„Noch ein tieferer Tiefpunkt“: Ernte 77 im Interview

Ernte 77 ist eine 3-Mann Band aus Köln. Mit ihrem Album „Noch ein tieferer Tiefpunkt“ veröffentlichten die Musiker im November 2018 ihr zweites Album. Dem Tough Magazine beatworteten sie noch tiefere und tiefgründigere Fragen zu Band, zur Platte und zum punkigen Sonstigen.

Moin Moin. Vielen Dank, dass ihr euch die Zeit genommen habt. Wobei erwischen euch gerade?
Ernte 77: Ich bin gerade im Selbststudium vertieft und habe mir extra ein Zeitfenster zwischen der „Nikomachischen Ethik“ und „So werde ich Heribert Faßbender“ für dieses Interview freigehalten.

Ernte 77 gibt es seit 2012. Für die Leser die euch noch nicht kennen. Beschreibt kurz was euch zusammengebracht hat und wie die Band entstanden ist.
Ernte 77: Nachdem sich meine alte Band im Jahre 2007 aufgelöst hatte und ich in der Zwischenzeit aus dem Ruhrgebiet nach Köln gezogen war, hatte ich Lust, endlich eine Nachfolgeband aufzubauen, da sich im Laufe der Jahre auch immer mehr Songideen und Demos angesammelt hatten, die endlich raus mussten. Am Anfang waren wir noch zu viert unterwegs, seit ungefähr drei Jahren zu dritt, allerdings suchen wir mittelfristig Verstärkung, damit ich nicht mehr Bass spielen muss, haha.

Als Musikstil gebt ihr „Post Deutschpunk“ an. Was bedeutet euch diese Musikrichtung und was empfindet ihr als das Besondere an Ernte 77?
Ernte 77: Eigentlich ist der Begrif „Post-Deutschpunk“ als Parodie auf die zersplitterten Genre-Schubladen gemeint gewesen, aber mittlerweile benutzen Leute diese Bezeichnung tatsächlich. Punkrock reicht mir völlig als Schublade aus. Wenn ich Besonderheiten herausstellen müsste, was ja hier der Fall ist, dann wäre das zum einen unser Fokus auf Melodien. Ich finde es ein bisschen schade, dass man bei den meisten neueren Punkbands hierzulande nur noch angebrüllt wird, aber ich bin ja auch mit dem klassischen Epitaph- und Fat-Wreck-Sound aufgewachsen. Zum anderen versuchen wir uns textlich ein bisschen abzuheben, indem wir keine Teenage-Angst-Poesiealbumsprüche oder tausendmal gehörte Parolen absondern, sondern mit Kuriositäten und Absurditäten auffallen wollen.

Ernte 77 – Das war schon so

Eure neue Platte „Noch ein tieferer Tiefpunkt“ ist seit November 2018 am Start. Ihr habt nun etwas Abstand vom Release. Wie waren die Reaktionen der Menschen kurz nach Release und wie seht ihr die Platte heute?
Ernte 77: Die Reaktionen haben sich eigentlich nicht von der letzten Platte unterschieden. Wenn es Kritik gibt, dann dreht sie sich hauptsächlich um meine Stimme, aber Punk soll ja auch manchmal weh tun. Ich persönlich finde die Platte immer noch gelungen, mit einigem Abstand gefallen mir ein paar Songs, zum Beispiel unser Köln-Ehrenfeld-Song, sogar noch besser als vorher.

Auf der Scheibe befinden sich 17 Songs, die ihr in nur einem Monat eingespielt habt. Beschreibt etwas den Aufnahmeprozess.
Ernte 77: Zuerst kam das Schlagzeug, dann der Bass, dann die Gitarre, und zum Schluss der Gesang. Wobei wir diesmal sogar jemanden hatten, der Saxophon für unseren two-tone-mäßigen Song gespielt hat. Wir verraten aber nicht, aus wie vielen Takes das Endergebnis zusammengeschnitten wurde. Der Aufnahmeprozess geht bei uns allgemein relativ flott – wir haben ja nicht tatsächlich 30 Tage hintereinander im Proberaum verbracht – denn es muss gar nicht alles perfekt sein. Wir machen immer ziemlich wenige Takes, damit es nicht in Arbeit ausartet, und wenn kleine Fehler drin sind, ist das nicht so wichtig.

Auch auf der ersten Veröffentlichung waren mit 20 Songs schon sehr viele Stücke enthalten. Wie entstehen Ernte 77 Songs und sind schon wieder neue Stücke aufnahmebereit?
Ernte 77: Ich habe eigentlich permanent irgendwelche Ideen für Melodien und Akkordfolgen, und wenn mal was ansteht, denk ich mir dazu passende oder aber möglichst unpassende Texte aus. Wie schon erwähnt, war es kein großes Problem, das erste Album mit Songs zu füllen, weil sich seit ungefähr 15 Jahren genug Ideen angesammelt hatten. Zwei oder drei davon kamen sogar noch aufs zweite Album drauf, das älteste Lied ist von 2004. Für das nächste Album sind tatsächlich auch schon einige Songs fertig, und diesmal werden auch Baum (unser neuer Schlagzeuger) und Kilian (unser Gitarrist) ein paar beisteuern.

Auf dem ersten Album „Gebenedeit unter den Punkbands“ werden im Song „Der Globetrottel“ mal richtig viele Ortsnamen aufgezählt. Welcher dieser Orte ist euer Lieblingsort und warum?
Ernte 77: Wir sind in keinem dieser Orte jemals gewesen, aber mein Lieblingsort als chemisch vorgebildeter Mensch ist Bhutan.

Ernte 77 – Eine Tracht Prügel

Auf dieser Veröffentlichung beeindruckt auch „Freiwilliges asoziales Jahr“. Wie kam es zu diesem Song und wo würdet ihr gerne so ein freiwilliges Jahr absolvieren?
Ernte 77: Ich habe solch ein FAJ gar nicht nötig, weil ich mich ohnehin regelmäßig asozial engagiere.

Auf dem neuen Album „Noch ein tieferer Tiefpunkt“ haut ihr mit „Eine Tracht Prügel“ eine schöne Hymne raus. Wem würdet ihr denn gerne mal eine Tracht Prügel verpassen (mit Ausnahme, der im Song erwähnten Kandidaten)?
Ernte 77: Leuten, die bei Tinder unter ihren Interessen „gutes Essen“ stehen haben. Wer isst denn bitte am liebsten schlechtes Essen? Also solches, das man auch selbst so bezeichnen würde?

Auch den „Gluten“ am Morgen habt ihr eine Nummer gewidmet. Glutenfrei bei euch Standard oder doch eher Punk mit Gluten und Nieten?
Ernte 77: Bei uns gibt’s keine glutenfreien Lebensmittel, denn wir leiden weder an Zöliakie noch an Esoterik. Das wären jedenfalls die einzigen plausiblen Begründungen, sowas zu kaufen.

Der „Schneemann“ als Punkhymne. Trotz Klimawechsel eine Nummer für den Schneemann. Was denkt ihr, nervt den Schneemann am meisten und welche Feinde würde er am liebsten in die Flucht schlagen?
Ernte 77: In dem Song geht es um einen Schneemann, der ja eigentlich nur aus Notwehr Leute angreift. Aber ich denke, man liegt selten falsch, wenn man Jan Fleischhauer und Harald Martenstein etwas Schlechtes wünscht.

Auch live seid ihr dieses Jahr wieder aktiv. Stehen die Termine schon und wann und wo kann man euch begutachten?
Ernte 77: Ein paar Termine haben wir schon, sogar zwei außerhalb von Nordrhein-Westfalen. Die kann man natürlich alle auf unserer betont unmodernen Website nachlesen.

Ernte 77 – Gluten

Was bedeuten euch die folgenden Begriffe?
Ernte 77 Vs Rente 77
Ernte 77: Ernte 77 ist eine sehr gute Band, Rente 77 wäre ein sehr guter Name für eine Tribute-Band

Abernten
Ernte 77: Klingt nach einem missglückten Abi-Motto

Rentnerparadies
Ernte 77: Könnte es bei Ikea geben, mit einem Medizinbällebad

Doch noch der tiefste Tiefpunkt
Ernte 77: Was der Delling da macht, ist nicht in Ordnung

Sirenen
Ernte 77: Guter Song von Male, ansonsten: Alarm! Alarm! Die wolltest du wohl klauen?

Bitte vervollständigt die folgenden Sätze:
Erst wenn der letzte Punk…: …denkt er denkt dann denkt er nur er denkt.

Pogo am Morgen…: …wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

Goldener Regen tut…: …die Erotik fördern, aber in diesem Fall nicht am Morgen, wegen der erhöhten Keimbelastung.

Wenn Bonn Hautstadt wird, dann…: …gibt es hoffentlich wieder originelle Namen für Politikmagazine, wie „Bonn-Jour“.

Sportzigaretten und Alkoholtabletten…: …könnte auch eine Zeile aus einem Muff-Potter-Song sein.

Vielen Dank für das Interview. Die letzten Worte gehören euch!
Ernte 77: Das Bad mach ich so, wie ich will, ob’s dir nun passt oder nicht!

Interview von Thorsten im März 2019

Dieser Artikel wurde am: 12. April 2019 veröffentlicht.

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