit Potsch von Spliff zusammenarbeitet). Er hatte mal Lust auf eine gemeinsame Lesung mit mir. Für mich war das Buch Ä aber abgeschlossen und so kam mir die Idee aus meinem und seinem abartigen Wissen über die Höhen und Tiefen der Deutschen Popmusik ein abendfüllendes und kurzweiliges Programm zu machen. Mir war klar, dass wir dafür aber noch eine musikalische Klammer brauchen und dann fiel mir wieder der großartige Henning Schmidtke ein, den ich vor ein paar Jahren auf dem Open Flair kennen- und liebengelernt habe. Mit ihm zusammen war es dann ein unglaubliches Vergnügen das Programm zusammenzustellen. Mir mussten anschließend echt viele Darlings killen um uns auf die wahren Knaller zu beschränken. Es wird wirklich ein schöner Abend werden. Leider mussten wir die Premiere nun schon zwei Mal verschieben. Wir hoffen, dass wir bald damit auf die Bühne dürfen und können es kaum erwarten. An diesem Abend wird sicher kein Auge trocken bleiben.

Könntest du dir auch vorstellen, einen Roman zu schrieben? Wie Bela vielleicht?
Stefan: Klar, jederzeit. Dafür muss es jedoch eine gute Idee geben, die mir bislang noch nicht kam. Belas Roman ist übrigens toll. Ich habe ihn förmlich verschlungen. Campinos Buch ist übrigens auch zu empfehlen. Von ihm hätte ich das hingegen eher weniger erwartet.

Was bedeuten dir die folgenden Begriffe?
Punkrock 2021
Stefan: Guter Punkrock lebt für mich von der Attitüde dahinter, von den Texten und von den Melodien. Es ist schön, wenn es immer wieder Bands gebt, die dies erfüllen, wie zuletzt Akne Kid Joe bspw.

Idole
Stefan: Es ist gut Idole zu haben, wenn es die richtigen sind. Leider laufen viele Kids heute den falschen nach. Irgendwann wird es dann aber auch Zeit „Kill your idols“ zu rufen und seinen eigenen Weg zu gehen – oh, da habe ich jetzt Philipp Boa zitiert. Im besten Fall sind Idole also ein guter Kompass.

Freundschaft
Stefan: Freundschaft ist, wenn dich jemand mag, obwohl er dich kennt.

1998
Stefan: War das ein beschissener Sommer und es war das Jahr, in dem Männer endlich als Schweine erkannt und benannt worden sind. War letztlich auch das Jahr, in dem meine DÄ Fanpage an den Start ging.

Japan
Stefan: Da habe ich DÄ leider nicht gesehen. Muss ich mal irgendwann so hin. Ich finde es generell immer spannend in Länder zu kommen, wo man nicht mal die Schrift lesen kann.

Greatest Hits der Ärzte
Stefan: Zielt wahrscheinlich auf meine liebsten DÄ-Songs ab. Okay, hier die Top 10:
1. Roter Minirock
2. Wie am ersten Tag
3. 2000 Mädchen
4. Lied vom Scheitern
5. Mach die Augen zu
6. Fiasko
7. Leben vor dem Tod
8. Zu spät
9. Teenager Liebe
10. Himmelblau

Lieber Stefan, wir bedanken uns für die Zeit und das Interview. Die letzten Worte gehören dir.
Stefan: Bleibt tapfer und gesund. Lasst euch nicht unterkriegen und denkt bei all dem negativen Mist zur Zeit immer daran, dass es euch eigentlich ganz gut geht und das viele Menschen in der Welt ganz andere, existenziellere Probleme haben. Wir müssen da gemeinsam durch und wir werden das auch schaffen.

Wir bedanken uns bei Stefan für die Zeit. Ein Autor, der ein Buch über ein Band geschrieben hat, die mehrere Generationen erreicht und für viele gute Momente gesorgt hat. Dafür ein weiteres Dankeschön. Unser Kurzreview lest ihr hier anhängend.

Kurzreview: Das Buch Ä. Für mich als Leser und Ärzte Fan nicht nur ein Buch mit drei Punkten auf dem Ä, sondern mit fünf Sternen für den Inhalt. Stefan ist es gelungen, sehr charmant und informativ die Geschichte der Band zu erzählen und unterbricht diese jeweils mit raren Fotos, die man nicht ständig im Internet sieht. Ein wahnsinniges Buch, das man in die gut sortierte Ärzte Sammlung stellen sollte. Bei mir bekommt es einen festen Platz in der Sammlung und wird noch ganz oft gelesen werden. Nicht nur von mir. Auch die nachfolgende Generation sollte sich damit befassen. Ein Stück Rockgeschichte, die hier unglaublich umfassend dargestellt wurde. Danke Stefan. Danke an die Ärzte dafür, dass Stefan sich die Finger wund tippen musste. Auf weitere Kapitel mit der besten Band der Welt. Stefan hat Recht, wenn er die Ärzte zitiert: „Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehen.“ Absoluter Lesetipp!!! (mit drei Ausrufezeichen)

Interview von Thorsten

Dieser Artikel wurde am: 16. Februar 2021 veröffentlicht.

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