Persistence Tour 2020 (15.01.2020 – Hamburg, Große Freiheit 36)

Genau fünf Jahre ist es jetzt her, dass ich diese Tour an selber Stelle besuchte und auch dieses Mal versprach das Line Up einen unvegesslichen Abend zu bescheren. Voller Vorfreude fuhren mein Kumpel Günni und ich gegen 16:30 Uhr aus dem sonnigen Porta Westfalica in Richtung Hamburg.

Nach knapp zweistündiger Fahrt erreichten wir die Reeperbahn und reihten uns in die Schlange vor dem Kassenhäuschen ein.

Die ersten beiden Bands Countime und Cutthroat aus Los Angeles haben wir leider verpasst, aber es standen uns ja noch sechs weitere Hochkaräter bevor.

Um 19:10 betraten Wisdom in Chains aus Pennsylvania die Bühne und präsentierten dem gut angeheizten Publikum einen knapp dreißigminütigen Querschnitt aus ihrer bisherigen Schaffensphase.

Als nächstes durften die Mannen um Billy Graziadei, dem ehemaligen Biohazard-Gitarrist/Sänger zeigen, was sie können. Graziadei alias Billy Bio wirkt wie die Hardcore Version von Billy Idol mit seinen wasserstoffblonden Haaren und ist wohl der einzige Sänger in diesem Genre, der mit einem Headset-Mikro auftritt. Musste ich beim ersten Anblick noch etwas schmunzeln, wurde ich direkt nach den ersten Tönen vollkommen von der Energie dieser Band mitgerissen und das Headset ergab plötzlich Sinn. Billy Bio ist menschgewordene Energie! Neben Songs von seinem Soloalbum „Feed the Fire“ gab es natürlich auch haufenweise Biohazard-Hits wie z.B. „Shades of Grey“ oder „Punishment“. Besonders gut gefiel mir das Bob Marley Cover „Get up, stand up“. Leider wurde auch hier nach genau 30 Minuten die Bühne geräumt und die nächste Band stand Gewehr bei Fuß.

Ich erwartete die Street Dogs und war etwas verwirrt, als ich den Song „Family Tree“ (mit lustigen Adaptionen an Fugazis Patient Boy) erkannte. Dies waren keineswegs die Street Dogs, sondern für mich die ersten Headliner des Abends, H2O! Mit „5 yr. Plan“, „Still here“ oder „Sunday“ reihte sich Hit an Hit. Unterstützung gab es bei „Guilty by assosiation“ von Wisdom in Chains-Drummer Luke, der die Parts von Freddy Madball übernahm und bei „Nothing to prove“ von Mad Joe Black, dem Sänger von Wisdom in Chains, der die Guestparts von Roger Miret übernahm, obwohl dieser sie auch hätte selbst darbieten können.

Toby Morse und Band lieferten einen energiegeladenen und positiven Auftritt ab und spätestens bei dem Dead Kennedys-Hit „Nazi Punks Fuck off“ gröhlte auch die hinterste Ecke des Saales mit. Hier steht PMA nicht nur auf dem T-Shirt, sondern wird von dieser Band gelebt. H2O kamen locker und gechillt rüber und benutzten als einzige Band des Abends ein unsichtbares Bandbanner ;-) „So ein Festival wäre in den USA niemals möglich gewesen, ihr könnt euch glücklich schätzen dabei gewesen zu sein“ sprach ein gutgelaunter Toby Morse zu uns. Und das waren wir auch!

Wir nutzten die Umbaupause um reichlich Bandmerch zu shoppen und freuten uns auf das, was uns heute noch erwarten sollte.

Jetzt waren aber die Street Dogs aus Boston dran, die mit viel Power etwas irischen Punk Rock-Spirit in die Große Freiheit brachten. So richtig konnte bei mir der Funke allerdings nicht überspringen, obwohl ich diese Band sehr mag und schon diverse Male live erleben durfte. Neben eigenen Hits gab es noch ein Cover von „Rise above“ (Black Flag) auf die Lauscher und nach den obligatorischen 30 Minuten Spielzeit war die Bühne bereit für das nächste Hit-Gewitter.

Punkt 22:30 Uhr ertönt Ennio Morricones Filmmelodie zu „The Good, The Bad and The Ugly“ als Intro und ein sichtlich gut gelaunter Vinnie Stigma entert mit erhobener Gitarre die Bühne. Dass diesem heute mal wieder der Schalk im Nacken sitzt, ist auf den ersten Blick zu erkennen. Nach ihm betreten nun auch Craig Silverman, Mike Gallo und Pokey Mo und starten sogleich mit dem instrumentalen „AF-Stomp“ vom aktuellen Album „Get loud“. Sänger Roger Miret komplettiert nach diesem Song die New York Hardcore Veteranen Riege und das reguläre Set startet mit „The Eliminator“, dessen Text seiner Zeit noch aus der Feder des leider zu früh versorbenen Type O Negative / Carnivore-Sängers Peter Steele stammt. Dieser Song wird übeigens als Neuaufnahme im März diesen Jahres als Single erscheinen und das zusammen mit einer Action Figur des Eliminators der im Jahr 1986 das Cover des Albums „Cause for Alarm“ zierte.

Aber ich schweife ab, gewohnt souverän gab es einen perfekten Querschnitt durch die Band Historie. „My way“, „Old New York“, „I Remember“, „For my family, for my friends“, „Friend or foe“, „Victim in pain“, „Your mistake“ und „Crucified“ brachten den Saal regelrecht zum Kochen. Bei „Power“ übernahm Stigma die Rolle des Frontmanns und überzeugte mit seinen Entertainerqualitäten. Bei „Gotta go“ verschwand er im Hamburger Circle Pit und die Meute drehte durch! Schnell noch „Addiction“ zum Durchatmen und der Ramones Klassiker „Blitzkrieg Bop“ zum mitsingen. Schon ertönte der Stigma-Ska von „Skinnerbox“ aus der Anlage und das Spektakel war schon wieder vorbei.

Jetzt war ich wirklich gespannt, denn auf diesen Tag musste ich rund 30 Jahre warten! Gorilla Biscuits live auf der Bühne! Die Helden meiner Jugend, die die Hardcore und Straight Edge Szene und deren Musik so wegweisend geprägt haben. Ein Walter Schreifels, dessen Songs auf Alben von Warzone, Youth of Today oder Sick of it all zu Hits wurden und dessen musikalische Karriere bei Quicksand und Rival Schools etc. weiterhin interessant und hörenswert blieb. Und Anthony Civarelli, der charismatische Sänger, der Solo unter dem Namen CIV zwei großartige Alben veröffentlichte. Um 23:30 Uhr, zu relativ fortgeschrittener Stunde für einen Mittwochabend und nachdem die Backline, die sich vorher sieben Bands teilten noch komplett getauscht werden musste, war es dann soweit. Zwei Trompter ließen die Fanfaren zu „New Direction“ ertönen. Das Publikum war sofort infiziert und es folgte Hit an Hit!

„Things you say“, „High Hopes“, „Big Mouth“ und wie sie alle hießen… Die Gorilla Biscuits machten weniger den Eindruck einer seit Jahren tourenden und perfekt eingespielten Band, jedoch merkte man jedem einzelnen Musiker auf der Bühne den Spaß an dieser Show an! Und dieser wurde direkt in die tobende Menge transportiert. Es wurde gepogt und gestagedivet und man sah überall in glückliche Augen. Selbst am Bühnenrand saßen gut gelaunte Vinnie Stigmas und Billy Bios und genossen das, was ihnen geboten wurde. Es folgten u.a. „No reason why“, „Gorrilla Biscuits“ und „Hold your ground“. Mit „Can‘t wait one minute more“ gab es sogar einen Song aus CIVs ersten Soloalbum „Set your goals“. „Minor Threads“ gleichnamiger Hit wurde gecovert, ebenso „As one“ von Warzone und zu guter Letzt gab es noch „Start today“, wow, was für eine Show! Eine Zugabe verlangte kaum jemand, denn mittlerweile war es fast auf der Reeperbahn nachts um halb eins und uns erwartete noch eine zweistündige Heimfahrt!

Für Hardcore-Liebhaber war dieser Abend sicher eine Offenbarung und ich bin bereits gespannt, welche Kultkapellen im nächsten Jahr aus dem Hut gezaubert werden. In diesem Sinne: Hardcore still lives!

Konzertbericht von Jan

Dieser Artikel wurde am: 27. Januar 2020 veröffentlicht.

Ähnliche Beiträge

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert