Green Day: Die Band im „Revolution Radio“-Interview
Green Day veröffentlichen am 07.10.2016 ihr neues, zwölftes Album „Revolution Radio“! Sie sind ja nicht von ungefähr die Band, die 1994 mit dem Superalbum „Dookie“ den Punkrock überhaupt erst wieder massenfähig machte. Anstelle großer Rockopern wie „American Idiot“ oder übermäßig ambitionierter Mammutwerke wie das 2012 veröffentlichte Dreifach-Album mit 35 Songs haut das Trio jetzt einfach zwölf Nummern raus, die ohne größere Umwege zum Punkt kommen. Man hat sich sogar ein neues, kleineres Studio gebaut und die neuen Lieder selbst produziert. Und dass Green Day nicht nur rocken, sondern auch viel zu sagen haben, unterstreichen Songs wie die Single „Bang Bang“, eine kritische Auseinandersetzung mit Amokläufern, Waffengesetzen und Selfie-Narzissmus, „Too Dumb To Die“ oder „Outlaws“. Sänger/Gitarrist Billy Joe Armstrong und Schlagzeuger Tré Cool haben einige interessante Fragen dazu beantwortet!

Hattet ihr einen Plan für „Revolution Radio“?
Billie Joe Armstrong: Wir wollten ein wirklich kraftvolles Statement abgeben. Unser Ziel war es, die Leute daran zu erinnern, was für eine großartige Band wir sind. Wir wollten laut sein. Wir wollten schnell sein. Wir wollten aber auch intim sein. Ich denke, das ist uns gut gelungen.

Eure Albumtrilogie mit „Uno!“, „Dos!“ und „Tré!“ kam 2012. Hattet ihr geplant, vier Jahre lang kein Album zu veröffentlichen?
Tré Cool: Wir hatten geplant, eine schöne, lange Pause zu machen. Das war nötig, manchmal brauchst du etwas Abstand. Billie ging es nicht so gut, Mikes Frau war ernsthaft erkrankt, um diese Dinge mussten wir uns auch kümmern. Zum ersten Mal seit vielen Jahren hatten wir nun den Stecker gezogen und konnten ganz in uns gehen. Wir waren eine Weile einfach nur Männer, ich zum Beispiel habe geheiratet und die freie Zeit genossen.
Billy Joe Armstrong: Wir alle sind Heim gegangen und haben unser Leben gelebt. Wir wollten uns sehr bewusst nicht gleich wieder in Arbeit stürzen. Was bei mir übrigens gar nicht geklappt hat (lacht). Ich habe ziemlich schnell ein Album zusammen mit Norah Jones aufgenommen, wir coverten darauf Songs der Everly Brothers.

Wie habt ihr das hinbekommen, dass das neue Album so einen frischen und unverbrauchten Sound hat?
Tré Cool: Wir haben die Gebrauchsanleitung weggeworfen. Wir hatten die Meinungen, Einflüsse und Ideen von außen komplett weggelassen. Ich habe selbst die Technik für meine Drums selbst gemacht. Ich war nicht mehr mein eigener Drum Techniker seit wir „Dookie“ aufnahmen – und es war geil. Wir haben unseren ganz eigenen Sound gefunden und sind strikt unseren eigenen Ohren gefolgt.

Green Day – Revolution Radio

Kann man sagen, dass ihr mit dem neuen Album zurück zu den Wurzeln geht?
Tré Cool: Die Beschreibung passt. Wir sind unseren Wurzeln zumindest sehr treu, wir ehren sie. Nirgends auf diesem Album bin ich von einem Drum-Computer ersetzt worden und Gastrapper haben wir auch keine am Start (lacht).
Billy Joe Armstrong: In uns brodelt seit jeher ein Vulkan. Seit unserer Anfangstage vor mehr als 25 Jahren im Punk-Club Gilman Street drüben in Oakland sind wir dieses musikalische Erdbeben, das jederzeit hochkochen kann.

Wo habt ihr das Album aufgenommen?
Tré Cool: In unserem neuen Studio, das wir vor zwei Jahren gebaut haben. Es ist auch in Oakland, genau wie das alte – wir haben es Otis genannt. Wir sind also die erste und einzige Band, die jemals dort aufgenommen hat. Und das wird wohl auch immer so bleiben.
Billy Joe Armstrong: Wir waren zuvor 15 Jahre in den Jingletown Studios in Oakland und brauchten eine Veränderung. Das kleine Otis-Studio hat einen ganz eigenen, wirklich phantastischen Sound, eine eigene Atmosphäre. Wenn Tré loslegte, hörte sich der Raum immer so an, als würde er gleich explodieren.

Das Album klingt wie das Werk von 24-Jährigen und nicht wie von 44-Jährigen. Wie bekommt ihr es hin, so lebendig zu klingen?
Billy Joe Armstrong: Nun ja, ich fühle mich jung. Ich sehe jung aus (lacht). Ich bin jung!

Ist „Revolution Radio“ ein politisches Album?
Billy Joe Armstrong: Es ist ein thematisches Album. Wir sind ebenso verwirrt wie alle anderen, warum Schwarze ungestraft von der Polizei erschossen werden, warum Donald Trump als Präsident kandidieren kann, warum überall dieses Chaos herrscht. Ich versuche, diesen ganzen Mist irgendwie für mich im Kopf zu sortieren.

In „Bang Bang“ versetzt du dich in den Kopf eines Amokschützen. Ist das nicht beängstigend für dich?
Billy Joe Armstrong: Doch, absolut. Ich lebe in Kalifornien, San Francisco ist eine sehr liberale, weltoffene Metropole, New York, wo ich einen Zweitwohnsitz habe, ebenfalls. Ich stelle mir den Charakter aus „Bang Bang“ aber als jemanden vor, der irgendwo zwischen den Küsten lebt, und dort ist es oft regelrecht gespenstisch. Meine Mutter kommt aus Oklahoma, das ist eine andere Welt. Staaten wie Utah werden praktisch von ultrareligiösen Mormonen regiert, und du hast Texas, wo die Leute so konservativ und fremdenfeindlich sind, dass sie am liebsten ihren eigenen Staat gründen und sich von den USA trennen würden. Das ist alles verrückt, aber es bringt mich als Songschreiber eben auch auf Ideen. Letztendlich merkst du immer noch, dass Amerika mal der Wilde Westen war.

Green Day – Bang Bang

Du bist in New York bei einer Demonstration mitgelaufen und dort kam dir die Idee zum Song „Revolution Radio“ – stimmt das?
Billy Joe Armstrong: Ja, wir standen im Stau auf der 8th Avenue, und ich bin einfach ausgestiegen und marschiert. Ich wollte einfach Teil dieses Protestzugs sein, auch das ist Punkrock für mich: Punk bedeutet, dass man das System kritisiert, hinterfragt und versucht, die Menschen aus ihrer Wohlfühlzone zu holen. Punk bedeutet für mich mehr als „Fuck The System“, er ist sehr viel konstruktiver als so ein Slogan.

Wird Donald Trump in wenigen Monaten eine Fußnote der Geschichte sein?
Billy Joe Armstrong: Will er überhaupt Präsident sein? Alles, was er macht, ist seine Marke zu pushen. Trump dies und Trump jenes. Bald wird er wohl einen Fernsehsender starten, Trump TV. Was immer er tut, ich unterstelle ihm niedere Instinkte und unlautere Motive. Trump ist gierig und nach meiner Ansicht ein schlimmerer Politiker und ein weit scheußlicherer Mensch als George W. Bush.

Foto: Frank Maddocks

Dieser Artikel wurde am: 20. September 2016 veröffentlicht.

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