„Herz & Verstand“: Kärbholz im Interview

„Herz & Verstand“ – so heißt das neue Album von Kärbholz, welches am 08.03.2019 erscheinen wird. Wir haben uns mit dem Gitarristen Adrian über die Details der Scheibe, die Hintergründe und viele weitere Themen!

Hey ihr Lieben, wo erwischen wir euch gerade?
Adrian: Ich grüße Dich!! Es ist ein herrlicher, sonnig-winterlicher Dienstag in Ruppichteroth. Ich sitze hier zwischen Kaffee und neuen Merchandise Entwürfen und schaue durchs Fenster in die grün-weiße Landschaft.

Der Zwei-Jahres-Rhythmus wird gehalten und mit „Herz & Verstand“ erscheint im März euer neues Album – ist das für euch immer ein gesetztes Ziel oder eher „Zufall“?
Adrian: Ja, am 8. März nun endlich. Lange genug gewartet!! Dieser Zwei-Jahres-Rhythmus hat sich bei uns irgendwie so „eingeschlichen“ und ist irgendwas zwischen Plan und Zufall. Ich finde, das ist eine gute Zeitspanne zwischen zwei Alben. Man hat genug Zeit mit dem aktuellen Album und das Warten auf etwas Neues ist nicht zu lang. Gerade aus Sicht des Songwritings und der Produktion macht das aber eben auch Sinn. Wir lassen uns beim Schreiben neuer Stücke immer die Zeit, die wir brauchen und machen da nichts überhastet. Das dauert eben seine Zeit und Kreativität lässt sich nicht erzwingen. Hinzu kommen dann Produktion und Herstellung, Artwork usw. Da gehen ein paar Monate ins Land wie Minuten. Diese zwei Jahre decken sich da einfach mit unserem Rhythmus und unserer Arbeitsgeschwindigkeit. Wenn es einmal länger dauern sollte, dann ist das auch OK…wobei ich mich jetzt schon sehr darauf freue, dass das neue Album bald kommt!

Stichwort Albumtitel: auch Zufall? Manchmal ist es bei euch ein Songtitel und manchmal auch eine Zeile aus einem Song, so wie jetzt…
Adrian: Über den Albumtitel haben wir dieses mal recht lange nachgedacht um den richtigen Ausdruck zu finden, der dieses Album am besten beschreibt. Herz und Verstand ist eine etwas abgewandelte Zeile aus dem Song “Herztier“, der auch gleichzeitig so etwas wie der Titeltrack des Albums ist. Der Song ist bezeichnend dafür, welche Konflikte die Texte auf dem Album beschreiben. Herz und Verstand…diese beiden großen Kräfte in uns, die an uns zerren. Auf der einen Seite das Herz, das Bauchgefühl und die Intuition. Auf der anderen Seite der Verstand, unsere Rationalität, nüchterne Betrachtung und unser Streben nach Sicherheit. Jeder von uns hat seine ganz eigene Tendenz, man ist eher ein Kopf- oder ein Bauchmensch. Aber mit jeder Aufgabe, jedem Problem und jeder Entscheidung loten wir das Verhältnis dieser Kräfte in uns neu aus und müssen für uns ein Gleichgewicht finden. Der Titel „Herz & Verstand“ passt genau deshalb so gut, weil die Texte eben diesen Dualismus und die Prozesse beschreiben. Wir sind (fast) nie ganz eins mit uns selbst. Da gibt es immer auch eine entgegengesetzte Kraft in uns, mit der wir in Konflikt stehen. Die kann uns im Wege stehen. Sie kann uns aber auch vor falschen Entscheidungen bewahren.

Kärbholz – Mutmacher

Die Zeit im Studio – war alles wie immer? Habt ihr dieses Mal was anders gemacht? Gab es einen besonderen Druck?
Adrian: Wir haben, wie bereits für unser letztes Album „Überdosis Leben“ auch für das neue Album „Herz & Verstand“ erneut mit Eike Freese in den Hamburger Chameleon Studios zusammengearbeitet. Das stand für uns tatsächlich auch außer Frage. Denn die Zusammenarbeit beim letzten Album war fantastisch und das wollten wir weiterführen. Dieses mal haben wir Eike wesentlich früher mit einbezogen und haben mit ihm auch eine Vorproduktion gemacht. So waren wir alle sehr gut vorbereitet für die tatsächliche Produktion im Studio. Anfangs war die größte Baustelle das Finden der richtigen Sounds. Unser Ziel war ein organischer, warmer, in Richtung analoger Sound. Also haben wir für die Schlagzeugaufnahmen mit vielen verschiedenen Sets und Setups herumexperimentiert, ebenso mit verschiedenen Arten der Mikrofonie und der Positionierung im Raum. Auch bei den Gitarren wollten wir so wenig wie möglich in die digitale Trickkiste greifen. Also haben wir uns eine riesige Batterie an verschiedenen Verstärkern und Boxen aufgebaut, mit verschiedensten Mikrofonen bestückt, und haben uns mit den unterschiedlichsten Gitarren unserem Sound genähert. Eine solche Vorgehensweise kostet viel Zeit und Geld. Das haben wir uns aber gegönnt, denn am Ende hört man einfach den Unterschied. Die Produktion hat sich dann über einen Zeitraum von sechs Wochen hingezogen. Wir hatten uns ganz in der Nähe vom Studio eine kleine Wohnung gemietet. Für diese eineinhalb Monate war Hamburg unser zu Hause und wir konnten uns voll und ganz dieser Produktion widmen. Da hat sich schnell eine sehr fruchtbare und kreative Atmosphäre gebildet. Es ist toll, so weit weg vom alltäglichen Leben, sich ausschließlich auf Musik fokussieren zu können. Es war also kein reines Arbeiten nach Plan, vielmehr hatten wir die Chance kreativ zu sein, Dinge auszuprobieren und konnten sehr viele Ideen entwickeln und umsetzen, die ganz einfach nur in einer solchen Atmosphäre die Chance haben zu keimen.

Wie entsteht ein Kärbholz-Song? Was beeinflusst euch beim Schreiben?
Adrian: Wir sind tatsächlich einen etwas anderen Weg gegangen. Ich habe auch dieses mal die Texte geschrieben. Bei den letzten Alben bin ich mit einer Akustikversion des Songs zu den Jungs und wir haben ab diesem Zeitpunkt gemeinsam daran gearbeitet. Bei „Herz & Verstand“ habe ich die Songs aber selbst mit allen Instrumenten und allen meinen Ideen und Vorstellungen vorab erst mal aufgenommen. Die Gitarren, den Bass, habe provisorisch Drums programmiert und drauf gesungen. Das Ergebnis waren waschechte Songs, die sich durch meinen Gesang erstmal überhaupt nicht nach Kärbholz angehört haben. Diese Versionen waren der Startschuss für ein gemeinsames Sprechen über und Arbeiten an den Songs. Das Schöne war, dass wir sofort eine gemeinsame Basis hatten. Funktioniert der Song so? Wie wirkt er? Gefällt er allen und können sich alle damit identifizieren? Wir haben dann mal mehr und mal weniger daran geändert aber jeder konnte nun seine Ideen einfließen lassen und wir sind dann gemeinsam in den kreativen Prozess gegangen. Das war eine spannende Art, die Songs dann bis zur finalen Version zu bearbeiten. Die Songs sind so zwischen Mitte 2017 und Mitte 2018 entstanden. Ich hatte mich da erst mal sehr langsam angenähert und Sachen ausprobiert. Es musste sich erst mal so ein Gefühl entwickeln, wo es mit dem neuen Album hingehen soll. Ich glaube, Herz & Verstand ist ein sehr intuitives Album. Musikalisch sind wir Wege weiter gegangen, die wir mit dem letzten Album Überdosis Leben eingeschlagen haben, haben ein paar „klassische“ Kärbholz-Songs und sind auch an einigen Stellen mal etwas anders an Songstrukturen und Arrangements gegangen. Textlich erzählen sie ausnahmslos von meinen inneren Konflikten und dem, was mich in dieser Zeit beschäftigt hat. Das sind schon zum Teil sehr persönliche Themen. Zum Beispiel beim Song „Stein und Sand“. So einen Einblick in mein Seelenleben habe ich so in der Art noch nie gegeben. Da musste ich mir auch erst mal sicher werden, dass ich das auch wirklich will. Ich habe dann aber etwas gemerkt. Es geht am Ende gar nicht nur darum, was ich dabei empfinde und woher die Idee dazu stammt. Torben ist ja derjenige, der die Songs singt und es ist uns total wichtig, dass er sich mit den Texten identifizieren kann und einen Zugang dazu hat…auch wenn er den Text nicht geschrieben hat. Und so ist gerade bei den sehr persönlichen Texten klar geworden, dass ich sie zwar mit einem bestimmten Gefühl und einer Intention geschrieben habe, Torben sie aber für sich ganz anders interpretiert und ihnen noch mal einen ganz anderen Vibe verpasst. Wenn das passiert ist, dann wussten wir ja, das ist ein guter Song. Wenn er mit denselben Worten so unterschiedliche Gedanken und Emotionen hervorrufen kann. Diese Momente gab es noch nie so oft, wie bei diesem Album.

Mit „Mutmacher“ und „Keiner befiehlt“ habt ihr bereits zwei Single ins Rennen geschickt. Warum fiel die Wahl auf die Songs?
Adrian: Überraschung: Es wird sogar noch eine dritte Single geben! Das sind alles Songs, die uns persönlich auf ihre Art am Herzen liegen, jedoch sehr unterschiedlich sind. Musikalisch und inhaltlich. Und genau danach haben wir gesucht. Die Songs auf dem Album verbindet eine gewisse Melancholie mit einer aber ausnahmslos positiven Grundhaltung. Sie nachdenklich und selbstreflektierend, laut und ungestüm. Das sind sie auf sehr unterschiedliche Art und Weise. Einen Einblick in diese Bandbreite wollen wir gerne mit den Singles geben.

Kärbholz – Keiner befiehlt

Die beiden Songs sind auch als limitierte 7″-Singles erschienen mit je einem Track auf der B-Seite, der nicht auf dem Album erscheinen wird. Sind das eurer Meinung nach klassische B-Seiten-Songs oder anders gefragt, warum haben es die Songs nicht aufs Album geschafft?
Adrian: Damit haben wir uns sehr schwergetan. Denn nein! Die beiden B-Seiten hätten auch ohne Frage auf dem Album ihren verdienten Platz gehabt. Ich weiß, kaum jemand hört sich noch oft ein Album von vorne bis hinten an. Die Songs landen auf Playlisten und stehen dann für sich allein. Unser Gefühl bei „Herz & Verstand“ ist aber, dass sich das Album durchaus lohnt mal so wie es ist, in dieser Reihenfolge zu hören. Die Songs greifen ineinander und es entsteht so eine Stimmungskurve. Das war uns wichtiger, als so viele Songs wie möglich auf das Album zu packen. Daher mussten die beiden Songs eben mit ihren B-Seiten vorliebnehmen. Ich glaube aber, das sind B-Seiten, die durchaus öfter mal den Weg auf die Live_Setlist schaffen werden. Und das ist doch ein Ritterschlag für jeden armen B-Seiten-Track.

Wieviele B-Seiten-Songs bzw. unveröffentlichte Songs liegen noch bei euch im Schrank?
Adrian: Wir hatten letztes Jahr noch einen Song gefunden. MEHR ALS DAS ist dann auf dem Sampler unseres Labels METALVILLE erschienen. Der Schrank ist nun ganz offiziell leer!

Neben den „typischen“ Vollgas-Rock’n’Roll-Songs gibt es dieses Mal mehrere ruhigere Lieder – plant ihr sowas, ergibt es sich einfach oder wie kann man sich das vorstellen?
Adrian: Das ergibt sich aus der Stimmung im Text und auch aus der gerade aktuellen Stimmung, wenn Du einen Song schreibst. Es kommt auch vor, dass ein Song als ruhigeres Stück gedacht ist, sich aber dann beim gemeinsamen daran arbeiten zu einer schnellen Nummer entwickelt…oder anders herum. Es gibt aber keinen „Mindesthärtegrad“ bei uns. Wir lassen da erstmal alles zu und vertrauen unserem Gefühl. Das haben wir schon immer so gemacht. Ich musste letztens lachen. Da haben wir das Video zu MUTMACHER veröffentlicht. Da schreibt jemand, das sei ihm ja viel zu soft und zu langsam…das wäre ja gar nicht mehr so wie damals, wie wir angefangen haben. Abgesehen davon, dass ich es traurig fände, wenn es keine hörbare Entwicklung über 12 Jahre gäbe…auf unserem ersten Album SPIEL DES LEBENS waren so viele Balladen wie auf keinem anderen Album von uns. Ich finde es toll, dass wir uns das immer schon ermöglicht haben…schnelle und auch langsame Stücke zu schreiben. Etwas unvorhersehbar zu sein.

Mit „Mein persönlicher Krieg“ geht ihr auf die Veränderungen im Leben und die damit verbundenen Probleme ein – warum lohnt es sich, immer weiter zu machen und immer wieder aufzustehen?
Adrian: Weil Du sonst aufhörst zu leben. Du kannst versuchen, die Gefahr enttäuscht zu werden und kämpfen zu müssen zu minimieren. Indem Du keine Verantwortung übernimmst, keine Risiken eingehst und Veränderung kategorisch ablehnst. Aber wie traurig ist das denn?! Das Leben ist keine gerade Linie, sondern schlägt die wildesten und unerwartetsten Pirouetten. Es meint es manchmal gut mit Dir und nächsten Moment musst Du dich auf deinen Arsch setzen und für deine Ziele und dein Glück kämpfen. Du kannst die Kontrolle abgeben und resignieren…oder du nimmst es selbst in die Hand, gibst dich nicht mit zu wenig zufrieden und kämpfst für dich und alles was dir wichtig ist.

„Falsche Alternativen“ – ihr nehmt klar Stellung. Wie wichtig ist es heutzutage, eurer Meinung nach, solche klaren Worte zu finden? Vielleicht gerade als Band/Musiker…
Adrian: Wenn dir einfache Lösungen angeboten werden, für Probleme, an denen sich die Menschen seit je her die Zähne ausbeißen…dann sollten alle Alarmglocken läuten. Dann sollte man erstmal skeptisch sein und der Sache auf den Grund gehen und hinterfragen. Wir stellen uns nicht hin und sagen Dir, was richtig und was falsch ist. Wir können nur unsere eigenen Interpretationen und Gedanken mitteilen und dazu aufrufen, sich selbst ein Bild zu machen und nichts so einfach für bare Münze zu nehmen. Du musst als Band nicht politisch sein. Wenn wir aber davon singen, selbstbestimmt zu leben, mündig zu sein und Freiheit als höchstes Gut benennen, dann können wir aktuelle, politische Situationen und Strömungen nicht außen vorlassen. Das betrifft unser aller Leben und das sind Kräfte und Interessen, die am Ende des Tages nicht wollen, dass ich selbstbestimmt, mündig und frei bin. Sie gedeihen auf Angst und Unsicherheit. Wenn ich aber nicht blind einer vermeidlichen Wahrheit hinterherlaufe, sondern mich damit beschäftige und in Frage stelle, dann nehme ich mir selbst diese Angst und Unsicherheit und biete keinen Nährboden mehr für extreme und hirnrissige Weltanschauungen. Wir möchten dir nicht vorsingen, was Du zu denken hast. Wir sagen aber: Mach heute mal kein Schläfchen, sondern mach dir einen Kopf!

Ab dem 11.04.2019 startet dann die grosse Tour! Seid ihr gespannt, wie die Songs live ankommen werden? Wie bereitet ihr euch dieses Mal vor?
Adrian: Wir haben so unglaublich Bock! Wir proben gerade fleißig und schauen, welche Songs des neuen Albums wir spielen wollen. Aber nach ein paar Proben…ich weiß, dass die Songs live richtig Arsch treten werden und wir eine geile Zeit haben werden. Ohne Frage!

Wird es eine Support-Band geben? Könnt ihr da schon was verraten?
Adrian: Wir sind dran. Und wenn das alles so klappt, dann wird das ein ganz feines Brett werden!!!

Wird es auch eine Konzert-DVD/BluRay-Veröffentlichung von euch geben? Wenn ja, wann?
Adrian: Wir müssten so langsam mal, oder?!

Bitte beendet folgende Sätze.
Musik ist die beste, stärkste und wirkungsvollste Droge, weil….
Adrian: …sie ohne Umwege direkt ins Herz trifft.

Wir folgen niemandem und keinem, weil…
Adrian: …nur wir alleine wissen, welcher Weg der richtige für uns ist.

Die Herz&Verstand-Tour wird die beste Tour von Kärbholz, weil…
Adrian: …es gerade nichts gibt, auf das wir uns mehr freuen und wir feinsten Rum auf unsere Catering-Liste haben!

Jeder Mensch ist großartig, weil…
Adrian: …jeder Mensch das gleiche Anrecht auf Glück hat, dieselben Ängste hat, dieselbe Liebe schenken kann und wir schon viel erreicht hätten, wenn wir das endlich mal verstehen.

Den Kampf zwischen dem Hahn und der Schlange gewinnt keiner, weil…
Adrian: …in Wirklichkeit keiner der beiden ohne den anderen sein will.

Was bedeuten euch folgende Wörter:
Familie
Adrian: Lebensmittelpunkt

Freunde
Adrian: Fester Halt

Live
Adrian: Der schönste Ort auf der Welt

Vollgas
Adrian: Immer!

Bodenständig
Adrian: Was sonst?

Heimspiel
Adrian: Unglaublich, was daraus geworden ist. Stolz wie Oscar.

Tough Magazine
Adrian: Sexiest Chefredakteur of the Welt.

Wal Hoffnung
Adrian: Gute Sache!!

Vielen Dank, die letzten Worte gehören natürlich euch!
Adrian: Danke für das Gespräch! Hört in „HERZ & VERSTAND“ rein und besucht uns auf Tour. Und macht heute kein Schläfchen. Macht Euch nen Kopf!

Interview von Florian im Februar 2019

Dieser Artikel wurde am: 7. Februar 2019 veröffentlicht.

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